- Jacob Levy Moreno
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Jacob Levy Moreno (* 18. Mai 1889 in Bukarest; † 14. Mai 1974 in Beacon, New York) war ein österreichisch-amerikanischer Arzt, Psychiater, Soziologe und der Begründer des Psychodramas, der Soziometrie und der Gruppenpsychotherapie.
Inhaltsverzeichnis
Familie
Jacob Levy Moreno – geboren als Jacob Levi − war der Sohn des sephardischen Kaufmanns Moreno Nissim Levi und seiner Frau Pauline Iancu (* 1874).[1], [2] In einer Selbstdefinition wählte Moreno das Datum 16. Mai 1892[3] den Gedenktag der Vertreibung der Juden aus Spanien zum Tag seiner Geburt. [4]
Laut Aussage in seiner Autobiografie wurde er in einer stürmischen Nacht im Morgengrauen des heiligen Sabbat während einer Schiffsfahrt vom Bosporus nach dem rumänischen Constanța auf einem Schiff unbekannter Nationalität geboren.[5] Morenos Angaben dürfen allerdings hinterfragt werden und mehr einer „psychodramatischen Wahrheit“ denn nachprüfbaren Ereignissen entsprechen. [6]
Die Jahre in Wien
Moreno erlebte als Kind im Alter von vier Jahren die Flucht seiner Familie vor Armut und Pogromen nach Wien, wo er aufwuchs. Nach der Übersiedelung seiner Familie nach Berlin kehrte Moreno als 14-Jähriger alleine nach Wien zurück, wo er nach dem Besuch einer jüdischen Schule ab 1909 zunächst Philosophie, dann Medizin studierte. [1] Sein Studium finanzierte er zum Teil als Hauslehrer, z. B. von Elisabeth Bergner.[7] Sein Medizinstudium schloss er am 5. Februar 1917 ab. [8]
Anstellung als Gemeindearzt in Bad Vöslau. Schon als Jugendlicher war er vom Stegreiftheater, das zu dieser Zeit in Wien eine außergewöhnliche Blüte erlebte - zeitweilig soll es bis zu hundert Stegreifbühnen gegeben haben - fasziniert. Ebenso bewunderte er die Spontaneität und Kreativität der in den Parkanlagen spielenden Kinder.
Während seines Studiums beschäftigte er sich mit gesellschaftlichen Randgruppen und arbeitete nach seiner Promotion als Arzt in einem Flüchtlingslager in Mitterndorf an der Fischa, Niederösterreich. Seine Beobachtungen führten ihn dazu, soziale Anziehungs- und Abstoßungskräfte zu vermuten und in der Gruppe mehr als die Summe ihrer Mitglieder zu sehen. Diese Erfahrungen bildeten die Grundlage für seine späteren Arbeiten zur Soziometrie, zur Aktionsforschung und zur Entwicklung der Methode des Psychodramas. Von 1918 bis 1925 war er als Werksarzt in der Vöslauer Kammgarnfabrik tätig. Zugleich gehörte er expressionistischen Künstlerkreisen in Wien an (Herausgeber der Zeitschrift Daimon). Seinem radikalen Konzept eines Stegreiftheaters („Theater der Spontaneität“), das er zwischenzeitig entwickelte, war allerdings wenig "Publikumserfolg" beschieden. Immerhin, Elisabeth Bergner und Peter Lorre sammelten bei ihm erste Theater-Erfahrungen.
Sein ehrenhalber gewidmetes Grab (Abteilung 1, Ring 1, Gruppe 5, Nummer 1) befindet sich im Urnenhain der Feuerhalle Simmering.
Die Jahre in Amerika
1925 reiste er auf Einladung eines Elektrokonzerns (Moreno hatte gemeinsam mit dem Bruder seiner Lebensgefährtin ein elektromagnetisches Aufzeichnungsverfahren entwickelt) in die USA, wo er in der Folge dann auch blieb. Hintergrund für diese Entwicklung dürfte vor allem auch gewesen sein, dass er sich sowohl künstlerisch wie auch als ärztlicher Pionier in einer Stagnation erlebte. Die ersten fünf Jahre hatte er schwer zu kämpfen. Hilfe erhielt er schließlich durch die Kinderpsychologin Beatrice Beecher, die er 1928 heiratete, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. [1] Seine Arbeit mit Kindern, soziometrische Studien mit Strafgefangenen in Sing Sing und Mädchen in einem Erziehungsheim fanden jedoch bald Resonanz. Seine frühen Erfahrungen in Amerika flossen in sein Hauptwerk Who shall survive? ein. 1936 übernahm er eine kleine psychiatrische Klinik in Beacon (USA), in der er seinen therapeutischen Ansatz des Psychodramas (Psychotherapie mittels Stegreifspiels) zur Reife weiterentwickelte.
Veröffentlichungen im Frühwerk
- Einladung zu einer Begegnung, 2 Hefte (1914) [9]
- redigierte die Zeitschrift Daimon (1918)
- Die Gottheit als Autor (1922)
- Die Gottheit als Komödiant (1922)
- Das Stegreiftheater, Potsdam: G. Kiepenheuer, 1924
Psychodrama und Gruppenpsychotherapie
Moreno entwickelte das Psychodrama, als „diejenige Methode, welche die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet“, mit dem Ziel „die menschliche Spontaneität freizusetzen und gleichzeitig in das gesamte Lebensgefüge des Menschen sinnvoll zu integrieren“. Er entwickelte die Soziometrie zur Diagnose von Beziehungen in Gruppen, und erweiterte die Rollentheorie für die Psychotherapie in der Gruppe. Er verwendete als erster den Begriff "Gruppenpsychotherapie".
Soziometrie
Mit der Soziometrie leistete Moreno einen Beitrag zur Soziologie. Mit seiner gleichwertigen Hervorhebung sowohl des Sozialen als auch der Betonungsmuster metrum neigte er zu einem Ausgleich zwischen empirischen und geisteswissenschaftlichen Soziologie-Ansätzen. Laut Moreno hat jede Gesellschaft ihre formale Struktur (Geflecht von institutionalisierten sozialen Rollen) aber auch eine informale Struktur, in der die Beziehungen der Menschen zueinander emotionaler Art sind.
Siehe auch
Schriften
- Who shall survive? (1934) (dt.: Die Grundlagen der Soziometrie - Wege zur Neuordnung der Gesellschaft (1953, 4. Aufl. Leske + Budrich, 1996)
- Gruppenpsychotherapie und Psychodrama. Einleitung in Theorie und Praxis, 1959, Stuttgart: Thieme, 5. unveränd. Auflage 1997
- "Role", in Moreno: The Sociometry Reader, 1960
- Psychodrama, 1964
- Psychodrama und Soziometrie. Essentielle Schriften , Edition Humanistische Psychologie, 2. Auflage 2001, ISBN 3-926176-23-7
- Auszüge aus der Autobiographie, München: inScenario, 1995, ISBN 3-929296-01-2
Sekundärliteratur
- Sebastian Gießmann: Ganz klein, ganz groß. Jacob Levy Moreno und die Geschicke des Netzwerkdiagramms. In: Ingo Koester/Kai Schubert (Hgg.): Medien in Raum und Zeit. Maßverhältnisse des Medialen transcript, Bielefeld 2009, S. 267-292
- Hans-Werner Gessmann: Megalomania normalis oder der Versuch einer Biographie J. L. Morenos. In: Bausteine zur Gruppenpsychotherapie, Band 3 Verlag des PIB, Duisburg, 1994, S. 23 - 57, ISBN 3-928524-23-2
- A. Paul Hare/June Rabson Hare: J. L.Moreno. (Series: Key Figures in Counselling and Psychotherapy). SAGE Publications, London 1996, ISBN 0-8039-7968-1
- Ferdinand Buer (Hrsg.): Morenos therapeutische Philosophie Opladen: Leske + Budrich, Opladen 1989
- René F. Marineau: Jacob Levy Moreno 1889 - 1974. Father of psychodrama, sociometry, and group psychotherapy, Tavistock/Routledge, London/New York 1989, ISBN 0-415-04383-2
- Brigitte Marschall: "Ich bin der Mythe". Von der Stegreifbühne zum Psychodrama Jakob Levy Morenos Böhlau, Wien, Köln, Graz 1988.
- J. Nehmevasja, J. Maier: Moreno, Jacob L., in: Wilhelm Bernsdorf/Horst Knospe (Hgg.): Internationales Soziologenlexikon, Bd. 2, Enke, Stuttgart ² 1984, S. 587 f.
- Jean-Bertrand Pontalis: Ein neuer Heiler: J. L. Moreno in: Ders.: Nach Freud, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968, S. 190-207[10]
Weblinks
- Literatur von und über Jacob Levy Moreno im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Moreno-Museum Bad Vöslau
- Wilfried Graf: Soziometrie, Friedensforschung und kreative Konflikttransformation. Einladung zu einer Begegnung zwischen J.L.Moreno und Johan Galtung. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie. Heft 2/ September 2006. S.191-206. [1]
Einzelnachweise
- ↑ a b c Jutta Fürst: Jacob Levy Moreno
- ↑ ÖAGG Fachsektion Psychodrama, Soziometrie und Rollenspiel: Psychodrama Austria, Jacob Levi Moreno
- ↑ Datum im dtv-Lexikon, München 2006.
- ↑ VBÖK: Moreno in Wien
- ↑ Psychodrama Institut für Europa: Moreno
- ↑ VBÖK: Moreno in Wien
- ↑ M. Heymann, Elisabeth Bergner - mehr als eine Schauspielerin, Berlin 2008, S. 12 f.
- ↑ inScenario Verlag:Die Wurzeln des Szenischen Arbeitens, Materialien zur Historie von Psychodrama & J.L. Moreno
- ↑ Einladung zu einer Begegnung, Heft 1, Bericht von Jakob Levy; Wien, Frühling 1914: Titelblatt
- ↑ Pontalis sieht im Psychodrama eine interessante Technik, wirft Moreno aber soziologische Naivität vor. Moreno löse das Soziale in „abstrakte psychologische Mechanismen“ auf und werde den Beziehungen zwischen kleinen sozialen Gruppen und den Makrostrukturen der Gesellschaft nicht gerecht.
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