- Kießling-Wörner-Affäre
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Die Kießling-Affäre war eine Kontroverse im Jahr 1984 um die vorzeitige Verabschiedung des bundesdeutschen Vier-Sterne-Generals und damaligen stellvertretenden NATO-Oberbefehlshaber Günter Kießling, dem Homosexualität vorgeworfen wurde. Nach Entkräftung der Vorwürfe wurde Kießling wieder in Dienst genommen und schließlich ehrenhaft entlassen.
Inhaltsverzeichnis
Verlauf
Kießlings Entlassung
Im Jahr 1983 ging der Militärische Abschirmdienst (MAD) Behauptungen nach, General Kießling sei homosexuell und verkehre in Homosexuellenlokalen. Diese Erkenntnisse beruhten unter anderem auf Ermittlungen der Kölner Kriminalpolizei. In den Kneipen „TomTom“ und „Café Wüsten“ identifizierten mehrere Personen das Foto von Kießling als „Günter oder Jürgen, auf jeden Fall etwas mit ü, von der Bundeswehr“.
Im Dezember 1983 ließ der damalige MAD-Chef Brigadegeneral Helmut Behrendt dem Verteidigungsminister ein 1½ Seiten langes Dossier zukommen, das den Verdacht der Homosexualität bestätigen sollte. Diesem Dossier beigefügt war ein Brief des Marinearztes Friedrich-Albert Richarz, in dem dieser davon berichtet, dass Kießling vor einer Behandlung bei ihm nur im Bademantel bekleidet eingetreten sei und an seinen Genitalien herumgespielt habe (der Marinearzt bestritt später allerdings, jemals einen solchen Brief verfasst zu haben).
Die vermeintlichen Beweise veranlassten Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU), den Vier-Sterne-General Kießling als Sicherheitsrisiko einzustufen und er entschied am 8. Dezember 1983, ihn zum Jahresende 1983 vorzeitig in den Ruhestand zu schicken.
Öffentliche Kontroverse
Am 5. Januar 1984 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen Bericht über die Entlassung. Journalisten recherchierten weiter über den Fall und das Verteidigungsministerium bestätigte die Pressemeldungen über die Pensionierung. Parlamentarische mündliche Anfragen der Oppositionsparteien, die der damalige parlamentarische Staatssekretär des Verteidigungsministeriums Peter Kurt Würzbach beantworten musste, sprengten den üblichen Rahmen für mündliche Anfragen.
Während dieser Affäre trat der Schauspieler Alexander Ziegler in den Blickpunkt der Öffentlichkeit: Als der Verteidigungsminister Manfred Wörner die vorzeitige Entlassung des Generals Günter Kießling wegen seiner angeblichen Homosexualität verfügte, wurden mögliche Zeugen (darunter der Gastwirt Udo J. Erlenhardt) vernommen. Ziegler ließ verlauten, dass er das Protokoll eines Telefongesprächs mit dem ehemaligen Prostituierten Achim Müller vom 12. Februar 1979 besitze, aus dem die homosexuelle Neigung General Kießlings eindeutig hervorgehe. Daraufhin wurde Ziegler am 20. Januar 1984 (in Begleitung seines Düsseldorfer Rechtsanwaltes Friedhelm Spieß) von Minister Wörner empfangen. Es gelang ihm jedoch nicht, Wörner und die Öffentlichkeit von der Richtigkeit seines Tonbandmitschnittes zu überzeugen.
Nachdem klar wurde, dass die Behauptungen gegenüber Kießling nicht beweisbar waren und sowohl im Parlament als auch in der Öffentlichkeit der Zusammenhang zwischen Homosexualität und Sicherheitsrisiko hinterfragt wurde, wurde die Affäre durch das Eingreifen von Bundeskanzler Helmut Kohl noch im Jahr 1984 beendet: Kießling wurde für kurze Zeit wieder in den aktiven Dienst und unmittelbar danach ehrenhaft mit dem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand versetzt. Zum Jubiläum der Bundeswehr 1985 war Kießling jedoch als einziger Vier-Sterne-General nicht eingeladen.
Vergleiche
Die Kießling-Affäre wurde mit den früheren Affären Harden-Eulenburg (1907/09) und Fritsch-Blomberg (1938) verglichen, in denen es ebenfalls um sexuelle Verfehlungen von Militärs ging.
Presseberichte
- Martin Zips: „Kießling-Affäre: Das zweite Leben des Geheimdienst-Informanten“, in: Süddeutsche Zeitung, 24. April 2006.
- Der Spiegel, 5/1984, S. 18-26.
- Deutschlandfunk, Rückblick auf die Kießling-Affäre nach 25 Jahren, 3. Januar 2009
Literatur
Jürgen Reichardt: Hardthöhe Bonn. Im Strudel einer Affäre. Osning Verlag, Bonn 2008, ISBN 978-3-9806268-5-9
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