Kasimir Edschmid

Kasimir Edschmid

Kasimir Edschmid (* 5. Oktober 1890 in Darmstadt; † 31. August 1966 in Vulpera, Engadin; eigentlich Eduard Schmid) war ein deutscher Schriftsteller, der zu den Vorkämpfern des Expressionismus zählte. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekleidete er hohe literarische Ämter. Um 2000 stieß Edschmids Werdegang erneut auf Interesse, weil seine Schwiegertochter den Briefwechsel Edschmids mit seiner Vorkriegsgefährtin Erna Pinner veröffentlichte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Nach dem Besuch des Ludwig-Georgs-Gymnasiums in Darmstadt studierte Edschmid in München, Paris, Gießen und Straßburg Romanistik, was ihm vor allem wertvolle Kontakte zur Bohème und den Auftakt einer Serie von Gedichten, Erzählungen und Abhandlungen oder Manifesten der neuen expressionistischen Machart einbrachte. Tatsachen, Moralpredigten, Charakterzeichnungen galten nun als Plunder, der blumigen Phantasiegebilden zu weichen hatte. Als 1919 die Darmstädter Sezession aus der Taufe gehoben wird, ist Edschmid noch federführend dabei. Die Goldenen Zwanziger Jahre sehen ihn jedoch als Überfläufer zum vorher geschmähten Realismus. Folgt man einer Weltbühne-Glosse Kurt Tucholskys, hat der Realismus nicht unbedingt auf Edschmid gewartet.[1] Einen beachtlichen Treffer erzielt Edschmid 1928 mit Sport um Gagaly – einem Prototyp des sogenannten Sportromans. Ausgedehnte Reisen in den Mittelmeerraum, nach Afrika und Südamerika verhelfen ihm zu umfangreichen Publikationen, die zwar Interesse für andere Länder und Sitten wecken, aber zumindest stellenweise von nationalistischen und rassistischen Vorurteilen ihres Autors zeugen.[2] Gleichwohl landen 1933 auch Werke von Edschmid auf den Scheiterhaufen der Bücherverbrennung; es folgen Rede- und Rundfunkverbot, zum Teil auch Schreibverbot, was ihn veranlasst, sich mit „leidlich unverdächtigen Veröffentlichungen im Dritten Reich über Wasser zu halten“ [3]. Somit wählt er die berüchtigte Innere Emigration, zu der in Darmstadt auch Ernst Kreuder zählt, dem Edschmid später die Büchnerpreisrede halten wird. 1945 kehrt Edschmid aus Oberbayern nach Darmstadt zurück. 1949 wird er Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums der BRD, 1960 Ehrenpräsident. Daneben hat der „Schriftstellerfunktionär“ zahlreiche andere Ämter inne, so dass er sich ein Auto und, auf der berühmten Darmstädter Mathildenhöhe, eine Hausangestellte leisten kann.[4] Vermutlich 1966 unterzeichnet er mit 1.200 weiteren „Geistesschaffenden“ eine Petition gegen die drohende Verabschiedung der Notstandsgesetze.[5]

„Wir wollen nicht mehr darüber reden“

1916 ergriff der selbstbewußte und gutaussehende junge Edschmid die Chance, mit der Jüdin Erna Pinner ein schillerndes und produktives Liebespaar zu bilden. „Sie sind eine Art Romeo und Julia der Weimarer Zeit.“[3] Pinner begleitet ihn auf seinen zahlreichen Reisen, illustriert seine Bücher und entwirft Bühnenkostüme für seine Theaterstücke. 1935 flüchtet sie sich vor dem Nazi-Regime nach England. Edschmid selbst hält sich ab 1933 längere Zeit in Italien auf. 1941 heiratet er die 20 Jahre jüngere Elisabeth von Harnier. Gemeinsam mit seinen beiden kleinen Kindern zieht sich das Ehepaar auf einen Berghof in Ruhpolding zurück. Erna Pinner dagegen engagiert sich mit Freunden wie Anna Mahler in der Flüchtlingshilfe und baut sich mühsam, aber schließlich überaus erfolgreich eine Karriere als naturwissenschaftliche Zeichnerin und Autorin auf. Nach dem Krieg nimmt Edschmid den Kontakt mit Pinner brieflich wieder auf. Die alte Herzlichkeit stellt sich allerdings nicht mehr ein. Edschmid ist zudem darauf bedacht, heikle politische Fragen lieber auszuklammern. Aus diesem Briefwechsel entstand das Buch Wir wollen nicht mehr darüber reden ... Erna Pinner und Kasimir Edschmid: Eine Geschichte in Briefen (München 1999). Der Haupttitel gibt eine Bemerkung von Edschmid wieder – die sich auf die Zeit des Faschismus bezog. Die Rolle von Kasimir Edschmids Schwiegertochter Ulrike Edschmid als Autorin oder Herausgeberin dieses Briefbandes ist übrigens umstritten.[3] Dagegen scheint Edschmid mit seinem autobiographisch geprägten Roman Das gute Recht von 1946 in die Offensive zu gehen. Er schildert hier die Kriegsjahre einer Künstlerfamilie in einem abgelegenen Bergdorf. Karen Fuchs erwähnt jedoch, Pinner habe sich über diese Darstellung befremdet gezeigt. „Im Kleinkrieg mit einigen überzeugten Nationalsozialisten, die im Haus zwangseinquartiert sind, beweisen die Eheleute aufrechte moralische Gesinnung. Nicht nur aus heutiger Sicht liest sich der Roman wie eine ungeschickte Rechtfertigung.“[4]

Werke

  • Verse, Hymnen, Gesänge, 1911
  • Bilder, Lyrische Projektionen, 1913
  • Die sechs Mündungen, Novellen, 1915
  • Das rasende Leben, Novellen, 1915
  • Timur, Novellen, 1916
  • Die Karlsreis, Erzählung, 1918
  • Die Fürstin, Erzählung, 1918
  • Stehe von Lichtern gestreichelt, Gedichte, 1919
  • Über den Expressionismus in der Literatur und die neue Dichtung, 1919
  • Die achatnen Kugeln, Roman, 1920
  • Die doppelköpfige Nymphe. Aufsätze über die Literatur und die Gegenwart, 1920
  • In memoriam Lisl Steinrück, 1920
  • Kean, Schauspiel, 1921
  • Das Puppenbuch, 1921
  • Frauen, Novellen, 1922
  • Hamsun, Flaubert, Reden, 1922
  • Die Amazone, Erzählung, 1922
  • Das Bücher-Dekameron. Eine Zehn-Nächte-Tour durch die europäische Gesellschaft und Literatur, 1923
  • Basken, Stiere, Araber, 1926, deutlich rassistisch gefärbter Reisebericht
  • Die gespenstigen Abenteuer des Hofrat Brüstlein, Roman, Wien 1927
  • Das große Reisebuch: Von Stockholm bis Korsika, von Monte Carlo bis Assisi, 1927, deutlich rassistisch gefärbter Reisebericht
  • Sport um Gagaly, Roman, Zürich 1928
  • Afrika: Nackt und angezogen, 1929, deutlich rassistisch gefärbter Reisebericht, 1951 stark bearbeitet neu aufgelegt
  • Jones und die Stiere, in: Neue deutsche Erzähler Bd. 1, Max Brod u.a. Paul Franke, Berlin o.J. 1930
  • Glanz und Elend Südamerikas, 1931, deutlich rassistisch gefärbter Reisebericht
  • Deutsches Schicksal, 1932, stark politisch gefärbter Roman über deutsche Soldaten in Bolivien
  • Das Südreich. Roman der Germanenzüge, 1933, historisierender Roman
  • Westdeutsche Fahrten, Reisebilder, Frankfurt/Main 1933
  • Lorbeer, Leid und Ruhm, 1935, erster Teil einer fünfteiligen, teils Benito Mussolini huldigenden Schrift
  • Gärten, Männer und Geschichte, 1937, Italienschrift Teil II
  • Inseln, Römer und Cäsaren, 1939, Italienschrift Teil III
  • Hirten, Helden und Jahrtausende, 1941, Italienschrift Teil IV
  • Das gute Recht, autobiographischer Roman, 1946
  • Lesseps – Das Drama von Panama, 1947[6]
  • Seefahrt, Palmen und Unsterblichkeit, 1948, Italienschrift Teil V
  • Wenn es Rosen sind, werden sie blühen, Roman über Georg Büchner, 1950, Neuflage 1966 unter dem Titel Georg Büchner, eine deutsche Revolution, Verfilmung 1981
  • Der Zauberfaden, 1951
  • Der Marschall und die Gnade, Roman über Simón Bolívar, 1954
  • Lord Byron. Roman einer Leidenschaft, Frankfurt 1955
  • Frühe Manifeste. Epochen des Expressionismus, 1957
  • Tagebuch 1958-1960, 1960
  • Lebendiger Expressionismus. Auseinandersetzungen, Gestalten, Erinnerungen, 1961
  • Portraits und Denksteine, 1962
  • Briefe der Expressionisten, 1964
  • Die frühen Erzählungen, 1965
  • Italien. Landschaft, Geschichte, Kultur, 1968

Literatur

  • Lutz Weltmann (Hrsg): Kasimir Edschmid. Der Weg, die Welt, das Werk, Stuttgart 1955
  • Ursula Guenther-Brammer: Kasismir Edschmid. Bibliographie, Darmstadt 1970
  • Kasimir Edschmid zum Gedenken, Ansprachen, Darmstadt 1971
  • Ulrike Edschmid: Wir wollen nicht mehr darüber reden, München 1999, ISBN 3630870279
  • Hermann Schlösser: Kasimir Edschmid. Expressionist, Reisender, Romancier. Eine Werkbiographie, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89528-612-4[7]

Einzelnachweise

  1. Edschmid spräche vier Sorten Französisch, davon eine beinahe richtig, nur hapere es mit seinem Deutsch, behauptet der Kollege – siehe Weltbühne 1925, abgerufen am 16. Juni 2011
  2. Carsten Tergast, abgerufen am 16. Juni 2011
  3. a b c Viola Hardam, abgerufen am 16. Juni 2011
  4. a b Die Welt, abgerufen am 16. Juni 2011
  5. Lexikon der deutschsprachigen Schriftsteller, Leipzig 1972. In Edschmids „vom Standpunkt eines Kosmopoliten geschriebenen Büchern über fremde Länder und Völker“ kann das DDR-Lexikon nichts Anstößiges entdecken
  6. Handelt vom Kanalbauer Ferdinand de Lesseps, ursprünglich bereits 1935 geschrieben und 1936 erstmal als Sonderausgabe gedruckt
  7. Vorstellung durch den Aisthesis Verlag, abgerufen am 16. Juni 2011

Weblinks


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