Karl Wilhelm Diefenbach

Karl Wilhelm Diefenbach

Karl Wilhelm Diefenbach (* 21. Februar 1851 in Hadamar; † 15. Dezember 1913 auf Capri) war ein Maler und Sozialreformer.

Diefenbach gilt als Vorkämpfer der Lebensreform, als Pionier der Freikörperkultur und der Friedensbewegung. Seine Landkommune "Himmelhof" in Ober St. Veit (1897-1899) war eines der Vorbilder für die von seinem Schüler Gusto Gräser gegründete Reformsiedlung Monte Verità bei Ascona. Als Maler ist er ein eigenständiger Vertreter von Jugendstil und Symbolismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Diefenbach war ein Sohn des Malers und Zeichenlehrers am Hadamarer Gymnasium Leonhard Diefenbach. Er besuchte die Münchner Kunstakademie, ließ sich von Arnold Böcklin und Franz von Stuck beeindrucken. Seine Gemälde fanden schon früh Beachtung und Anerkennung. Durch eine schwere Typhus-Erkrankung und Operation wurde sein rechter Arm verkrüppelt. Da er meinte, mit Naturheilmethoden sein Leben gerettet zu haben, wandelte er sich unter dem Einfluss des Naturheilpraktikers Arnold Rikli und Eduard Baltzer, dem Begründer des Vegetarischen Vereins in Deutschland, zum Apostel der naturgemäßen Lebensweise. Um 1881 trat er aus der Kirche aus und wurde Mitglied der freireligiösen Gemeinde.

In Kutte und Sandalen verkündete er in München seine Lehre. Seine Ideen (Leben im Einklang mit der Natur, Ablehnung der Monogamie, Abkehr von jedweder Religion, Bewegung an der frischen Luft und Ausübung der Freikörperkultur, sowie einer fleischlosen Ernährung als Vegetarier) wurden von seinen Zeitgenossen zum Anlass genommen, ihn als „Kohlrabi-Apostel“ zu verspotten und zu verfolgen. Nachdem die Polizei seine Versammlungen unterdrückt hatte, zog sich Diefenbach in einen verlassenen Steinbruch bei Höllriegelskreuth zurück. Dort wurde der junge Maler Hugo Höppener sein Helfer und Jünger. Diefenbach nannte ihn Fidus, was zum Künstlernamen Höppeners wurde. In gemeinsamer Arbeit entstand der große Fries Per aspera ad astra. Eine Ausstellung seiner Gemälde in Wien hatte sensationellen Erfolg und machte ihn berühmt, doch verlor er infolge von Betrügereien der Leitung des Wiener Kunstvereins alle seine Werke. Er flüchtete nach Ägypten, wo er riesige Tempelbauten entwarf. Um seine Bilder zurückzugewinnen, ging er 1897 nach Wien zurück, plante die Herausgabe einer Zeitschrift Humanitas und veranstaltete eine große Ausstellung. Ein Freundeskreis, dem die Pazifistin Bertha von Suttner und der Publizist Michael Georg Conrad angehörten, unterstützte seine Unternehmungen. In dieser Zeit sammelte sich um ihn auf dem Himmelhof bei Wien eine Lebensgemeinschaft von bis zu 20 Schülern oder Jüngern, darunter zeitweise die Maler Frantisek Kupka, Konstantinos Parthenis und Gusto Gräser sowie der spätere Tierrechtler Magnus Schwantje. Die Maßstäbe, die Diefenbach an sich selber und an seine Anhänger anlegte, waren durchaus unterschiedlich; lebte er selber zeitgleich wenigstens in zwei Beziehungen zu Frauen, so verlangte er seinen Anhängern Keuschheit und unbedingten Gehorsam ab, deren Post wurde von ihm persönlich kontrolliert. Die Künstlerkommune ging bankrott, und Diefenbach zog auf die Insel Capri, wo er Erfolg und Ansehen gewann, während er in Deutschland vergessen wurde. Er starb dort 1913 im Alter von 62 Jahren an den Folgen eines Darmverschlusses.

Ausstellungen und Ehrungen

Nach seinem frühen Tod 1913 blieb sein Nachlass ein halbes Jahrhundert lang verborgen und dem Verfall ausgesetzt. Erst seit den 1970er Jahren entstanden öffentliche Museen für seine Werke auf Capri und in seiner Heimatstadt Hadamar. Vom 29. Oktober 2009 bis 31. Januar 2010 wurde in einer Ausstellung im Museum Villa Stuck in München sein Werk dem deutschen Publikum wieder zugänglich gemacht.[1]

1927 wurde die Karl-Wilhelm-Diefenbach-Gasse in Wien-Hietzing nach ihm benannt.

Werke

Du sollst nicht töten, 1903
Der Rettung entgegen
  • Per Aspera Ad Astra, 68 m langer Fries (heute in Diefenbachs Geburtsstadt Hadamar im Stadtmuseum (im Schloss Hadamar) ausgestellt)
  • PER ASPERA AD ASTRA! Ein Lebensmärchen. Wien 1893.
  • Ein Beitrag zur Geschichte der zeitgenössischen Kunstpflege. Wien 1895.
  • Göttliche Jugend. 1914
  • N.N. (Museo Diefenbach im Refektorium der Certosa di San Giacomo auf Capri)

Literatur

  • Alisio, Giancarlo: Karl Wilhelm Diefenbach 1851-1913. Dipinti da collezioni private. Electa Napoli. Edizioni La Conchiglia,1995.
  • Allgemeines Künstlerlexikon Bd. 27, 2000, S. 221.
  • Buchholz, Kai u. a. (Hrsg.): Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. 2 Bände. Verlag Haeusser, Darmstadt 2001. ISBN 3-89552-077-2
  • Karl Wilhelm Diefenbach. Per aspera ad astra: Schattenfries und Dichtung "Seines Lebens Traum & Bild" Anmerkungen von Claudia Wagner. Recklinghausen, Umbruch-Verlag, 2. Auflage, 2007. Broschur, 75 S. mit Abb. ISBN 978-3-93772601-4
  • Eley, Geoff and Retallack, James (eds.): Wilhelminism and its Legacies. German Modernities, Imperialism, and the Meanings of Reform, 1890-1930. Berghahn, New York/Oxford, 2003.
  • Fingerle-Trischler, Brigitte (Hg.): Naturpropheten in Freimann. Gusto Gräser, Bruno Wersig und die Wirkung von Karl Wilhelm Diefenbach. Begleitheft zur Ausstellung im Kulturzentrum Mohr-Villa Freimann vom 8. Januar - 12. März 2010. München-Freimann 2010.
  • Frecot, Janos ; Geist, Johann Friedrich ; Kerbs, Diethart: Fidus, 1868-1948. Zur ästhetischen Praxis bürgerlicher Fluchtbewegungen. München: Rogner und Bernhard bei Zweitausendeins; Affoltern: Buch 2000. ISBN 3-8077-0359-4
  • Grisko, Michael (Hrsg.): Freikörperkultur und Lebenswelt. Studien zur Vor- und Frühgeschichte der Freikörperkultur. kassel university press, Kassel 1999. ISBN 3-933146-06-2
  • Hammer, Claudia: Karl Wilhelm Diefenbach, 1851-1913. Ausstellungskatalog der Galerie Konrad Bayer, München 2003.
  • Kobel, Stefan: Karl Wilhelm Diefenbach. Der Maler als Gesamtkunstwerk. Magisterarbeit, Düsseldorf 1997.
  • Müller, Hermann (Hrsg.): Meister Diefenbachs Alpenwanderung. Ein Künstler und Kulturrebell im Karwendel 1895/1896. Umbruch-Verlag, Recklinghausen 2004. ISBN 3-937726-00-4
  • Richter, Peter: Der Jesus von München, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 29. November 2009, S. 23
  • Schiano, Manuela: Alla ricerca della Sonnenland: la missione di Karl Wilhelm Diefenbach, «Heliopolis»,1, settembre- dicembre 2002, pp. 89-103.
  • Schiano, Manuela: Conoscere K.W.Diefenbach, «Conoscere Capri», 7, 2008.
  • Schiano, Manuela: K.W.Diefenbach. Un artista senza patria, Tesi di laurea in storia moderna, Università degli studi di Napoli "Federico II", Napoli 2001.
  • Schiano, Manuela: Una stanza chiamata museo, «Nuova Museologia», 7, dicembre 2002, pp.23-26.
  • Spaun, Paul von (Hrsg.): Zum Fall Diefenbach. Triest 1899.
  • Todisco, Silvana: K. W. Diefenbach. Omnia vincit ars. Electa Napoli, Neapel 1988.
  • Wagner, Claudia: Der Künstler Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913) - Meister und Mission. Mit einem Werkkatalog aller bekannten Ölgemälde. Dissertation am Fachbereich Kunstgeschichte der Freien Universität Berlin, 2005. http://www.diss.fu-berlin.de/2007/652

Weblinks

 Commons: Karl Wilhelm Diefenbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweis

  1. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 29. November 2009, Seite 23: Der Jesus von München

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