- Jenny Aloni
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Jenny Aloni (geborene Jenny Rosenbaum, * 7. September 1917 in Paderborn; † 30. September 1993 in Ganei Yehuda, Israel) war eine deutsch-israelische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Autorinnen der deutschsprachigen Literatur Israels gilt. [1]
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend
Jenny Aloni wuchs als Tochter des Kaufmanns Moritz Rosenbaum und seiner Frau Henriette, geborene Eichengrün, in einer seit Jahrhunderten in Paderborn alteingesessenen jüdischen Familie als jüngste von drei Schwestern auf. Der Vater betrieb mit seinem Bruder Sally im Wohnhaus der Familie einen Handel mit Fellen und Altmetall. Sie besuchte das katholische Lyzeum St. Michaels-Kloster in Paderborn, eine von Augustinerchorfrauen geleitete Mädchenschule, von 1924 bis zur elften Klasse 1935.
Aufgrund der zahlreicher werdenden antisemitischen Anfeindungen beschäftigte sie sich seit 1933 intensiv mit dem Zionismus und entschloss sich gegen den Willen ihrer Eltern die Schule abzubrechen und nach Palästina auszuwandern. 1935 war sie zur Vorbereitung ihrer Auswanderung nach Palästina in der Hachschara-Ausbildungsstätte Gut Winkel bei Spreenhagen, wo sie u.a. Obst- und Gemüseanbau lernte.
Berlin
Mit Rücksicht auf ihre Eltern stellte sie ihre Auswanderungspläne zurück und besuchte ab 1936 in Berlin die Schule der Israelitischen Synagogengemeinde Adass Jisroel bis zum Abitur. Sie knüpfte Kontakte zu sozialistischen Gruppen innerhalb der zionistischen Bewegung und lernte Hebräisch und Arabisch. 1939 machte sie ihr Abitur und arbeitete als Gruppenleiterin in einem Kibbuz in Schniebinchen (Świbinki) in der Niederlausitz. Als eine glückliche Insel, auf der die Nazi-Diktatur zeitweise vergessen werden konnte, bezeichnete sie diesen Ort. [2]
Jenny Alonis letzter Besuch in Paderborn vor der Emigration war unmittelbar nach dem Pogrom vom 9. und 10. November 1938. Das Elternhaus war fast vollständig zerstört, Wohnungseinrichtung und Geschäft zertrümmert worden. Vater und Onkel waren in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht worden, die erzwungene Geschäftsaufgabe stand bevor. Im November 1939 schaffte es Jenny Aloni mit einem Transport jüdischer Kinder und Jugendlicher über Triest nach Palästina. 1942 wurde ihre Schwester deportiert (Ziel und Todesort sind unbekannt). Ihre Eltern wurden ebenfalls deportiert, nach Konzentrationslager Theresienstadt, wo der Vater 1944 starb; die Mutter wurde im selben Jahr weiter nach Auschwitz verschleppt, ihr genaues Todesjahr ist unbekannt.
Israel
Jenny Aloni studierte mit Hilfe eines Stipendiums an der Hebräischen Universität in Jerusalem, musste aber für ihren Lebensunterhalt als Haushaltshilfe arbeiten. Nebenbei leistete sie noch freiwillige Sozialarbeit für verwahrloste Kinder und Jugendliche. 1942 meldete sie sich zum Sanitätsdienst bei der Jüdischen Brigade der Britischen Armee. 1946 beendete sie ihren Armeedienst, anschließend besuchte sie eine Schule für Sozialarbeit. 1946 hielt sie sich in Paris und München auf, um bei der Rückführung jüdischer Displaced Persons in ihre Heimatländer oder bei ihrer Auswanderung nach Palästina zu helfen.
1948 heiratete Jenny Rosenbaum den 1934 nach Palästina eingewanderten Esra Aloni. Im jüdisch-arabischen Krieg war Jenny Aloni Sanitäterin. 1950 wurde die Tochter Ruth geboren. 1955 besuchte Jenny Aloni zum ersten Mal seit 1935 ihre Heimatstadt Paderborn. Seit 1957 lebte die Familie Aloni in Ganei Yehuda bei Tel Aviv (im Gusch Dan (Ganei Yehuda ist seit 2004 Stadtteil von Savyon). Von 1963 bis 1981 war Jenny Aloni ehrenamtliche Mitarbeiterin der Psychiatrischen Klinik in Beer Yaakov.
Jenny Aloni starb am 30. September 1993 in Ganei Yehuda.
Werk
Jenny Aloni verfasste seit ihrer Jugend, ermutigt von einer Deutschlehrerin, literarische Texte. Sie schrieb auch nach ihrer Auswanderung vorwiegend auf deutsch. Ihr Werk besteht aus Romanen, Erzählungen, Gedichten und Tagebüchern und ist stark autobiografisch gefärbt. In der Sprache Jenny Alonis mischen sich oft ein geradezu existentialistisches, nicht mehr zeitgemäßes Pathos mit knappen und präzisen Schilderungen. [3]
Jenny Alonis Themen sind zum einen ihre Kindheits- und Jugenderfahrungen im Drittem Reich. Den Tag der nationalsozialistischen Machtübernahme hat die Fünfzehnjährige bewusst als Bruch erlebt: An jenem Abend sprang die Brücke zwischen ihr und den anderen. [4] Der Verlust ihrer Familienangehörigen wird von ihr meist nur in Andeutungen dargestellt. Andererseits beschäftigt sich Jenny Alonis Werk mit der Integration von Menschen unterschiedlichster Herkunft in Israel und dem jüdisch-palästinensischen Konflikt.
In den 1960er Jahren erregte das Werk der Schriftstellerin kurzfristig Aufmerksamkeit. Ihr erster Roman Zypressen zerbrechen nicht wurde von Max Brod gelobt und erreichte nach einem Jahr bereits eine Neuauflage. Heinrich Böll äußerte sich wohlwollend über einige ihrer Kurzgeschichten. 1967 erhielt die Autorin den Kulturpreis der Stadt Paderborn.
In den 1970er Jahren fand die Autorin keinen Verleger mehr, sie veröffentlichte in Tel Aviv im Selbstverlag. Ein 1987 erschienener Auswahlband mit Werken aus 40 Jahren brachte ihr einige Aufmerksamkeit der Literaturkritik. Seit die Werkausgabe eine Übersicht über ihr Schaffen ermöglicht, gilt Jenny Aloni als bedeutendste unter denen, die in Israel – noch oder wieder – in deutscher Sprache schreiben. [5] Die Neue Zürcher Zeitung zählte sie 1993 zu den profiliertesten Erzählerinnen ihrer Generation. [6]
Jenny Aloni war langjähriges Mitglied im Verband deutschsprachiger Schriftsteller Israels (VdSI), der vom Journalisten Meir Faerber 1975 in Tel Aviv gegründet wurde. Seit 1992 befasst sich das Jenny-Aloni-Archiv an der Universität Paderborn mit der Pflege ihres Werks und ihres Nachlasses.
Zitat
Ich leide an Erez Israel, wie ich früher an Deutschland gelitten habe. Hier wie dort bin ich fremd. Fast will es mir scheinen, als sei diese gegenwärtige Fremdheit schwerer zu zerbrechen, denn sie wurzelt tiefer in der Sprache, im Verhältnis zu den Menschen und nicht zuletzt darin, dass das Land mir eigentlich mit seinem Leben näher stehen sollte. –Jenny Aloni kurz nach ihrer Ankunft in Palästina
Werke
Lyrik und Prosa
- Gedichte. Henn, Ratingen bei Düsseldorf, 1956
- Zypressen zerbrechen nicht. Roman. Eckart, Witten und Berlin, 1961
- Jenseits der Wüste. Erzählungen. Eckart, Witten und Berlin, 1963
- Der blühende Busch. Wege nach Hause. Roman. Eckart, Witten und Berlin, 1964
- Die silbernen Vögel. Erzählungen. Starczweski, München, 1967
- Der Wartesaal. Roman. Herder, Freiburg i. Br., Basel und Wien, 1969
- In den schmalen Stunden der Nacht. Gedichte. Eigenverlag, Ganei Yehuda, 1980
- Die braunen Pakete. Erzählungen. Alon, Ganei Yehuda, 1983
Sammlungen
- Ausgewählte Werke. 1939-1986. Herausgegeben von Friedrich Kienecker und Hartmut Steinecke. Schöningh, Paderborn, München, Wien und Zürich, 1987
- Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Herausgegeben von Friedrich Kienecker und Hartmut Steinecke. Schöningh, Paderborn, München, Wien und Zürich
- Band 1: Das Brachland. Aufzeichnungen aus einer Einsamkeit. 1990
- Band 2: Zypressen zerbrechen nicht. Roman. 1990
- Band 3: Erzählungen und Skizzen 1. 1991
- Band 4: Der blühende Busch. Wege nach Hause. Roman. 1992
- Band 5: Der Wartesaal. Roman. 1992
- Band 6: Erzählungen und Skizzen 2. 1994
- Band 7: Gedichte. 1995
- Band 8: Korridore oder das Gebäude mit der weißen Maus. 1996
- Band 9: Kurze Prosa. 1996
- Band 10: Berichte. Gedichte in Prosa. Hörspiele. Gespräche. 1997
- „... man müßte einer späteren Generation Bericht geben“. Ein literarisches Lesebuch zur deutsch-jüdischen Geschichte und eine Einführung in Leben und Werk Jenny Alonis. Herausgegeben von Hartmut Steinecke. Schöningh, Paderborn, München, Wien und Zürich, 1995
- „Ich möchte auf Dauer in keinem anderen Land leben.“ Ein israelisches Lesebuch 1939 - 1993. Herausgegeben von Hartmut Steinecke. Schöningh, Paderborn, München, Wien und Zürich, 2000
- „Ich muss mir diese Zeit von der Seele schreiben…“ Die Tagebücher 1935-1993: Deutschland - Palästina -Israel. Herausgegeben von Hartmut Steinecke. Schöningh, Paderborn, München, Wien und Zürich, 2006
- Kristall und Schäferhund in: Ein Spiegel des eigenen Ich. Selbstzeugnisse antisemitisch Verfolgter Hg. Joachim Meynert. Pendragon, Brackwede 1988 ISBN 3923306717 (S. 86 - 112)
Auszeichnungen
- 1967: Kulturpreis der Stadt Paderborn
- 1991: Meersburger Droste-Preis
- 1991: Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis
Literatur
- Hartmut Steinecke (Hrsg.): Jenny Aloni. Paderborn, 1996
- Hartmut Steinecke: Das Jenny-Aloni-Archiv der Universität Paderborn. Die Schenkung des Nachlasses 1996. Gesamthochschule, Paderborn, 1996
- Hartmut Steinecke (Hrsg.): „Warum immer Vergangenheit?“, Münster 1999
- Petra Renneke: Das verlorene, verlassene Haus. Bielefeld, 2003
Einzelnachweise
- ↑ http://www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php?id=00000003&layout=2&author_id=00000965
- ↑ http://www.zydzi-zycie.net/geschichten/?id_geschichten=261&PHPSESSID=f7d0423069003f6c31af620ca029ec37
- ↑ http://www.lwl.org/juedisches-leben/geschichten/folgeseite.php?id_geschichten=266
- ↑ http://www.zydzi-zycie.net/geschichten/folgeseite.php?id_geschichten=262
- ↑ Hartmut Steinecke: Jenny Aloni. Ein Porträt zum 75. Geburtstag. in: Literatur in Westfalen 2
- ↑ http://www.lwl.org/juedisches-leben/geschichten/folgeseite.php?id_geschichten=266
Weblinks
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