Kolleg St. Ludwig

Kolleg St. Ludwig
Karte mit der Lage des Kollegs St. Ludwig
Südost-Ansicht des Kollegs um 1910
Geländeskizze des Architekten
Der teilzerstörte Südost-Flügel des Kollegs im Jahr 2009

Das Kolleg St. Ludwig ist ein ehemaliges Franziskanerkloster und Internat in der niederländischen Provinz Limburg in Vlodrop. Es liegt im Nationalpark De Meinweg direkt an der deutschen Grenze bei Dalheim-Rödgen. Der denkmalgeschützte Gebäudekomplex ist heute im Besitz der Maharishi European Research University (MERU)[1] und ist dem Verfall preisgegeben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Kollegs

In den Jahren des Bismarckschen Kulturkampfes zwischen 1872 und 1887 emigrierten deutsche Orden nach Belgien und in die Niederlande, so auch Franziskaner der Sächsischen Ordensprovinz. Verschiedene Niederlassungen bei Sittard, Geleen und Lüttich wurden nach und nach wieder aufgegeben. Auch nach dem Auslaufen der Kulturkampfgesetze 1887 wollte die deutsche Ordensprovinz der Franziskaner möglicherweise aus Vorsicht an einer Auslandsniederlassung im katholischen Limburg festhalten und erwarb am Beginn des 20. Jahrhunderts von Julius Graf von Schaesberg Thannheim das 158 Hektar große grenznahe Areal in Vlodrop. Nach nur vierjähriger Bauzeit konnte im Jahre 1909 die auf Betreiben des Franziskaner-Paters Wenceslaus Straussfeld gegründete Kollegschule ihren Betrieb aufnehmen und, abgesehen von einer kriegsbedingten Unterbrechung, bis 1979 fortführen. Das Lehrangebot richtete sich in erster Linie an männliche Schüler aus Deutschland; in den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg war das Kolleg als Deutsche Schule im Ausland von den deutschen Schulbehörden anerkannt und von durchschnittlich 200 Schülern frequentiert. Insgesamt besuchten 1909-1940 und 1951-1977 etwa 3007 Schüler die Schule.

Architektur

Der Ordensbruder Quintilian Borren entwarf als Architekt den monumentalen neugotischen Backsteinbau mit Mittelrisaliten und Ecktürmen. Der Haupteingang liegt in der Mitte der Südost-Front und wurde durch einen polygonalen Turm hervorgehoben. Er diente zugleich als Portal der auf der Mittelachse liegenden Klosterkirche. Der gesamte, streng symmetrisch aufgebaute Komplex teilt sich in einen Kloster- und Kollegsbereich sowie einen rückseitigen, flacheren Wirtschaftsteil. Die für den Franziskanerorden ungewöhnliche Größe des ursprünglichen Gebäudes lässt sich an der Tatsache ermessen, dass es zu seiner Blütezeit per Schmalspurbahn einen eigenen Eisenbahnanschluss an den Eisernen Rhein besaß. Über diesen Anschluss wurden beispielsweise jährlich bis zu 300 Tonnen Koks transportiert, die für die Beheizung des Gebäudes notwendig waren. Die Dachfläche des Kolleggebäudes betrug 17000 m². Die Anlage zählt in Limburg „zu den wenigen erhaltenen bedeutenden, denkmalwürdigen Monumenten kirchlichen Bauens aus dem 20. Jahrhundert in den Nachwirkungen des preußischen Kulturkampfes“ und markiert für diese Zeit zugleich einen „bedeutenden Wendepunkt in der deutschen Kirchengeschichte“.[2]

Veräußerung und Verfall

Südwestansicht mit Wohncontainer

Nach Beendigung des Schulbetriebes wurde das Gebäude 1979 für 19,5 Millionen Gulden an den niederländischen Staat verkauft, der zunächst die Einrichtung einer Polizeischule beabsichtigte. 1984 wurde das Gebäude unter erheblichen Verlusten für 1,9 Millionen Gulden an die Bewegung der Transzendentalen Meditation weiterveräußert.[3]

Auf dem Gelände richtete die Bewegung unter dem Namen „Stichting Maharishi European Research University, MERU“ ihre internationale Verwaltung ein, die 1998 einen Abriss der alten Gebäude beantragte. Als Begründung für die Abrisswünsche wird die fehlende Ost-Ausrichtung des Gebäudes genannt: eine der Bauregeln des altindischen Sthapathya-Veda, auf den sich die MERU bezieht. Am 22. September 1998 genehmigte der Magistrat von Roerdalen den Abriss des Klosters. Gegen diese Entscheidung legten verschiedene öffentliche und private Institutionen und Vereinigungen Einspruch ein. Der Rechtsstreit endete am 12. September 2001 mit einem Richterspruch des Staatsrats: Das Gebäude durfte nicht abgerissen werden. Der damals begonnene Abriss des äußerlich unbeschädigten und denkmalgeschützten Gebäudes wurde gestoppt.

Eingangsfront und Dach sind seither teilzerstört und mit Kunststoffplanen abgedeckt. Die Eigentümer sind gehalten, den entstandenen Schaden nicht zu vergrößern. Die Hauptfassade des Gebäudes wurde zeitweise von einer Folie, die einen geplanten Neubau zeigt, fast vollständig verdeckt. Diese musste aber 2009 wieder entfernt werden, so dass die Hauptfront des Gebäudes wieder sichtbar ist.[4]

Auf dem eingezäunten Gelände befindet sich das ehemalige Wohnhaus Maharishi Mahesh Yogis, des Begründers der Bewegung, der hier im Februar 2008 starb, sowie villenartige Gebäude und Wohncontainer, die seinen Mitarbeitern als Wohnsitz dienen.

Die Gemeinde Roerdalen will auf dem Gelände an die 50 Verstöße gegen Bauvorschriften und Bauauflagen ausfindig gemacht haben und mit Zwangsgeldern von jeweils 10.000 Euro ahnden. Ein erneuter Abrissantrag der Stiftung wurde vom niederländischen Kulturminister Ronald Plasterk am 10. Oktober 2008 abgelehnt und der Status des Bauwerks als architekturhistorisches Rijksmonument von ihm bestätigt.[5] Die MERU-Stichting kann gegen den Entscheid noch Berufung einlegen. Für den Fall des Weiteren Abrissverbots hatte sie auch einen Umzug nach Indien, Mexiko oder Österreich angedroht. Für einen Abriss sind in der Zweiten Kammer des Parlaments die christdemokratische CDA und die rechtsliberale VVD, die finanzielle Nachteile für die Provinz Limburg befürchten.[6][7] Vor Ort werden die verschiedenen deutschen und niederländischen Initiativen von Abrissgegnern von Grünen, Sozialdemokraten und Linken unterstützt. Sie demonstrieren für den Erhalt des Gebäudes mit regelmäßigen, von der Vlodroper Bahnhofgaststätte ausgehenden Protestwanderungen um das abgezäunte Gelände.

Am 16. April 2010 berichtete die Rheinische Post über die Situation.[8] Demnach soll die Gemeinde Roerdalen der Meru-Stiftung eine Strafe von drei Millionen Euro angedroht haben, wenn sie nicht bestimmte Schäden an dem Gebäudekomplex beseitige.

Sonstiges

Interessant ist auch der außerhalb des Geländes liegende Friedhof des Klosters. Auf ihm haben verstorbene Lehrer, Schüler, ein im Zweiten Weltkrieg abgeschossener norwegischer Kampfpilot und der Gründer des Klosters, Wenceslaus Straussfeld, ihre letzte Ruhe gefunden. In der Nähe des Grenzübergangs ist eine Schautafel zur Geschichte des Kollegs aufgestellt.

Literatur

  • Gisela Fleckenstein: Die Franziskaner im Rheinland 1875-1918. Werl 1992 (zur Gründung des Kollegs)
  • Rita Müllejans-Dickmann: Ein „grenzübergreifendes“ Baudenkmal. Zur Baugeschichte des ehemaligen Franziskaner-Kollegs St. Ludwig in Vlodrop (NL). In: Arbeitsgemeinschaft Grenzland Kreis Heinsberg -Limburg: Nachbarschaft im Grenzraum. Nr. 3 (1997). S. 1-5.
  • Ulrich Willmes: Die Bauten von Br. Quintilian Borren unter besonderer Berücksichtigung des Kollegs St. Ludwig in Vlodrop. In: Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und in der Neuzeit. Werl 1992. ISBN 3-87163-188-4
  • Kolleg St. Ludwig: Alte und neue Musik für Bläser und Schlagzeug, Volkslieder, Texte drum und dran. 1977 (Langspielplatte mit Textbeilage)

Einzelnachweise

  1. Meditieren aus Ruinen Zeitung für Aachen, 29. Juli 2007
  2. Rita Müllejans a.a.O. S.5
  3. Den Verfall von St. Ludwig verhindern Aachener Nachrichten online, 24. April 2008
  4. Veröffentlichung der Arnhemer Cuypersgenootschap, mit Fotos vom 26. August 2007
  5. http://provincielimburg.groenlinks.nl/node/4997
  6. Zieht die Meru-Stiftung aus? Rheinische Post online, 12. August 2008
  7. Wird St. Ludwig doch abgerissen, weil Geld fehlt? Aachener Zeitung online, 13. August 2008
  8. Rheinische Post vom 16. April 2010, Seite C8. Willi Spichartz: Klostersanierung: Stiftung unter Druck

Weblinks

 Commons: Kolleg St. Ludwig – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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