Kuckuckskind

Kuckuckskind

Kuckuckskind ist eine volkstümliche Bezeichnung für ein Kind, dessen vermeintlicher Vater es großzieht, ohne zu wissen, dass er nicht der biologische Erzeuger ist. Der Ausdruck ist angelehnt an den Vogel Kuckuck, der seine Eier in fremde Nester legt.

Die Bezeichnung ist in der Regel wertfrei gemeint; sie kann aber auch Kritik an der Mutter implizieren, die ihrem Partner ein mit einem anderen Mann gezeugtes Kind 'unterschiebt'. Der Begriff kann von dem 'Kuckuckskind' als stigmatisierend [1] rezipiert werden.

Wenn die Mutter ihre Kenntnis über die biologische Abstammung dem vermeintlichen Vater – und auch oft dem Kind gegenüber – verschweigt und mit dem anderen Mann nicht verheiratet ist, kann eine Personenstandsfälschung vorliegen.

Inhaltsverzeichnis

Statistik

Gemäß einer britischen Studie über zwischen 1950 und 2004 durchgeführte Verwandtschaftsuntersuchungen beträgt die Quote der „Vaterschaftsdiskrepanzen“ im Median 3,7 %. Die Autoren der Studie halten es für wahrscheinlich, dass durch den zunehmenden Einsatz von DNA-Analysen mehr Fälle von Kuckuckskindern aufgedeckt werden und deren Zahl nach oben korrigiert wird.[2]

Nach einer Meta-Analyse über 67 Studien liegt die Rate der Männer, die ein Kuckuckskind aufziehen bei fast 2 %. In den einzelnen Studien liegen die Raten zwischen 0,4 % und fast 12 %.[3] Männer, die zweifeln, zweifeln den Studien zufolge in 15 bis 50 % der Fälle zu Recht.[4]

Deutschland

Vaterschaftsanfechtung und Vaterschaftsvermutung des Ehemannes führen immer wieder zu Schwierigkeiten.

Scheinbare Väter von Kuckuckskindern können mutmaßlich leibliche Väter zur Vaterschaftsfeststellung durch Abstammungsgutachten zwingen und den gezahlten Unterhalt von diesen einklagen.

Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 18. April 2008. Das Gericht schloss damit eine Gesetzeslücke, die bei der Reform des Beistandschaftsgesetzes von 1998 entstanden war. In dieser Zeit waren Scheinväter „faktisch der Willkür der Kindesmutter und des wahren Erzeugers“ ausgeliefert.[5]

Im aktuellen Fall hatte ein Gericht zwar rechtskräftig festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater von drei Kindern ist, die seine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau zwischen 1992 und 1995 geboren hatte. Weil der Kläger überzeugt ist, dass der neue Partner, mit dem seine Ex-Frau seit der Trennung zusammenlebt, der Erzeuger der Kinder ist, wollte er seinen jahrelang geleisteten Unterhalt von diesem Mann einklagen. Doch der verweigerte einen Vaterschaftstest ebenso wie die geschiedene Frau des Klägers.

Vor der Reform von 1998 leitete in solchen Fällen das Jugendamt die Feststellung der Vaterschaft wegen des Interesses der Kinder auch ohne Einwilligung der Mutter ein. Diese sogenannte Amtspflegschaft war dann abgeschafft worden, laut BGH, um die „Eigenverantwortung“ von Müttern zu stärken. Der BGH gestattete nun, dass Scheinväter in solchen Fällen ausnahmsweise mutmaßliche leibliche Väter zu einem Vaterschaftstest zwingen können, um an ihr Geld zu kommen.

Ein Scheinvater kann von der Mutter des Kindes Auskunft über den biologischen Vater verlangen. Das Recht der Mutter auf Schutz ihrer Intimsphäre ist nicht stärker als das Recht des Scheinvaters auf effektiven Rechtsschutz.[6] In dem vom Bundesgerichtshof im November 2011 entschiedenen Fall (Az: XII ZR 136/09) hatte sich durch einen Vaterschaftstest herausgestellt, dass ein Mann fälschlicherweise die Vaterschaft anerkannt und Unterhalt gezahlt hatte; er wollte den Namen des Vaters erfahren, um den Unterhalt von diesem zurückzufordern.

Österreich

Die Unterschiebung eines Kindes ist in Österreich eine Straftat (Offizialdelikt) die drei Jahre nach Geburt verjährt bzw. mit dem Ende der mit Strafe bedrohten Tätigkeit oder wenn das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.[7][8] Hebammen sind zur Anzeige verpflichtet, wenn sich ihnen ein begründeter Verdacht einer Kindesunterschiebung ergibt.[9]

Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Putativvater berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft bekommt, beginnt die Verjährungsfrist von 2 Jahren zu laufen, in der er Antrag auf Feststellung der Nicht-Vaterschaft begehren kann (§ 158 ABGB).[10][11][12][13]

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Sonja Orel Heimliche Vaterschaftstests: Perspektiven für eine Reform der Vaterschaftsuntersuchungsmöglichkeiten, Herbert Utz Verlag (2008), S. 11
  2. Pressemitteilung der „Liverpool John Moores University“ über die Studie von Mark Bellis: „A testing time for fathers“ 23. August 2005, engl.
  3. Von verheimlichten Kindern und zweifelnden Vätern. Ärzte Zeitung, 2. November 2004, abgerufen am 12. November 2011: „Experten schätzen, daß jedes zehnte Kind in Deutschland ein "Kuckuckskind" ist.“
  4. Anderson, Kermyt G. (2006). "How Well Does Paternity Confidence Match Actual Paternity? Evidence from Worldwide Nonpaternity Rates" . Current Anthropology 48 (3): 511–8. DOI:10.1086/504167 PDF, zitiert in Axel Meyer: Zweifelhafte Vaterschaft Kuckuckskinder häufiger als gedacht. In: handelsblatt.de. 7. Januar 2010, abgerufen am 23. Januar 2011.
  5. BGH-Urteil (Meldung Süddt. Ztg.)
  6. bundesgerichtshof.de Az: XII ZR 136/09
  7. RIS: §200 StGB, BGBl.Nr. 60/1974 (Unterschiebung eines Kindes)
  8. RIS: §57 Abs3 StGB, idF BGBl.Nr. 762/1996 (Verjährung)
  9. RIS: §6 Abs5 Hebammengesetz, BGBl. Nr. 310/1994 (Pflichtenkreis der Hebamme)
  10. Rechtssatz RS0048265. RIS, 3. Dezember 2010, abgerufen am 12. November 2011: „Die Kenntnis von Umständen, die für die Unehelichkeit eines Kindes sprechen, ist nicht schon anzunehmen, wenn dem Ehemann nur einzelne Verdachtsumstände zur Kenntnis gekommen sind; die Umstände müssen vielmehr von so großer Beweiskraft sein, dass der Ehemann die Unehelichkeit des Kindes als höchst wahrscheinlich ansehen und erwarten kann, seiner Beweispflicht im Bestreitungsprozess nachkommen zu können. Das Wissen um derartige Verdachtsgründe muss den Mann veranlassen, sich binnen Jahresfrist über die Erhebung der Anfechtungsklage schlüssig zu werden.“
  11. Rechtssatz RS0048232. RIS, 9. Jänner 2009, abgerufen am 12. November 2011: „Zweifelhafte Verdachtsgründe sind noch keine Kenntnis von Umständen, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen.“
  12. Rechtssatz RS0048226. RIS, 9. Jänner 2009, abgerufen am 12. November 2011: „Vermutungen, die auf unüberprüfbare Mitteilungen zurückgehen, oder in zweifelhaften, einer verschiedenen Deutung zugänglichen Tatumständen ihre Begründung finden, können nicht als "Kenntnis von den Umständen, die für die Unehelichkeit sprechen" gelten.“
  13. Rechtssatz RS0048225. RIS, 9. Jänner 2009, abgerufen am 12. November 2011: „Der Ehemann muss von den Umständen, die für die Unehelichkeit sprechen, zweifelsfrei Kenntnis haben. Bei zweifelhaften Verdachtsgründen liegt noch keine Kenntnis von Umständen vor, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen.“

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