- Kreis Kolmar i. Posen
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Der Kreis Kolmar i. Posen (bis 1877 Kreis Chodziesen, ab 1939 Landkreis Kolmar (Wartheland)) am Nordwestrand der preußischen Provinz Posen bestand in der Zeit von 1815 bis 1919 und von 1939 bis 1945. Er gehörte zum Regierungsbezirk Bromberg in der Provinz Posen. Sitz der Kreisverwaltung war Chodziesen (Kolmar).
Inhaltsverzeichnis
Verwaltungsgeschichte
Vorgeschichte (1772 bis 1807)
Das Gebiet um die westpolnische Stadt Chodzież (Chodziesen) gehörte nach der Ersten Teilung Polens von 1772 bis 1807 vorübergehend zum Netzedistrikt in der preußischen Provinz Westpreußen. Nach dem Frieden von Tilsit wurde das Gebiet 1807 an das Herzogtum Warschau abgetreten. Das Gebiet um die westpolnische Stadt Chodzież (Chodziesen) fiel nach dem Wiener Kongress am 15. Mai 1815 erneut an das Königreich Preußen.
Königreich Preußen
Im Zuge der allgemeinen Neuorganisation der Kreisgliederung im preußischen Staat wurde zum 1. Januar 1818 ein Kreis Chodziesen gebildet. Sitz des Landratsamtes wurde zunächst die Stadt Schneidemühl und ab 1821 dann die Kreisstadt Chodziesen.
Als Teil der Provinz Posen wurde der Kreis Chodziesen am 18. Januar 1871 gleichzeitig Teil des neu gegründeten Deutschen Reichs, wogegen die polnischen Abgeordneten im neuen Reichstag am 1. April 1871 protestierten.
Am 6. März 1877 wurden der Kreis sowie die Kreisstadt nach dem damaligen preußischen Landrat Axel von Colmar in Kolmar i. Posen umbenannt.
Am 1. April 1914 wurde die Stadt Schneidemühl ein eigener Stadtkreis.
Abtretung an Polen
Am 27. Dezember 1918 begann in der Provinz Posen der Großpolnische Aufstand der polnischen Bevölkerungsmehrheit gegen die deutsche Herrschaft, Anfang Januar 1919 wurde die Kreisstadt Kolmar zwei Mal vorübergehend polnisch besetzt. Bis auf den Süden des Kreisgebietes um die Stadt Budzyń blieb der Kreis Kolmar aber unter deutscher Kontrolle.
Am 16. Februar 1919 beendete ein Waffenstillstand die polnisch-deutschen Kämpfe, und am 28. Juni 1919 trat die deutsche Regierung mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags drei Viertel des Kreises (898 km²) mitsamt der Kreisstadt Kolmar offiziell an das neu gegründete Polen ab. Deutschland und Polen schlossen am 25. November 1919 ein Abkommen über die Räumung und Übergabe der abzutretenden Gebiete ab, das am 10. Januar 1920 ratifiziert wurde.
Die Räumung des abzutretenden Kreisgebietes und Übergabe an Polen erfolgte zwischen dem 17. Januar und dem 4. Februar 1920. Die Kreisstadt Kolmar wurde am 19. Januar 1920 von Polen übernommen.
Aus dem Kreis Kolmar i. Posen wurde der polnische Powiat Chodzież.
Der Netzekreis im Freistaat Preußen
Der bei Deutschland verbliebene nordwestliche Restteil (295 km²) mit der Stadt Schneidemühl kam zum neugebildeten Netzekreis, der zunächst zur preußischen Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen und ab dem 1. Oktober 1938 zur preußischen Provinz Pommern gehörte.
Zweiter Weltkrieg
Im September 1939 besetzten deutsche Truppen das grenznahe ehemalige Kreisgebiet. Der polnische Landkreis („Powiat“) wurde zum 26. Oktober 1939 wieder deutsch, er gehörte zum Regierungsbezirk Posen im Reichsgau Wartheland. Das Kreisgebiet wurde im Januar 1945 von der Roten Armee besetzt und anschließend in polnische Verwaltung übergeben.
Kommunale Gliederung
Der Kreis Kolmar gliederte sich in 6 Stadtgemeinden, die restlichen Ortschaften waren in Polizeidistrikten zusammengefasst.
Der Kreis Kolmar bestand am 1. Januar 1908 aus sechs Stadtgemeinden (Kolmar, Schneidemühl, Margonin, Samotschin, Usch und Budsin), 76 Landgemeinden und 29 Gutsbezirken.
1939 wurden die 86 Ortschaften des Landkreises zunächst in 22 Amtsbezirken zusammengefasst. Am 1. April 1941 wurde der Amtsbezirk Kolmar-Stadt zur Stadt nach der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 ernannt, es folgten am 1. April 1942 der Amtsbezirk Samotschin-Stadt und Usch-Stadt, am 1. April 1943 der Amtsbezirk Margonin-Stadt und am 1. Juli 1943 der Amtsbezirk Budsin-Stadt. Gegen Ende der Besetzung bestand der Landkreis aus 5 Städten und 17 Amtsbezirken.
Landräte
- 1868 - 1882 Axel von Colmar
Ausdehnung
Der Kreis Kolmar i. Posen hatte bis 1920 eine Fläche von 1193 km², 1939-45 waren es 898 km².
Bevölkerung
Der Kreis Kolmar i. Posen hatte im Jahre 1890 60.057 Einwohner. Davon waren laut Volkszählung des Jahres 1905 79 % Deutsche, 18 % Polen und 3 % Juden.
Ein Teil der deutschen Einwohner verließ nach 1920 den polnischen Powiat Chodzież, ihr Anteil an der Kreisbevölkerung sank bis 1931 auf 28 %.
Der Landkreis Kolmar (Wartheland) hatte im Jahre 1941 43.074 meist polnische Einwohner. Die deutschen Besatzungsbehörden vertrieben zwischen dem 1. Dezember 1939 und dem 31. Dezember 1943 über 4000 Polen aus dem Gebiet.
Im Gebiet lebte eine deutsche Minderheit, während der Besetzung wurden zusätzlich Deutsche angesiedelt. Gegen Ende der Besetzung flüchtete der Großteil aus dem Gebiet oder wurde vertrieben.
Die jüdische Bevölkerung wurde ins Generalgouvernement deportiert und dort ermordet.
Gemeinden
Liste der Ortschaften im Kreis Kolmar i. Posen mit mehr als 500 Einwohnern (1910):
polnischer Name deutscher Name (1815-1920) deutscher Name (1939-45) Brodna Brodden Brodden Budzyń Budsin Budsin Chodzież Chodziesen
1877-1920 KolmarKolmar Dziembowo Dziembowo Netzhöhe Heliodorowo Heliodorowo
1906-20 HelldorfHelldorf Kaczory Erpel Erpel Lipia Góra Lindenwerder Lindenwerder Ługi Ujskie Usch Hauland Usch Hauland Margonin Margonin Margonin Milcz Milsch Milsch Morzewo Morzewo Obendorf Ostrówski Bismarcksruhm Bismarcksruhm Nowa Wieś Ujska Usch Neudorf Uschneudorf Piła Schneidemühl *** Raczyn Ratschin Ratschin Radwanki Radwonke Radwonke Skórka Schönfeld *** Śmiłowo Schmilau Schmilau Sokołowo Budzyńskie Jankendorf Jankendorf Stobno Stöwen *** Stróżewice Strosewo Hauland
1906-20 HermstalHermstal Szamocin Samotschin 1939-43 Samotschin
1943-45 FritzenstadtUjście Usch Usch Węglewo Kahlstädt Kahlstädt Wyszyny Wischin Wischin Zacharzyn Zachasberg Zachasberg Zelgniewo Selgenau Selgenau *** (1919-45 Teil des Netzekreises) (Bis auf wenige Ausnahmen galten nach 1815 die polnischen Ortsnamen weiter, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Ortsnamen eingedeutscht.)
Laut unveröffentlichtem Erlass des Innenministers vom 29. Dezember 1939 galten zunächst wieder die 1918 gültigen deutschen Bezeichnungen. Am 18. Mai 1943 wurden für alle Orte mit einer Post- oder Bahnstation im Wartheland deutsche Namen festgelegt, wobei es wiederum zu Abweichungen kam.
Persönlichkeiten
- Axel von Colmar (Landrat 1869-82)
Literatur
- Martin Sprungala: Die Geschichte der Posener Kreise und kreisfreien Städte, Bad Bevensen 2007.
- Martin Sprungala: Historisches Ortsverzeichnis der Provinz Posen und der Wojewodschaft Poznan (Posen), Bad Bevensen 2007.
siehe auch
Weblinks
Kategorie:- Ehemaliger Landkreis in der Provinz Posen
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