Kuschana

Kuschana
Maitreya, Skulptur aus Mathura, 2. Jahrhundert n. Chr.
Münze des Kuschan-Königs Kanishka

Kuschana (gelegentlich auch Tocharistan) war ein Reich in Zentralasien und Nordindien, das bei seiner größten Ausdehnung zwischen 100 und 250 n. Chr. vom Gebiet des heutigen Staates Tadschikistan zum Kaspischen Meer und vom Gebiet des heutigen Afghanistan bis hinunter ins Industal und das Ganges-Yamuna-Zweistromland reichte. Das Reich wurde von den Indo-Skythen bzw. den Yuezhi aus dem heutigen Xinjiang gegründet. Es unterhielt diplomatische Kontakte mit dem Römischen Reich, dem sassanidischen Persien und dem Kaiserreich China. Unter Kanishka dürfte sich das Reich von Benares über Kaschmir und Baktrien bis an den Oxus und im Süden bis in den Sindh erstreckt haben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Kultur

Der Name Kuschana (bzw. Kuschan) ist abgeleitet von einem chinesischen Begriff, der üblicherweise Guishang transkribiert wird, und einen Zweig der Yuezhi (Indo-Skythen) bezeichnet. Die Indo-Skythen waren eine lose Konföderation indoeuropäischer Nomaden, die zum indo-iranischen Sprachzweig zählten. Sie waren die östlichsten Vertreter der Indoeuropäer, lebten auf dem trockenen Grasland des Tarimbeckens in Sinkiang (Kidariten), Gansu, in Südsibirien und in der Westmongolei (skythische Grabfunde am Altai beweisen und untermauern ihre Verbreitung), bis sie in den Jahren 176 v. Chr. bis 160 v. Chr. von einer anderen nomadischen Gruppe, den Xiongnu, vertrieben wurden.

Fünf Yuezhi-Stämme, darunter die Kuschan, siedelten um 140/130 v. Chr. im hellenisierten Baktrien (Usbekistan und die heute nördlich gelegenen Staaten Afghanistans). Um 120 v. Chr. unterwarfen die Kuschan ihre Nachbarstämme und gründeten damit das Reich Kuschana. Dieses expandierte nach Süden, entriss den parthischen Stämmen, dem Griechisch-Baktrischen Königreich in Ai Khanoum und den Saken sukzessive die Kontrolle über Gandhara und errichtete seine Hauptstadt in der Nähe des heutigen Kabul. Die Kuschan übernahmen das griechische Alphabet, dem sie in Baktrien begegnet waren, und nahmen die heimische Sprache der Baktrier an. Das griechische Alphabet passten sie an die baktrische Sprache an und begannen bald damit, Münzen zu prägen, die ersten in Indien. Auf den Münzen betitelten sie sich als Maharaja oder als Basileus.

Kanishka, der dritte „Kuschan-Kaiser“, herrschte im 1. oder 2. Jahrhundert von zwei Hauptstädten aus: Purushapura (heute Peschawar in Nordpakistan) und Mathura in Nordindien. Die Kuschans verbanden den Seehandel im Indischen Ozean mit dem Landhandel auf der Seidenstraße über das seit langem zivilisierte Industal. Die lockere Einheit und der vergleichsweise Frieden in diesem ausgedehnten Staat förderte den Fernhandel, brachte Seide nach Rom, schuf Ketten von blühenden Städten, und förderte vermutlich sogar die Ausdehnung einer hellenistischen Form des Buddhismus, des Graeco-Buddhismus in Zentral- und Nordasien. Kanishkas Hauptwerk ist die berühmte Stupa in der Nähe von Peschawar. In seiner Religionspolitik scheint er synkretistische Tendenzen verfolgt zu haben, um das Reich innerlich zu konsolidieren. Vasudeva war der erste Kuschanherrscher, der einen indischen Namen trug, wie überhaupt die „Indisierung“ der Kuschans ihren Lauf nahm.

Die Kunst und Kultur von Gandhara an den Zentren der Kuschanas, ist der am besten bekannte Ausdruck des Einflusses der Kuschans auf den Westen. Wie wichtig der Handel auch für die Kuschanas gewesen ist, dürfte man aus der Klage des Plinius schließen: „Es gibt kein Jahr, in dem Indien weniger als 50 Millionen Sesterzen an sich zieht.“ Es wird vermutet, dass die Kuschanas aus allen römischen Goldmünzen eigene Münzen prägten, da es kaum Funde römischer Münzen gibt. Die Münzen zeigen neben hinduistischen und buddhistischen auch griechische, persische und sogar sumerisch-elamitische Götter.

Die Datierung der Kuschana-Zeit war lange sehr umstritten. Weil die Shaka-Ära (ab 78) auch heute noch benutzt wird, wurde sie lange als die von Kanishka eingeführte Zeit erachtet. Dagegen hat vor allem der Numismatiker Joe Cribb auf der Basis aller münzkundlichen und literarischen Quellen eine Zeit zwischen 100 und 120 vertreten. Seit eine rechnerische Formel bekannt wurde, die im 3. Jahrhundert erlaubte, von der Shaka- auf die Kuschana-Zeit umzurechnen, setzt sich das Datum 127 für den Regierungsantritt Kanishkas I. allgemein durch. Die auf Kanischka I. folgenden Herrscher sind umstritten, vor allem da es hier Überschneidungen in den Datierungen gibt. Zunächst ist vermutet worden, dass am Ende der Regierungszeit von Kanischka I., Vaschischka als Mitregent in den indischen Provinzen regierte und dieses System von Mitregentschaften unter den Nachfolgern fortgesetzt wurde. Es ist aber auch möglich, dass Vasudeva I. eine neue Ära begann, die Doppeldatierungen würden sich dann auf zwei Ären aufteilen.[1]

Die Kuschana-Zeit wird in Indien oft als dunkles Zeitalter betrachtet, da Fremddynastien herrschten und der Glanz großer Reiche wie etwa der Mauryas oder Guptas fehlt. Dennoch wurden in dieser Zeit wichtige Werke wie die Dharmashastras oder die Manusmriti verfasst und mit der Indo-Kuschana-Kunst die Grundlage für die Entstehung der klassischen indischen Kunst gelegt.

In Zentralasien hat das Kuschanreich bis ins frühe 3. Jahrhundert weiterbestanden, bevor das westliche Kuschanreich von den Sassaniden erobert wurde. Im frühen 4. Jahrhundert kam es zu einer Revolte der Kuschan, die aber von Schapur II. niedergeschlagen wurde. Reste der Kuschan-Herrschaft blieben auch nach der Eroberung des westlichen Kuschanreiches weiter im Osten bestehen, etwa in Mathura in Nordindien (bis ins 4. Jahrhundert).

Verwaltung des Reiches

An der Spitze des Reiches stand der König, der verschiedene Titel tragen konnte, die meist aus anderen Kulturen entlehnt waren. Er war Sohn des Gottes (deaputra), was vielleicht vom chinesischen Kaisertitel Sohn des Himmels entlehnt ist. Der indische Titel Kömig der Könige (maharaja rajatiraja) und die iranische Entsprechung saonano sao, sowie der entsprechende griechische Titel basileus basileon sind bezeugt. In einer Inschrift wird sogar der römische Titel Kaisara (Caesar) verwendet. Sie verwendeten aber auch indigene Herrschertitel des Irans wie Padschah (Monarch) oder Schah-an-Schah (König der Könige).

Nach dem Tod sind die Herrscher vergöttlicht worden und ihre Statuen sind in Tempel aufgestellt worden. Insgesamt scheint der Herrscher allmächtig gewesen zu sein. Es gibt keine Belege für einen Rat oder Senat mit dem Beschlüsse abgesprochen werden mussten.

In der Landesverwaltung folgte man parthischen und indo-griechischen Sitten. Die Provinzen wurden von Satrapen verwaltet.[2]

Kuschana-Herrscher

Beginnend mit Kujula Kadphises nahmen die Herrscher von Kuschana einen Kaisertitel (König der Könige) an. Kanishka I., Huvishka und Vasudeva I. werden als die Großen Kuschan bezeichnet. Unter ihnen hatte das Reich die größte Ausdehnung. Die wichtigsten Kaiser (Regierungszeiten nur Annäherungswerte) waren:

König Datierung Kommentar belegte Daten Münze
Kujula Kadphises ca. 30–80 103 671040.jpg
Vima Takto alias Soter Megas ca. 80–90 122, 136 VimaTakto.jpg
Vima Kadphises ca. 90–100 184 73000542.jpg
Kanischka I. ca. 100-126 Bedeutendster Kuschana-Herrscher 1-23 KanishkaI.jpg
Huvischka ca. 140–183 28-60 Kushan king Huvishka coin.jpg
Vasudeva I. ca. 184–220 67-99 700502.jpg
Kanischka II. ca. 220–242 14 KanishkaIIWithArdoksho.JPG
Vaschischka ca. 227-250 Vater von Kanischka III. 20, 22, 24, 28
Kanischka III. 31, 41

Herrschergeschlecht der Kidariten:

  • Kidara I. (ca. 340–?)
  • Kidara II.

Einzelnachweise

  1. Puri: The Kushans, 253
  2. Puri: The Kushans, 260-63

Literatur

  • Harry Falk: The Kaniska era in Gupta records. In: Silk Road Art and Archaeology. Journal of the Institute of Silk Road Studies 10, 2004, ISSN 0917-1614, S. 167–176.
  • Harry Falk: The yuga of Spujiddhvaja and the era of the Kusanas. In: Silk Road Art and Archaeology. Journal of the Institute of Silk Road Studies 7, 2001, ISSN 0917-1614, S. 121–136.
  • János Harmatta u.a. (Hrsg.): The development of sedentary and nomadic civilizations. 700 B.C. to A.D. 250. Unesco, Paris 1994, (History of Civilizations of Central Asia 2), ISBN 92-3-102846-4, (mit mehreren Artikeln zu den Kuschana).
  • P. N. Puri: The Kushans, in: The development of sedentary and nomadic civilizations. 700 B.C. to A.D. 250. Unesco, Paris 1994, (History of Civilizations of Central Asia 2), ISBN 92-3-102846-4, 247-263
  • Ehsan Yarshater (Hrsg.): The Seleucid, Parthian and Sasanian Periods. 2 Teile. Cambridge University Press, Cambridge 1983, (The Cambridge History of Iran 3, Teil 1, ISBN 0-521-20092-X; Teil 2 ISBN 0-521-24693-8).

Weblinks

 Commons: Kushan Empire – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Siehe auch

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