- Jaan Kross
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Jaan Kross (* 19. Februar 1920 in Tallinn; † 27. Dezember 2007 ebenda) war ein estnischer Schriftsteller.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Kross besuchte die Universität Tartu, schloss dort 1944 als Jurist ab und lehrte als Dozent für weitere zwei Jahre (und wieder als Professor der Artes Liberales 1998). Im Frühjahr 1944 wurde er von den deutschen Besatzern und 1946 von den Sowjets verhaftet, die ihn nach Sibirien deportierten, wo er bis 1954 im Gulag verblieb.
Nach seiner Rückkehr nach Tallinn 1954 folgten im nächsten Jahr erste Veröffentlichungen von Gedichten in verschiedenen Zeitschriften. Seitdem war er als freier Schriftsteller tätig. Seine reimlosen Gedichte der 1950er und 60er Jahre modernisierten die estnische Lyrik. Er war seit 1958 Mitglied des estnischen Schriftstellerverbandes, dessen Präsidium er ab 1971 angehörte, 1981 war er dann dessen stellvertretender Präsident. In den 1970/80ern verfasste er vor allem historische Romane. Im folgenden Jahrzehnt wandte er sich der jüngeren estnischen Vergangenheit zu, wobei seine Romane immer deutlicher autobiographische Züge annahmen.
Zwischen 1992 und 1993 war er Mitglied des estnischen Parlaments. An der Universität Tartu nahm er 1998 die die Professur der freien Künste wahr.
Jaan Kross war bis zu seinem Tod am 27. Dezember 2007 mit der estnischen Schriftstellerin Ellen Niit (bürgerlich Ellen Kross) verheiratet.
Auszeichnungen
Sowohl 1971 und 1972 als auch 1990 und 1995 erhielt Jaan Kross den Friedebert Tuglas-Preis für Kurzgeschichten. Im Jahre 1988 erhielt er den finnischen Eeva-Joenpelto-Preis, im folgenden Jahr die Ehrendoktorwürde der Universität Tartu, 1990 auch die der Universität Helsinki. Dem staatlichen estnischen Kulturpreis von 1994 folgte 1995 der italienischen Nonino-Literaturpreis, ebenso wie 1996 der Orden des Staatswappens erster Klasse. 1997 erhielt Kross den Herder-Preis und 1998 den Jahrespreis des estnischen Kulturkapitals sowie den Preis der Baltischen Versammlung.
2006 erhielt Kross den Kulturpreis der Republik Estland für sein Lebenswerk.
Werke
Zu den Werken Jaan Kross' gehören 13 Romane, seine Autobiographie, 6 Lyrikbände und Essaysammlungen sowie weiterhin Opernlibretti.
Thematische Gestaltung
Seine Romane (und Kurzgeschichten) sind fast alle historisch; Kross wird häufig als der Wiederbeleber des historischen Romans bezeichnet. Fast alle seine Werke spielen in Estland und kreisen um das Thema der Beziehungen von Esten, Deutsch-Balten und Russen. Seine häufige Thematisierung des Estnischen Freiheitskampfes gegen die Deutschbalten ist jedoch weitgehend eine Metapher für den zeitgenössischen Kampf gegen die Russen. Kross' Bedeutung auch nach dem erfolgreichen Ende des Kampfes 1991 zeigt aber, dass seine Romane auch von Themen, die über diese Art Politik hinausgehen, handeln, so z. B. Identität, Loyalität und Bildung.
Die Tragweite der Werke
In der allgemeinen Meinung gilt Der Verrückte des Zaren über den deutschbaltischen Adligen Timotheus Eberhard von Bock als Kross' bester Roman. Bekannt ist auch der Roman Professor Martens' Abreise über den russischen Diplomaten Friedrich Fromhold Martens, der wegen seiner Themen (Wissenschaft, Expertentum, nationale Loyalität) besonders bei Akademikern beliebt ist. Von vielen Experten werden hingegen die früheren Ausgrabungen als Kross' bestes Werk angesehen. Das Leben im Reval des 16. Jahrhunderts beschreibt sein Roman Das Leben des Balthasar Rüssow. In dem Roman Die Frauen von Wesenberg oder der Aufstand der Bürger beschreibt Kross die Bemühungen der Stadt Wesenberg, sich von der unrechtmäßigen Herrschaft der Adelsfamilie Tiesenhausen zu befreien. Alle diese Romane liegen in deutschen Übersetzungen vor. Kross war der bei weitem meist übersetzte und national wie auch international bekannteste estnische Schriftsteller, sicherlich der bedeutendste seit Anton Hansen Tammsaare.
Deutsche Übersetzungen
- Vier Monologe Anno Domini 1506 (Michel Sittow). Berlin/Weimar 1974 (Aufbau)
- Der Verrückte des Zaren (Timotheus Eberhard von Bock). Dt. v. Helga Viira. Rütten & Loening, Berlin 1988 und Hanser, München 1990, ISBN 3-446-16039-6, als TB ISBN 3-423-20655-1
- Professor Martens' Abreise (Friedrich Fromhold Martens) Hanser, München 1992, ISBN 3-446-16363-8, als TB ISBN 3-423-11974-8
- Das Leben des Balthasar Rüssow (Balthasar Rüssow). Dt. v. Helga Viira und Barbara Heitkam. Rütten & Loening, Berlin 1986 und Hanser, München 1995, ISBN 3-446-16387-5
- Ausgrabungen. Dipa, Frankfurt/M. 1995, ISBN 3-7638-0343-2 (Reprint 2002)
- Die Frauen von Wesenberg oder Der Aufstand der Bürger. Hanser, München 1997, ISBN 3-446-19120-8
Weblinks
- Literatur von und über Jaan Kross im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jaan Kross in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- „Die eigene Geschichte“ Cord Aschenbrenner zu Besuch bei Jaan Kross, NZZ, 3. Dezember 2002
- „Jaan Kross ist tot“, Spiegel Online, 27. Dezember 2007
- „Niemals aufgeben“ Nachruf in der FAZ vom 28. Dezember 2007
- „Just left the building: Jaan Kross“ Nachruf (dt.) in Kritische Ausgabe vom 27. Dezember 2007 mit weiteren Verweisen
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