Josef Angenfort

Josef Angenfort

Josef „Jupp“ Angenfort (* 9. Januar 1924 in Düsseldorf; † 13. März 2010 ebenda[1]) war ein deutscher Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Angenfort wurde in einer katholischen Eisenbahnerfamilie in Düsseldorf geboren. Nach seiner Schulzeit wurde er in die Wehrmacht eingezogen und geriet als 19-jähriger im Oktober 1943 in der Sowjetunion in Kriegsgefangenschaft. Er schloss sich als deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion dem Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) an. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er Politiker der KPD und später der DKP.

In Gesprächen mit sowjetischen Soldaten und deutschen Antifaschisten „begann ein Prozess der Erkenntnis“, wie er selber sagte. Er wurde Mitglied des NKFD und leistete unter deutschen kriegsgefangenen Soldaten Überzeugungsarbeit gegen Krieg und Nationalsozialismus.

1949 kehrte er in seine Heimatstadt Düsseldorf zurück, wurde Mitglied und bald darauf Vorsitzender der kommunistischen Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend in Westdeutschland. Deren Funktionäre setzten sich aus KPD-Kadern zusammen, die Mitglieder gehörten jedoch nur etwa zur Hälfte der KPD an. Die FDJ beanspruchte die Funktion einer Sammlungsbewegung, war aber zugleich auch eine Kaderreserve für die Partei.

Angenfort wurde 1951 für die KPD der jüngste Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen.[2]

Die Freie Deutsche Jugend in Westdeutschland beteiligte sich 1951 an der Vorbereitung einer Volksbefragung zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Am 24. April 1951 erging ein Verbotsbeschluss der Bundesregierung[3], der die Volksbefragung gegen Remilitarisierung, deren Ausschüsse sowie vier namentlich genannte Organisationen (die VVN, die FDJ, den Gesamtdeutschen Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft und das Deutsche Arbeiterkomitee) beschuldigte, „einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes“ zu unternehmen bzw. sich gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ zu richten; sie seien „daher durch Artikel 9 Absatz 2 GG kraft Gesetzes verboten“.

Am 26. Juni 1951 entschloss sich die Bundesregierung zu einem weiteren Verbotsbeschluss gegen die FDJ in Westdeutschland[4], der das Verbot vom 24. April noch einmal wiederholte und die Landesregierungen ersuchte, „jede Betätigung im Sinne der FDJ zu unterbinden“. Die FDJ habe gegen die im gesamten Bundesgebiet erlassenen Demonstrationsverbote verstoßen, „zum Ungehorsam gegen geltende Anordnungen aufgerufen“ und damit „den Bundeskanzler und den Bundespräsidenten bei der Ausübung staatlicher und politischer Befugnisse“ behindert.

Seine Immunität als Landtagsabgeordneter der KPD in NRW konnte Jupp Angenfort als Vorsitzenden der FDJ in Westdeutschland im März 1953 nicht vor der Festnahme durch die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamts bewahren. Die Bundesanwaltschaft, die den Haftbefehl gegen Angenfort ausgestellt hatte, berief sich darauf, dass Organe des Bundes auf Gesetze der einzelnen Bundesländer keine Rücksicht zu nehmen brauchen.[5] Er wurde wegen Hochverrats angeklagt und vom Bundesgerichtshof wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, wegen Geheimbündelei und Zugehörigkeit als Rädelsführer zu einer verfassungsfeindlichen Vereinigung zu einer fünfjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Gegen ihn wurde wohl das erste Zuchthausurteil eines bundesdeutschen Gerichts wegen einer politisch motivierten Straftat nach 1945 gefällt, das höchste Strafmaß, das überhaupt in dieser Zeit gegen Kommunisten verhängt wurde. Walter Menzel, damals Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion sagte dazu:[6]

„Vergleicht man dieses Urteil mit den milden Urteilen gegen Kopfjäger aus den hitlerschen KZs, gegen viehische Mörder, die nachträglich noch begnadigt werden, dann ist man empört darüber, dass Menschen vor dem Richterstuhl so behandelt werden. Wir sind in Westdeutschland wieder soweit, dass alle Gegner des Bundeskanzlers als Bolschewisten oder des Hochverrats angeklagt werden.“

Im April 1957 wurde Angenfort von Bundespräsident Theodor Heuss unter Auflagen begnadigt.[7] Als dessen Nachfolger Lübke diesen Beschluss aufgrund Verstoßes gegen die Auflagen widerrief, wurde Angenfort im Februar 1962 erneut festgenommen. Er floh daraufhin von einem Gefangenentransport, ging in die Illegalität und setzte sich später in die DDR ab.[8]

Nach der Konstituierung der DKP im Jahre 1968 reiste Angenfort mehrfach zu Auftritten auf Parteiveranstaltungen in die Bundesrepublik ein, dabei wurde er Mitte März 1969 festgenommen. Am 25. April wurde er jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt, nachdem das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden auch in der BRD kritisiert worden war.[9]

Lange Jahre war Jupp Angenfort Mitglied der illegalen Leitung der KPD und dann Präsidiumsmitglied der DKP. Von 1988 bis 2002 war er Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Nordrhein-Westfalen.[1] Später war er einer ihrer Landessprecher in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Bundesausschusses der VVN-BdA. An der Schaffung einer einheitlichen gesamtdeutschen VVN-BdA (die VVN war 1953 in der DDR aufgelöst worden) wirkte Jupp Angenfort mit.

In Lauscha war zu DDR-Zeiten eine Jugendherberge und in Bernburg/Saale das „Klubhaus der Jugend“ nach Jupp Angenfort benannt.

Literatur

  • Josef Angenfort: Sprung in die Freiheit: Die Geschichten des Josef A. Von ihm selbst erzählt., hrsg. v. Hannes Stütz, Papyrossa, Köln 2010, ISBN 978-3-894384-51-7.
  • Manfred Gebhardt: Jupp Angenfort. Ein Porträt. Kongress-Verlag, Berlin 1962.
  • Michael Herms: Hinter den Linien Westarbeit der FDJ 1945–1956. Metropol, Berlin 2001, ISBN 3-932482-64-6.
  • Wolfgang Bittner: Vier Jahre und vier Monate Haft. Josef Angenfort. In: Ich mische mich ein. Markante deutsche Lebensläufe. Horlemann Verlag, Bad Honnef 2006, ISBN 3-89502-222-5.

Filme

  • Als der Staat rot sah – Justizopfer im Kalten Krieg. Regie: Hermann G. Abmayr. Dokumentation, D 2006

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b vgl. Wir trauern um Jupp Angenfort bei kommunisten.de, 14. März 2010
  2. Landtag NRW, Detailansicht des Abgeordneten Josef Angenfort
  3. GMBI. 1951, S.85
  4. GMBI. 1951, S.149 ff.
  5. Der Spiegel: Jupp und die Ultras, 2. Mai 1962
  6. Hans Canje: Jupp Angenfort – ein Fall von Unrechtsjustiz in der frühen Bundesrepublik Deutschland in Neues Deutschland vom 27. März 2010
  7. Dünnes Gelenk, Der Spiegel vom 3. März 1969
  8. René Heilig: »Hochverräter« Jupp Neues Deutschland vom 16. März 2010, abgerufen am 2. August 2011
  9. vgl. Josef Angenfort. In: Internationales Biographisches Archiv 34/2010 vom 24. August 2010 (aufgerufen am 2. August 2011 via Munzinger Online)

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