- Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
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Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist nach dem deutschen Strafrecht ein Vergehen, das in § 86a StGB geregelt ist. Bei diesem Staatsschutzdelikt handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das heißt, der Tatbestand des Deliktes ist schon dann erfüllt, wenn das geschützte Rechtsgut gefährdet ist; eine Verletzung des Rechtsgutes ist nicht erforderlich. Geschützte Rechtsgüter sind hier der demokratische Rechtsstaat und der politische Friede.
Inhaltsverzeichnis
Tatobjekt
Tatobjekte können Kennzeichen von solchen Parteien oder Vereinigungen sein, die in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB aufgeführt werden. Als Kennzeichen werden dabei u. a. Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen verstanden (Abs. 2 S. 1).
Kennzeichen verbotener Parteien
§ 86 Abs. 1 Nr. 1 StGB nennt durch das Bundesverfassungsgericht verbotene Parteien sowie Kennzeichen von deren Ersatzorganisationen. Dies betrifft die Symbole der SRP[1] und der KPD[2].
Kennzeichen verbotener Vereinigungen
In § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB werden Vereinigungen genannt, die unanfechtbar verboten sind, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Gleiches gilt für deren Ersatzorganisationen. Die Verbotsbehörde bestimmt sich nach § 3 Abs. 2 VereinsG.
Beispiele solcher Vereinigungen sind die Deutsche Alternative, die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei, die Nationalistische Front, die Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten, die Nationale Sammlung, die Wiking-Jugend[3] und die Blood-and-Honour-Division Deutschland.
Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen
Der § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB zielt auf die ehemaligen nationalsozialistischen Organisationen. Zu den Kennzeichen, die von der Strafvorschrift erfasst werden, können neben Symbolen wie dem Hakenkreuz auch Parolen wie „Heil Hitler“[4], „Sieg Heil“[5], „Meine Ehre heißt Treue“ oder „Mit deutschem Gruß“[6] zählen sowie Lieder wie das Horst-Wessel-Lied oder „Unsre Fahne flattert uns voran“[7].
Keine nationalsozialistischen Kennzeichen sind dagegen die Reichskriegsflagge (in einer Version vor 1935, d. h. ohne Hakenkreuz) oder das Deutschlandlied.
Zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen
Durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994 wurden den aufgeführten Kennzeichen solche gleichgestellt, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind (Abs. 2 S. 2). Neonazis waren zunehmend mit leicht abgewandelten Zeichen wie spiegelverkehrten oder invertierten Hakenkreuzen aufgefallen. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet „zum Verwechseln ähnlich“, dass ein „nicht besonders sachkundiger und nicht genau prüfender“ Betrachter die typischen Merkmale eines Originalsymbols erkennt. Dabei ist unerheblich, ob das fragliche Symbol bekannt oder unbekannt ist.
Tathandlung
Verboten ist sowohl das Verbreiten der genannten Kennzeichen als auch das öffentliche Verwenden sowie das Verwenden in einer Versammlung (Abs. 1 Nr. 1). Ebenso sind entsprechende Vorbereitungshandlungen, namentlich das Herstellen, das Vorrätighalten sowie das Ein- und Ausführen strafbar (Abs. 1 Nr. 2).
Ausgenommen hiervon sind Handlungen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlicher Zwecke (Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB).
Rechtsfolgen
Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Das Gericht kann dem Täter nach Maßgabe von § 92a StGB die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen. Bei geringer Schuld kann das Gericht gem. § 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 4 StGB von Strafe absehen. Außerdem können die Tatgegenstände gem. § 92b S. 1 Nr. 2 StGB eingezogen werden.
Durchgestrichenes Hakenkreuz
Das Landgericht Tübingen urteilte am 16. März 2006, dass beispielsweise durchgestrichene Hakenkreuze nicht strafbar sind, wenn sie für einen „objektiven Beobachter“ eindeutig die Distanzierung vom Nationalsozialismus zeigen. Damit hob es ein Urteil des Amtsgerichts Tübingen auf.[8] Nach §86, Absatz 3 Strafgesetzbuch, der die Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt, sind von diesem Verbot solche Verwendungen nicht betroffen, die der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst, der Forschung oder Lehre dienen. Der Bundesgerichtshof urteilte 1973, dass die Verwendung von Hakenkreuz-Symbolen nicht strafbar ist, wenn diese sich objektiv gegen den Nationalsozialismus wenden.[9]
Das Landgericht Stuttgart verurteilte am 29. September 2006 den Punk-Versandhandel Nix-Gut Records, der beispielsweise durchgestrichene Hakenkreuze auf Gegenständen vertrieben hatte, zu einer Geldstrafe, da das Verwenden auch eines durchgestrichenen Hakenkreuzes rechtswidrig sei.[10] Der Bundesgerichtshof hob das Urteil am 15. März 2007 auf.[11] In der Urteilsbegründung hieß es:„Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand des § 86 a StGB nicht erfasst.“[12]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1952, Aktenzeichen 1 BvB 1/51; Fundstelle: BVerfGE 2, 1
- ↑ Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. August 1956, Aktenzeichen 1 BvB 2/51; Fundstelle: BVerfGE 5, 85
- ↑ Bekanntmachung vom 10. November 1994, BAnz. S. 11393
- ↑ Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, NJW 1970, 2257
- ↑ Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. September 1990, MDR 1991, 174
- ↑ Entscheidung des Bundesgerichtshofes, Aktenzeichen 3 StR 280/76, BGHSt 27,1
- ↑ Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, NJW 1991, 1498
- ↑ AG Tübingen vom 7. November 2005 – 12 Cs 15 Js 11522/2005; dazu Molsberger/Wax, Tatbestand und Korrektur, JZ 2006, 140
- ↑ Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung (PDF), Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode.
- ↑ http://www.n-tv.de/716859.html Verfremdete Hakenkreuze In Berlin straffrei
- ↑ Fokus online, 15. März 2007: Anti-Nazi-Symbole: BGH spricht Angeklagten frei.
- ↑ Urteil des Bundesgerichtshof vom 15. März 2007.
Weblinks
- Sammlung „verbotene Kennzeichen“ der Kriminalpolizei Hessen (PDF)
- Urteil BGH vom 28. Juli 2005 AZ 3 StR 60/05
- Hakenkreuz-Fall (PDF, 133kb, 7 S.), Der Fall des Monats im Strafrecht (Dezember 2006), Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät
- Moritz und die digitale Welt: Dumpfbacken-Alarm, Video (3:01 min) der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen
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