- Krisen-pr
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Unter Krisenkommunikation oder Krisen-PR wird jenes Teilgebiet der Öffentlichkeitsarbeit verstanden, das sich mit der Information und Kommunikation in Krisen-Situationen beschäftigt.
Inhaltsverzeichnis
Arten von Krisen und Kommunikationsanlässe
Klassische Anlässe für Krisenkommunikation in der Wirtschaft sind die Störfälle in Kraftwerken oder in der Chemischen Industrie, sowie zahlreiche Lebensmittelskandale. Die Krisen kommen aus dem Unternehmen selbst oder werden von außen an das Unternehmen herangetragen. Typische Auslöser können etwa sein:
- Unternehmensintern
- Streiks
- Insolvenzen, Kündigungen, Entlassungen, Standortschließungen
- Produktionsfehler, Produkt-/Qualitätsmängel
- Managementfehler
- Betriebsunfälle
- Extern
- Angriffe enttäuschter Ex-Mitarbeiter
- Rufmord durch Wettbewerber
- Anprangerung einer gesamten Branche durch Fehlverhalten einzelner Unternehmen oder Hysterisierung der Öffentlichkeit (BSE, Gammelfleisch, Vogelgrippe)
- Juristisch
Populäre und kritisierte Beispiele von Kommunikation in Krisensituationen sind die Diskussion um die Entsorgung der Öl-Plattform Brent Spar, der "Elchtest" von Mercedes, der Störfall bei Vattenfall[1], die Skandale bei VW und Siemens, der DFB-Wettskandal, die Mitarbeiterüberwachung bei Lidl und die Mannesmann-Affäre. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung nimmt Krisenkommunikationvor allem im Bereich der nach Gebietskörperschaften getrennten nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr gewinnt die Krisenkommunikation eine zunehmende Bedeutung. Im weiteren Sinne sind auch militärische Krisen Gegenstand der (politischen) Krisenkommunikation.
Kommunikationsdruck
Eine kritische Verbraucher-Öffentlichkeit[2], kampagnenfähigere und besser mit Journalisten vernetzte Nichtregierungsorganisationen (Verbraucher-, Tierschutz, Gewerkschaften, Produkttester), eine tendenzielle Skandalisierung der Medien-Berichterstattung und so genannter Kampagnenjournalismus (Zeitungskrise, Verkleinerung von Redaktionen, Auflagenrückgänge usw.)[3] sowie die steigende Individualisierung der öffentlichen Kommunikation durch das „Mitmach-Netz“ (Web 2.0) sind dabei die treibenden Kräfte. Dies führte zu einer Zunahme der Aktivitäten auf dem Bereich der Krisenkommunikation (Ausbau von Pressestellen um entsprechend qualifizierte Mitarbeiter, Medientraining für Manager und Sprecher und Beauftragung von spezialisierten Beratungsagenturen).
Kommunikation während der Krise und Krisenprävention
In einer Krisensituation entwickeln sich durch die zunehmende öffentliche Aufmerksamkeit und den zunächst herrschenden Mangeln an validen Informationen rasch zusätzliche Gerüchte, Spekulationen, Behauptungen und Beschuldigungen, in der entstehenden Dramaturgiespirale zählt unter Umständen die schnelle Nachricht mehr als fundierte Recherche[4]. Krisenkommunikation setzt hier an und richtet sich sowohl nach außen (Öffentlichkeit) als auch nach innen (Mitarbeiter, Belegschaft).
Die Krisenkommunikation, insbesondere im Stadium der Prävention, steht in einem engen Zusammenhang mit dem Krisenmanagement eines Unternehmens. Gemeinsame Ziele sind die Sicherheit der Verbraucher, Mitarbeiter und Bürger als auch der Schutz des Unternehmens vor Imageverlusten und wirtschaftlichem Niedergang.
Kommt es im Unternehmen zu einer Krise, stehen sich die Ansprüche an eine effektive Krisenkommunikation und der Druck von Außen mitunter diametral (also völlig entgegengesetzt) gegenüber[5]:
Unternehmen Öffentlichkeit … will die Fakten klären … erwartet rasch belastbare Informationen … sollte offen kommunizieren … sieht darin je nach Thematik und Inhalt genau das Gegenteil … will die Missstände/Probleme rasch beseitigen … fordert, dass dies noch schneller passieren könnte … muss die Kommunikations- und Deutungshoheit erlangen … verfügt über viel mehr Kanäle und Akteure als das Unternehmen, um Interpretationen über die Ereignisse zu verbreiten. … sollte alle Interessensgruppen einbeziehen … findet immer Akteure, die eine andere Auffassung/Haltung als das Unternehmen haben … muss schnell wieder Vertrauen herstellen … wertet dieses Verhalten als Schuldeingeständnis Da Krisen meist unterschiedlicher Natur sind, wird von Patentrezepten wie Krisenhandbüchern weitgehend abgeraten[6]. Ebenso soll bestimmtes Fehlverhalten vermieden werden:
- Leugnen/Umdeuten von Fakten
- Verantwortung ablehnen
- Folgen relativieren
- Kritik abwehren
- Arroganz, Ignoranz, mangelnde Betroffenheit
Zur Krisenprävention zählen im Rahmen der Kommunikation die Identifizierung möglicher Schwachstellen im Unternehmen, die Vorbereitung von Sprachregelungen und Kontaktlisten, die regelmäßige Information von brachenrelevanten Akteuren (Politikern, Verwaltung, NGOs…) die Benennung von Krisenstäben für den Ernstfall[7] sowie eine kontinuierliche und offene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in „Friedenszeiten“[8].
Literatur
- Tobias Nolting/Ansgar Thießen (Hrsg.): Krisenmanagement in der Mediengesellschaft. Potenziale und Perspektiven in der Krisenkommunikation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008, ISBN 978-3-531-15384-1
- Arnd Joachim Garth: Krisenmanagement und Kommunikation, Gabler Verlag Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8349-0948-0
- Frank Roselieb/Marion Dreher (Hrsg.): Krisenmanagement in der Praxis: Von erfahrenen Krisemanagern lernen, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-10090-3
- Hartwin Möhrle (Hrsg.): Krisen-PR – Krisen erkennen, meistern und vorbeugen, Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-89981-135-3
- Tanja Köhler: Krisen-PR im Internet. Nutzungsmöglichkeiten, Einflussfaktoren und Problemfelder. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, ISBN 3-531-14898-2
- Frank Wilmes: Krisen-PR – Alles eine Frage der Taktik., Göttingen : BusinessVillage 2006 ISBN 978-3-938358-30-6
- Peter Wolff: Internet-Monitoring – So schützen Sie Image und Marke gegen Internetattacken, Expert-Verlag 2005, ISBN 978-3-8169-2291-9
- Frank Roselieb (Hrsg.): Die Krise managen, Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-934191-71-1
- Ralf Laumer/Jürgen Pütz (Hrsg.): Krisen-PR in der Praxis. Wie Kommunikations-Profis mit Krisen umgehen. Münster: Daedalus Verlag 2006, ISBN 978-3891262405
- Florian Ditges/Peter Höbel/Thorsten Hofmann (Hrsg.): Krisenkommunikation. Konstanz: UVK 2008, ISBN 978-3896695086
Weblinks
- Informationsdienst Krisenkommunikation.de des Kieler Instituts für Krisenforschung, Spin-Off der Universität Kiel, Fachinformationsdienst mit zahlreichen Fallstudien, Fachbeiträgen, Buchtipps etc.
- Forschungsgruppe Krisenkommunikation am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau.
- Deutsche Gesellschaft für Krisenmanagement e.V., Berufsverband der Krisenforscher, Krisenmanager und Krisenberater, mit Abschlussberichten zu Arbeitskreisen und Kongressen etc.
- US-amerikanische Plattform für Krisenmanagement und Krisen-PR mit Studien, Statistiken, Schulungen
- Krisenkommunikationskongress mit Videovorträgen und Präsentationsunterlagen der Referenten
Einzelnachweise
- ↑ „Krisenkommunikation: Wie lassen sich lose-to-lose-Situationen bewältigen?“. In: Transparent 20/2007 (http://www.transparent-online.de/ausgabe%2007%202007/roselieb.pdf)
- ↑ „Kunden sanktionieren Fehlverhalten“. In: Handelsblatt vom 26.09.2007 (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/strategie/kunden-sanktionieren-fehlverhalten;1328592)
- ↑ Vgl. Steffen Burkhardt: Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse. Köln: Herbert von Halem Verlag 2006
- ↑ vgl. „Krisen-PR in der Praxis“ (bei Literaturangaben)
- ↑ vgl. "Krisenkommunikation" (bei Literaturangaben)
- ↑ „Wer erst im Handbuch nachschauen muss, hat in der Krise schon verloren“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.10.2004
- ↑ vgl. „Krisen-PR in der Praxis“ (bei Literaturangaben)
- ↑ „Die Krise als Chance“. In: Lebensmittel-Zeitung vom 22.09.2006 & „Die Geheimniskrämer“. In: Handelsblatt vom 17.09.2008 (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand_aktuell/die-geheimniskraemer;2040438)
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