John Henry Mackay

John Henry Mackay
John Henry Mackay

John Henry Mackay (* 6. November 1864 in Greenock bei Glasgow, Schottland; † 16. Mai 1933 in Berlin-Charlottenburg) war ein deutscher Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

John Henry Mackay wurde zwar 1864 in Schottland geboren, aber nach dem frühen Tod des Vaters 1865 zog seine deutsche Mutter mit ihm zurück nach Deutschland. Mackay verbrachte seine frühe Kindheit in Saarbrücken, besuchte die Gymnasien in Burgsteinfurt und Birkenfeld bei Trier, nahm in Stuttgart eine Lehre als Verlagsbuchhändler auf und hörte einige Semester Philosophie an den Universitäten Kiel, Leipzig und Berlin. Im Jahre 1885 trat Mackay erstmals mit literarischen Werken an die Öffentlichkeit.

In Berlin verkehrte er im Umfeld des Friedrichshagener Dichterkreises. Mit Hilfe von Krafft-Ebings Psychopathia sexualis wurde er sich seiner homosexuell-päderastischen Neigung bewusst. Mit dem 1888 unter dem gemeinsamen Titel Moderne Stoffe erschienenen Novellen Existenzen und Nur eine Kellnerin wurde er zu einem der Wegbereiter der Literaturrichtung des Naturalismus. Während eines einjährigen London-Aufenthalts (1887/88) entdeckte er für sich Max Stirner, dessen 1844 erschienenes Buch Der Einzige und sein Eigentum infolge der Restauration nach 1848 in Vergessenheit geraten war. Stirner wurde bald sein Lebensthema. Über ihn, der nur mühsam aus der Verschollenheit zu bergen war, schrieb er die erste und bis heute kaum erweiterte Biographie, die jedoch wegen fehlender Quellennachweise [1] und ihres oft als hagiographisch empfundenen Tones kritisiert wurde (1898, erw. 1910, erw. 1914). Weiterhin spürte Mackay Stirners verstreute Artikel auf und gab sie als Kleinere Schriften neu heraus. Weil Mackay der bekannteste Anhänger Stirners war, entstand der Eindruck, dass seine Konzeption des „individualistischen Anarchismus“, die er in den „Büchern der Freiheit“ (Die Anarchisten, Der Freiheitsucher) präsentierte, auf Stirners Ideen basiere. Inhaltlich stimmt sie jedoch weit besser mit dem in Nordamerika – in der Tradition von Thomas Jefferson, Ralph Waldo Emerson, Henry David Thoreau und anderen – entstandenen radikalen Liberalismus seines Freundes Benjamin R. Tucker überein. [2]

Anfang der 1890er-Jahre lernte er die damals noch unbekannte Schriftstellerin Gabriele Reuter kennen, der er 1895 einen Kontakt zu dem Verleger Samuel Fischer vermittelte. Reuters Roman Aus guter Familie wurde über Nacht zum Bestseller - was nicht zuletzt an dem von Mackay vorgeschlagenen, provokant-sozialkritischen Titel lag (Reuter selbst wollte den Roman, wie sie in ihren Memoiren schreibt, nur schlicht Agathe Heidling nennen).

Im Jahre 1898 befreundete sich Mackay näher mit Rudolf Steiner, der damals noch allem Okkulten, Theosophischen etc. feindlich gesinnt war und sogar die Gedanken Max Stirners „in Übereinstimmung" mit seiner Philosophie der Freiheit (1894) befand. [3] Mackay und Steiner waren zu dieser Zeit die einzigen publizistischen Vertreter des „individualistischen Anarchismus” in Deutschland; gemeinsam gaben sie die Propagandaschrift „Sind Anarchisten Mörder?“ heraus. Außerdem von 1907 - 1919 mit Bernhard Zack zusammen die Schriftenreihe „Propaganda des individualistischen Anarchismus[4]. Als Steiner Ende 1899 seine langjährige Wirtin Anna Eunike heiratete, war Mackay Trauzeuge. Diese enge Verbindung Mackays mit Steiner zerbrach, als Steiner sich mit seinen bisherigen Ideen plötzlich „in eine Art Abgrund gerissen” erlebte [5] und sich der Theosophie zuwandte.

Im Jahre 1905 trat er in Verbindung mit Benedict Friedlaender, dessen Sezessionsbewegung aus dem Wissenschaftlich-humanitären Komitee von Magnus Hirschfeld er unterstützte. Dadurch verstärkten sich seine Differenzen mit Hirschfeld, die in seiner grundlegenden Ablehnung von dessen Theorie über Homosexualität als „Drittes Geschlecht“ gründeten. Seine unter dem Pseudonym Sagitta veröffentlichten Schriften über die „namenlose“ oder „griechische“ Liebe, das heißt die Zuneigung erwachsener Männer zu männlichen Adoleszenten, waren im Deutschland der Kaiserzeit und auch noch in der Weimarer Republik durch Gerichtsurteile als „unsittlich“ verboten. Seine Arbeiten über den „individualistischen Anarchismus” fanden demgegenüber größere Verbreitung — dank der Aktivitäten seiner Freunde Benjamin Tucker[6], George Schumm und Clarence Swarts auch in den USA.

Die Inflation der frühen 1920er Jahre verschlang Mackays ererbtes Geldvermögen. Neue Veröffentlichungen in den folgenden Jahren scheiterten oft an den Praktiken seiner verlegerischen Geschäftspartner. Auch seine alten literarischen Arbeiten, die - von dem Kriminalroman Staatsanwalt Sierlin abgesehen - nicht für ein „breites Publikum“ geschrieben waren, trugen ihm nur noch wenig ein. Die von Kurt Zube 1931 gegründete Mackay-Gesellschaft konnte den verarmten Schriftsteller in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nur unzulänglich unterstützen.

Mackay starb am 16. Mai 1933 - möglicherweise durch eine Überdosis Morphin, obwohl er auch schon seit mehreren Jahren an verschiedenen Krankheiten litt. Seine Urne wurde auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf bei Berlin beigesetzt.

Die Erinnerung an Person und Werk wird von der Mackay-Gesellschaft gepflegt. Sie wurde von Kurt Zube, der Mackay noch persönlich kannte, 1974 in Freiburg/Br. neu gegründet. Die erste Biographie über Mackay, von dem amerikanischen Germanisten Thomas A. Riley, erschien 1972. Zube wollte eine deutsche Übersetzung im Verlag der Mackay-Gesellschaft herausbringen. Da aber mit dem US-Verlag keine Einigung zustande kam, schrieb er selbst eine und veröffentlichte sie 1979 unter dem Verfasser-Pseudonym „K.H.Z. Solneman“ (Initialen seines Namens und Palindrom von „namenlos“).

Quellen

  1. Bernd A. Laska hat 1989 den Mackay-Nachlass in Moskau durchgesehen und konnte keine nennenswerten Ungereimtheiten zwischen Materialien und Buchtext feststellen. Vgl. Bernd A. Laska: John Henry Mackays Stirner-Archiv in Moskau. In: Der Einzige. Zeitschrift des Max-Stirner-Archivs, Nr. 7, August 1999, S. 3-9 (online)
  2. Art. Anarchismus, individualistischer. In: Lexikon der Anarchie, hg. v. Hans Jürgen Degen. Bösdorf: Verlag Schwarzer Nachtschatten, 1993ff (Loseblattsammlung), 2. Lieferung Nov. 1994 (online)
  3. Brief Steiner an Mackay vom 5. Dezember 1893
  4. http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001333.HTM Mackay/Zack (Hrsg.), „Propaganda des individualistischen Anarchismus“
  5. s. Steiners Autobiographie Mein Lebensgang (1925), zit. n. Gesamtausgabe, Band 28, S. 372
  6. http://anarchism.net/DearTucker.pdf Briefwechsel zwischen Mackay und Tucker. PDF 1489 kb (englisch)

Werke (Auswahl)

  • Kinder des Hochlands (1885)
  • Anna Hermsdorf (1885)
  • Sturm, Gedichtsammlung (1888)
  • Die Anarchisten (1891, div. Nachauflagen. Letzte 2006 bei lulu.com, auch als pdf)
  • Albert Schnells Untergang. Schluß der Geschichte ohne Handlung: Die letzte Pflicht (1895)
  • Max Stirner. Sein Leben und sein Werk (1898)
  • Der Schwimmer (1900)
  • Der Sybarit (1903)
  • Hans, mein Freund und Die Wasserratte (1910)
  • Der Freiheitssucher. Psychologie einer Entwicklung (ca. 1920)
  • Der Puppenjunge (1926)
  • Die Namenlose Liebe – sieben Bände (1906–1926)
  • John Henry Mackay's Werke in einem Band. - Hrsg.: Leo Kasarnowski im Verein mit John Henry Mackay. STIRNER Verlag Berlin, 1928. - 1198 Seiten.

Inhalt: Ausgewählte Gedichte 1884 - 1926 / Der Schwimmer - Die Geschichte einer Leidenschaft / Zwischen den Zielen - Kleine Geschichten / Die Bücher der Freiheit: Erstes Buch: Die Anarchisten - Kulturgemälde des XIX. Jahrhundert / Zweites Buch: Der Freiheitssucher - Psychologie einer Entwicklung / Anhang. // „Im Verein mit Mackay, John Henry herausgegeben von Leo Kasarnowski“. Im Anhang drei Seiten Daten zu „Mackay, John Henry's Leben und Schriften“; von Leo Kasarnowski.

  • Der Unschuldige (1936, 2. Aufl. Amsterdam 1978, 3. Aufl. mit einem Nachw. von Hubert Kennedy 2006 auch als pdf bei lulu.com)
  • John Henry Mackay: Der Sybarit, HörBuch. Gelesen von Wolfram Haack. AgenturQuerulant 2004 in Zusammenarbeit mit Espero. 50 Min. Spieldauer / Black-colored-CD. ISBN [k. A.]CD

Vertonte Werke (Auswahl)

Richard Strauss

  • 1894 Vier Lieder für hohe Singstimme und Klavier op. 27, 3,4
III. Heimliche Aufforderung / Auf, hebe die funkelnde Schale
IV. Morgen / Und morgen wird die Sonne wieder scheinen
  • 1899 Fünf Lieder für hohe Singstimme und Klavier op.41, 2
II. In der Campagna / Ich grüße die Sonne
  • 1896 Vier Gesänge für eine Singstimme mit Begleitung des Orchesters op. 33 Nr. 1

Max Reger

  • Zwölf Lieder für mittlere Singstimme und Klavier op. 66, 10
no. 10. Morgen

Literatur

  • Hermann Bahr: Der Antisemitismus. Ein internationales Interview. 14. John Henry Mackay. Deutsche Zeitung, Wien, 23 (1893) #7678, Sonntags-Ausgabe, 1-2. (14. Mai 1893) Buchausgabe: H. B.: Der Antisemitismus. Ein internationales Interview. Berlin: S. Fischer 1894, 92-99.
  • Hermann Bahr: Der Edelanarchist. Neue Freie Presse, (1929) #23405, Morgenblatt, 34. (10. November 1929)
  • J. Edgar Bauer: John Henry Mackay. Der Liebesdichter als anarchistischer Empörer. In: Capri, No. 31, Dezember 2001, S. 34-47
  • Friedrich Dobe: John Henry Mackay als Mensch. Koblenz: Ed. Plato 1987. ISBN 3-922405-06-1
  • Walter Fähnders: Anarchismus und Literatur. Ein vergessenes Kapitel deutscher Literaturgeschichte zwischen 1890 und 1910. Stuttgart 1987
  • Walter Fähnders: Anarchism and Homosexuality in Wilhelmine Germany: Senna Hoy, Erich Mühsam, John Henry Mackay. In: Journal of Homosexuality 29, 1995, Nr 2/3, S. 117-153.
  • Hubert Kennedy: John Henry Mackay (Sagitta). Anarchist der Liebe. Männerschwarm, Hamburg 2007. ISBN 978-3-939542-45-2 (Online-Teilversion, 56 S.)
  • Edward Mornin: Kunst und Anarchismus. "Innere Zusammenhänge" in den Schriften John Henry Mackays. Freiburg im Breisgau: Mackay-Gesellschaft 1983. ISBN 3-921388-61-9
  • Thomas A. Riley: Germany's poet-anarchist John Henry Mackay. A contribution to the history of German literature at the turn of the century, 1880-1920. New York: Revisionist Pr. 1972.
  • Hanns Schaub: John Henry Mackay. Der Dichter des Namenlosen. Basel: Selbstverl. 1970.
  • Karl Schwedhelm: John Henry Mackay. Wiesbaden 1980.
  • K.H.Z. Solneman (= Kurt Zube): Der Bahnbrecher John Henry Mackay. Sein Leben und sein Werk. Freiburg im Breisgau: Mackay-Ges. 1979. ISBN 3-921388-32-5
  • Uwe Timm: John Henry Mackay in: Lexikon der Anarchie. Bösdorf 1993 ff: Verlag Schwarzer Nachtschatten (online)
  • Uwe Timm, Essays über John H. Mackay und Benjamin R. Tucker; in: Hubert Kennedy (Hrsg.), Lieber Tucker. Briefe von J.H. Mackay an B.R. Tucker. Karin Kramer Verlag, Berlin 2001

Weblinks


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