- Saken
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Die Saken (in Indien Shaka) waren ein iranischsprachiges Nomadenvolk in Zentralasien. Im engeren Sinne bezeichnet die althistorische Forschung höchstwahrscheinlich iranische Stammesgruppen als "Saken", die im 6.-1. Jh. v. Chr. in den Steppen des östlichen Mittelasiens lebten. In der Altiranistik bezeichnen einige Autoren die "saka" im weiteren Sinne als alle iranischen Steppennomaden vom 6.-1. Jh. v. Chr. Die Archäologie sieht diese Saken als mittelasiatische Vertreter der Kultur der Skythen.
Inhaltsverzeichnis
Verwendung des Namens „Saken“
Nach Herodot wurden die Skythen von den Persern Saken genannt. Heute gibt es auch Turkvölker, die sich so nennen, etwa die Sacha (Sakha) in Sibirien. Wie im spätantiken und mittelalterlichen Europa war bei den Persern „Skythe“/„Sake“ oft einfach eine allgemeine Bezeichnung für jeden Steppenbewohner (dazu siehe auch Ethnogenese).
Sprache
Die meisten oder alle Saken im engeren Sinne, die bis zum 2. Jh. v. Chr. als Nomaden zwischen Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und West-China lebten, sprachen wohl die Sakische Sprache, die nur in zwei weit östlichen Dialekten im heutigen West-China durch alte buddhistische Texte gut belegt ist. Die Saken hatten sich dort im 3. Jahrhundert v. Chr. angesiedelt. Die Saken, die seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. in das Gebiet zwischen Sistan und Nordwest-Indien eingewanderten, verwendeten fremde Sprachen als Schriftsprache. Überlieferte Redewendungen, Personennamen und Fremdworte lassen aber eine dem in Westchina überlieferten Sakisch ähnliche Sprache erkennen.
Die Sakische Sprache wird heute den südostiranischen Sprachen zugeordnet. Weil iranische Sprachen in vorchristlicher Zeit noch ähnlich waren, gehen einige Forscher von einem Dialektkontinuum (d.h. regional nahestehenden Dialekten) zwischen den im heutigen Südrussland/Ukraine bis zum 2. Jh. v. Chr lebenden skythischen Nomaden und den Saken aus, vielleicht auch mit der jüngeren Stammeskonföderation der Sarmaten, die ab dem 4. Jh. v. Chr. die älteren Skythen verdrängten oder integrierten.
Siedlungsgebiet und Kultur
Die Saken nomadisierten in der heutigen Kasachensteppe zwischen Aralsee, dem Gebiet beiderseits des Tianshan-Gebirges und West-China, einschließlich Kirgisistan und Tadschikistan. Ihr legendäres Königreich jedoch lag in der Antike in West-China, genauer in Khotan (heute Kashi bzw. Kashgar), daher verwendet man auch oft den Begriff Khotan-Saken. Im Unterschied zu den meisten Skythen in Europa, die eine der Phrygermütze identische Kopfbedeckung verwendeten, trug ein Teil der Saken spitze Filzmützen, weshalb sie von vielen antiken Autoren Spitzhütige Skythen genannt wurden.
Von der Archäologie werden sie mit der Issyk-Beschsatyr-Kultur in Verbindung gebracht. Die Lebens- und Wirtschaftsweise, Totenkult und Sachkultur weisen viele Gemeinsamkeiten mit anderen Stämmen der skythischen Welt zwischen Sibirien und dem Schwarzmeerraum auf. Grabungsfunde in ihrem Zusammenhang datieren ins 7./6. Jahrhundert v. Chr., frühere Datierungen wie etwa in Sibirien sind fraglich. Die Funde gehen mit dem Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. zu Ende. Aktuelle und erstaunliche Funde aus der Ukraine, beweisen, dass zwischen dem 9. und dem 3. Jahrhundert v. Chr. in Europa die Skythen schon Kulturzentren errichtet hatten, die sie mit einem ca. 12 km lang gebauten Wall schützen. Sie galten sowohl für die Griechen als auch später für die Römer als Krieger, die nicht zu unterwerfen waren.
Entlang des Syrdarja waren Teile der Saken aufgrund ausreichenden Ackerlands auch sesshaft (Städte, Dörfer) und hinterließen besser ausgebaute Grabmäler (z. B. Kuppelgrab von Balandy). Es gab hier offenbar eine gewisse Koexistenz von Sesshaften und Nomaden (siehe unter anderem auch Pamiris).
Ihre unmittelbaren Nachbarn waren die nördlich des Jaxartes lebenden (sarmatischen) Massageten, wobei die griechischen Autoren keine wesentliche Unterscheidung beider Stämme treffen konnten. Weiterhin werden von Herodot die Issedonen genannt, ferner die Argippäer, wobei deren Lokalisierung problematisch ist. Gemäß der griechischen Überlieferung kamen auch die Skythen des Schwarzmeerraums aus dem Osten. Des Weiteren waren die Baktrier und Gandharier ihre südlichen und östlichen Nachbarn.
Der afghanische Goldschatz von Tilla Tepe wird sakischen Nomaden, höchstwahrscheinlich Saken im engeren Sinne, vielleicht auch Yuezhi zugeordnet.
Geschichte
Ein genaues Datum des ersten historisch gesicherten Auftretens von Saken im Osten ist umstritten, jedoch lässt sich aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. die Präsenz der Saken in West-China, später im legendären eigenen Königreich von Khotan (1.-11. Jahrhundert n. Chr.), nachweisen. Auch in weiterer Umgebung ist die Anwesenheit der Saken bewiesen worden (Alagou-Gräber, Arschan, Ujgarak etc.)
Die Massageten-Konföderation und die Saken im Westen führten gemeinsam Krieg gegen das expandierende Großreich der persischen Achämeniden. Nach verschiedenen Überlieferungen soll Kyros II. in einem Feldzug gegen die Massagetenkönigin Tomyris um 530 v. Chr. getötet worden sein. Allerdings werden die Saken auch als persische Hilfstruppen und zur Zeit von Dareios I. als Tributbringer dargestellt (vgl. Abbildung).
Altpersische Inschriften aus dem 6.-4. Jh. nennen drei Gruppen der Saken:
- die "Saka Paradraya" ("Saken Hinter-den-Meeren") evtl. identisch mit den südrussisch-ukrainischen Skythen und Sarmaten griechischer Autoren nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres),
- die "Saka Tigraxauda" ("Saken Spitz-Huter"- nach dem spitzen Hut), sie werden in der Forschung in die Kasachensteppe und in den fruchtbaren Gebieten Südost-Kasachstans lokalisiert,
- die "Saka Haumawarga" (benannt nach der alten religiösen Droge Hauma- zweiter Teil des Wortes ist nicht zweifelsfrei geklärt), sie werden als Nomaden und teilweise Sesshafte im Dreieck zwischen Taschkent, Duschanbe und Samarkand, vielleicht auch bis Merw lokalisiert. [1].
Alexander der Große musste schwierige Kämpfe mit den Saken und Massageten bestehen, die aus der Steppe dem Sogder Spitamenes zu Hilfe kamen (329-327 v. Chr.).
Die chinesische Überlieferung bezeichnet die Saken als Sai oder Schaka. Der Druck der von den Xiongnu vertriebenen Yuezhi teilte die Saken in zwei Gruppen und trieb die einen über den Pamir bis ins Grenzgebiet des heutigen Afghanistan und Iran (Sakastana = Sistan, um 139 v. Chr.) und die andere nach Punjab nach Nordwest-Indien.
In Sakastana/Sistan gerieten sie unter die Oberhoheit der Parther Mithridates II. (reg. 123-88 v. Chr.), mit dem sie sich verbündeten. Sie machten sich jedoch schnell den parthisch-römischen Konflikt zunutze, schnitten sich einen großen Teil des indischen Beckens und somit auch die östlichen Regionen der Indo-Parther und errichteten ein kurzlebiges Reich unter König Maues (reg. ? vor 30 v. Chr.), welches bis ca. 45 n. Chr. existierte. Wahrscheinlich blieben sie jedoch weiterhin unter parthischer Oberhoheit, da es keine schriftlichen Überlieferungen gibt, die Parther und Saken unterscheidet. Somit könnte zumindest der letzte Sakenkönig Gondophernes (reg. von ca. 19-45 n. Chr.) ein Parther gewesen sein, der mit dem Apostel Thomas nach Indien kam und selbst aktiv herrschte. In Taxila gab Maues Münzen heraus, aber möglicherweise kam er auch bis Ujjayini im heutigen Madhya Pradesh. Ihm folgten ca. 30 v. Chr. Vonones, dann der Sohn seiner Schwester, Azes I., und danach Azes II., der von Gudnaphar (Gondophernes) gefolgt wurde (siehe Hauptartikel: Indo-Skythische Dynastie).
Indische Historiker sehen den eigentlichen Beginn der Saken-Ära ab 79 n. Chr., nachdem die Kuschanen die Indo-Parther unterworfen und nach Osten übergegriffen hatten. Die Saken wurden wieder einmal verdrängt und gezwungen, weiter nach Zentralindien hinein zu wandern. In Rajasthan kamen sie in die hinduistische Kriegerkaste der Kshatriyas, wurden assimiliert und bildeten fortan gefürchtete Nomadenkrieger und Herrscher, wofür Rajasthan lange Zeit berühmt wurde. Unter diesen Kshatrya-Königen regierten die Shaka von Ujjayini aus Teile Nordwestindiens und stellten z. B. unter Rudradaman I. (reg. ca. 130-150) eine Konkurrenz der Shatavahana-Könige dar. Dabei waren sie anfangs noch von den Kuschanen abhängig. Das Kshatriya-Reich wurde nach 397 anscheinend vom Gupta-König Candragupta II. (reg. 375-413/15) übernommen, denn er ahmte Münzen Rudrasimha III. (reg. bis 397) nach.
Die skythischen und parthischen Stämme stellen in Firdausis Schāhnāme die Helden der Iranier schlechthin dar, insbesondere der Indo-Parther Rostam und Prinzessin Rudabeh aus Kabulistan werden in dem Werk gelobt.
Siehe auch
Literatur
- Gavin Hambly (Hrsg.): Zentralasien, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-596-60016-2, (Fischer Weltgeschichte 16).
- Hermann Parzinger: Die Skythen, Beck, München 2004, ISBN 3-406-50842-1, (C. H. Beck Wissen, Beck'sche Reihe 2342).
- R. C. Senior: Indo-Scythian Dynasty. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica, Stand: 20. Juli 2005, eingesehen am 5. Juni 2011 (englisch, inkl. Literaturangaben)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Rüdiger Schmitt: HAUMAVARGĀ. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica, Stand: 15. Dezember 2003, eingesehen am 5. Juni 2011 (englisch, inkl. Literaturangaben)
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