- Justiziar
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Justiziar (nach alter Rechtschreibung Justitiar) ist ein beamteter oder angestellter Rechtsberater.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Sizilien
Im mittelalterlichen Königreich Sizilien war der iustitiarius der höchste Provinzialbeamte. Er war insbesondere für die Strafgerichtsbarkeit zuständig. Das Amt wurde von den normannischen Königen um 1140 eingerichtet und bestand bis zur Angliederung an die spanische Krone im 15. Jahrhundert.
Im 12. Jahrhundert trat ein magister justitiarius im normannischen Königreich Sizilien auf, der dem königlichen Gerichtshofs (Magna Curia) vorsaß, und der – mit Unterstützung von Assistenten – unter anderem alle Fälle entschied, die der Krone vorbehalten waren. Es ist denkbar, dass Titel und Amt aus England übernommen worden waren.
England
Auch in England richteten die normannischen Könige nach der Eroberung das Amt eines Justiziars ein, der als Vizeregent fungierte. Die Schwäche des englischen Königtums am Anfang des 13. Jahrhunderts schwächte auch die Befugnisse des Justiziars. Das Amt wurde 1234 aufgehoben, 1258 bis 1265 aber noch einmal wiederbelebt. Später übernahm der Chancellor die Aufgaben des Justiziars.
Im mittelalterlichen England und Schottland war der Chief Justiciar (später nur noch Justiciar) in etwa ein Äquivalent zum heutigen Premierminister des Vereinigten Königreichs: des Königs oberster Minister. Der Begriff stammt aus dem mittelalterlichen Latein, wo Justiciarius oder Justitiarius Mann des Rechts oder Richter bedeutet.
Im Königreich England bezog sich der Begriff Justiciar ursprünglich auf jeden Beamten am königlichen Hof (Curia Regis) sowie jeden, der einen Gerichtshof besaß bzw. qualifiziert war, als Richter an den Gerichtshöfen der Shires zu handeln.
In jedem Shire war der Sheriff der Vertreter des Königs, der König war der einzige, an den man sich wenden konnte, um Entscheidungen des Sheriffs anzufechten. Der König war jedoch häufig außer Landes (und verstand in den ersten Jahren nach der normannischen Eroberung Englands auch die Sprache seiner Untertanen, so dass ein Justiciar, Regent oder Leutnant (von französisch Lieu tenant, Stellvertreter) ernannt wurde, um den König im Königreich zu vertreten, so wie es der Sheriff im Shire tat.
Der Justiciar war immer eine hoher Adliger oder Kirchenmann, er wurde in seinem Amt schnell einflussreich und wichtig, manchmal so einflussreich, dass er sogar zur Gefahr für den König wurde. Der letzte große Justiciar, Hubert de Burgh, 1. Earl of Kent, wurde 1231 entlassen, seine Position übernahm bald der Chancellor (Kanzler) als zweiter in der staatlichen Hierarchie nach dem König.
Das Amt des Chief Justiciar scheint ab der Zeit des Königs Wilhelm II. bestanden zu haben, als Ranulf Flambard Justiciar war, bis unter Eduard I., das Amt des Justiciars auf die drei Zweige verteilt wurde, in die der königliche Hof nun aufgeteilt war: Richter am Cort of Common Pleas, Richter am Court of King's Bench und Barone des Court of Exchequer.
Die bekanntesten Justiciars waren:
- Richard de Bienfaite († 1090) und William de Warenne, 1. Earl of Surrey († 1088) 1075 Regenten Englands als Joint Chief Justiciar
- Ranulf Flambard († 1128)
- Roger von Salisbury († 1139)
- Robert de Beaumont, 2. Earl of Leicester († 1168)
- Richard de Luci († 1179)
- William de Mandeville, 3. Earl of Essex († 1189)
- Wilhelm von Longchamp (1189−1191)
- Peter des Roches (1213−1215)
- Hubert de Burgh, 1. Earl of Kent († 1243)
- Hugh Bigod (1258−1260)
- Hugh le Despenser (1260−1261)
- Philip Basset (1261−?)
Der Titel Justiciar wurde von Heinrich II. an den Seneschall der Normandie verliehen.
Schottland
In Schottland waren unter den frühen Königen zwei hohe Beamte – einer für das Gebiet nördlich, der andere für das Gebiet südlich des Forth – die Stellvertreter des Königs in der Rechtsprechung und der Verwaltung. Das Amt wurde im 12. Jahrhundert unter König Alexander I. oder König David I. eingerichtet.
Der Titel eines 'Justiciar' war dann für zwei oder drei hohe Beamte reserviert, der oberste – der Justiciar of Scotia – hatte die Rechtsprechung nördlich des Forth unter sich. Der Justiciar of Lothian und der Justiciar of Galloway (ein Amt, das nicht ständig besetzt war) kümmerten sich um den Süden des Königreichs.
Die Rolle des Justiciar mündete in die des heutige Lord Justice-General, dem Oberhaupt des High Court of Justiciary und der schottischen Rechtsprechung und Mitglied des königlichen Haushalts.
Der Herzog von Argyll führt den erblichen Titel eines High Justiciar of Argyll, mit dem jedoch keinerlei Aufgaben verbunden sind.
Aufgaben
Der Justiziar beschäftigt sich in Behörden, Verbänden und Unternehmen mit vielfältigen juristischen Sachverhalten. Er berät die ihn anstellende Einrichtung in allen rechtlichen Fragestellungen und erstellt für sie Rechtsgutachten. Seine Aufgabe ist es, als juristischer Berater rechtliche Probleme im Vorfeld zu erkennen und Lösungen hierfür zu entwickeln und umzusetzen. Ziel dieser vorsorgenden Rechtspflege ist es, Streitigkeiten zu vermeiden.
Eine Vertretung des Dienstherrn durch seinen Justiziar ist vor Behörden und Untergerichten, wie dem Amtsgericht, Verwaltungsgericht, Finanzgericht, Sozialgericht oder Arbeitsgericht möglich. Vor dem Landgericht und höheren Gerichten muss sich der Dienstherr eines Justiziars jedoch durch eine vor dem Gericht postulationsfähige Person (z.B. einem Rechtsanwalt), die mit dem Dienstherrn nicht in einem ständigen Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis steht, vertreten lassen. Syndikusanwälten ist es aufgrund des Vertretungsverbots aus § 46 I BRAO berufsrechtlich versagt, für ihren Dienstherrn vor Gerichten und Schiedsgerichten aufzutreten.
Verbeamtete Justiziare einer Behörde, welche Rechtsassessoren sind, sind vor allen Gerichten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit postulationsfähig, obgleich sie keine Rechtsanwälte sind.
Ausbildung
Für die Tätigkeit als Justiziar ist von Gesetzes wegen keine bestimmte Ausbildung vorgeschrieben. In der Regel wird jedoch erwartet, dass der Bewerber Rechtsassessor ist oder zumindest einen akademischen Abschluss als Diplom-Jurist, Wirtschaftsjurist oder als Master (zum Beispiel LL.M., Master of Laws) erworben hat.
Soweit der Justiziar jedoch als Syndikus tätig ist, muss er als Rechtsanwalt in einer Rechtsanwaltskammer zugelassen sein. Aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen lassen sich Justiziare häufig als Syndikusanwälte zu, sofern sie die bildungsmäßigen Voraussetzungen erfüllen.
Einzelnachweis
- ↑ Creifelds Rechtswörterbuch, München 2002.
Literatur
- W. Stubbs, Consi. History of England
- Du Cange, Glossarium (Niort, f885) s.v. Justitiarius (in Latin).
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