Laconia-Zwischenfall

Laconia-Zwischenfall

Der Laconia-Befehl wurde während des Zweiten Weltkriegs von Admiral Karl Dönitz erteilt. Er verbot den Besatzungen deutscher U-Boote jegliche Rettungsversuche gegenüber Besatzungen versenkter gegnerischer Schiffe. Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde Dönitz deswegen nicht für schuldig befunden:

"It is also asserted that the German U-boat arm not only did not carry out the warning and rescue provisions of the Protocol but that Doenitz deliberately ordered the killing of survivors of shipwrecked vessels, whether enemy or neutral. The prosecution has introduced much evidence surrounding two orders of Doenitz, War Order No. 154, issued in 1939, and the so-called "Laconia" Order of 1942. The defence argues that these orders and the evidence supporting them do not show such a policy and introduced much evidence to the contrary. The Tribunal is of the opinion that the evidence does not establish with the certainty required that Doenitz deliberately ordered the killing of shipwrecked survivors. The orders were undoubtedly ambiguous and deserve the strongest censure."

Am 12. September 1942 patrouillierte das deutsche U-Boot U 156 vor der westafrikanischen Küste zwischen Liberia und Ascension. Der Kommandant, Korvettenkapitän Werner Hartenstein, entdeckte das große britische Passagierschiff Laconia — nach dem den Deutschen vorliegenden Handbuch der bewaffneten englischen Schiffe mit 14 Geschützen ausgestattet — und griff an.

Das Passagierschiff übermittelte die folgende Nachricht:

SSS SSS 0434 South / 1125 West Laconia torpedoed
(Achtung von U-Boot angegriffen, geographische Lage, Laconia torpediert).

Als das Schiff zu sinken begann, ließ Hartenstein sein Boot auftauchen, da er hoffte, die leitenden Schiffsoffiziere gefangen nehmen zu können. Dabei sah er mehr als zweitausend Menschen im Wasser um ihr Leben kämpfen. Die 19.695 Tonnen große Laconia hatte nicht nur die reguläre Besatzung von 136 Mann, sondern auch 80 Zivilisten, Militärmaterial, 268 britische Soldaten, sowie etwa 1.800 italienische Kriegsgefangene und als deren Bewachung 160 polnische Soldaten an Bord gehabt.

Hartenstein begann sofort mit Rettungsmaßnahmen. Die Laconia sank um 23:23 Uhr. Um 1:25 Uhr am 13. September sendete Hartenstein einen verschlüsselten Funkspruch an den Befehlshaber der Unterseeboote, in der er über die Situation informierte. Die Nachricht lautete:

Versenkt von Hartenstein Brite "Laconia". Marinequadrat FF 7721 310 Grad. Leider mit 1500 italienischen Kriegsgefangenen. Bisher 90 gefischt. 157 cbm. 19 Aale, Passat 3, erbitte Befehle.
(cbm. stand für die Menge des restlichen Treibstoffes, Aale für die verbliebenen Torpedos.)

Admiral Dönitz beorderte umgehend zwei andere U-Boote zur Untergangsstelle. Bald waren auf und unter Deck von U 156 fast zweihundert Überlebende, einschließlich fünf Frauen, weitere zweihundert waren an Bord von vier Rettungsbooten in Schlepp. Um 6:00 Uhr sandte Hartenstein eine Nachricht auf Englisch an alle, die sich in der Gegend auf See befanden, in der er seine Position angab und Hilfe anforderte und versprach, nicht anzugreifen. Die Nachricht lautete:

If any ship will assist the ship-wrecked "Laconia" crew, I will not attack providing I am not being attacked by ship or air forces. I picked up 193 men. 4, 53 South, 11, 26 West. — German submarine.
(Wenn ein Schiff der havarierten Laconia-Besatzung helfen will, werde ich nicht angreifen, so lange ich nicht von Schiffen oder aus der Luft angegriffen werde. Ich habe 193 Menschen aufgenommen. Geographische Lage — Deutsches Unterseeboot)

U 156 blieb während der nächsten zweieinhalb Tage an derselben Stelle an der Wasseroberfläche. Um 11:30 Uhr am 15. September stießen U 506, Kapitänleutnant Erich Würdemann, und einige Stunden später U 507, Korvettenkapitän Harro Schacht, sowie das italienische U-Boot Cappellini dazu. Die vier U-Boote mit Rettungsbooten in Schlepp und hunderten Überlebenden an Deck fuhren in Richtung der afrikanischen Küste zu einem Treffen mit Kriegsschiffen der französischen Vichy-Flotte, die von Senegal und Dahomey gestartet waren.

Am Morgen des 16. September wurden die vier U-Boote mit Rot-Kreuz-Flaggen an Deck um 11:25 Uhr von einem amerikanischen Bomber vom Typ B-24 Liberator entdeckt. Hartenstein signalisierte dem Piloten, dass er Hilfe benötige. Leutnant James D. Harden, United States Army Air Forces, drehte ab und teilte seinem Luftwaffenstützpunkt auf der Insel Ascension die Situation mit. Der diensthabende Offizier, Hauptmann Robert C. Richardson III, antwortete mit der Order „Sink sub.“ (U-Boot versenken).

Harden flog zurück zur Szene der Rettungsversuche und um 12:32 Uhr griff er mit Bomben an. Eins der Rettungsboote in Schlepp hinter U 156 wurde getroffen, andere streiften das Boot selbst und explodierten unter der Zentrale. Hartenstein kappte die Leinen zu den Rettungsbooten und wies die Überlebenden an Deck an, ins Wasser zu springen. Nachdem die Wassereinbrüche gestoppt waren, lief U 156 ab, um Schäden zu reparieren. Mit FT 0019/17 vom 17. September um 01:40 Uhr entließ der BdU Hartenstein aus der Rettungsaktion. Schacht und Würdemann meldeten Lage und bekamen Befehl, ihre Boote alarmtauchklar zu halten. Während Dönitz mit seinem Stab noch über den Umfang und die Möglichkeiten notwendiger Rettungsmaßnahmen der U-Boote diskutierte, berichtete ein FT von Würdemann, dass auch er von einem Flugzeug angegriffen worden sei und nur dank guten Ausgucks mit 142 Schiffbrüchigen an Bord rechtzeitig alarmtauchen konnte und erst auf 60 m Tiefe die ersten Bomben fielen.

Um 18:00 Uhr desselben Tages bekamen Schacht und Würdemann ein FT der Führung:

Keine Rot-Kreuz-Flagge zeigen, da
1. international nicht vorgesehen,
2. auf keinen Fall und am wenigsten beim Engländer Gewähr für Schonung bietet.
3. Nach Durchführung Abgabe Brennstoff, Proviant, Torpedobestand und Einsatzbereitschaft melden

Am Abend des 17. September ging das Laconia-FT heraus an die U-Boote (siehe unten).

Die drei Boote und ihre Mannschaften überlebten den Krieg nicht. U-Schacht fiel am 13. Januar 1943 in der Karibik durch Fliegerangriff. U-Hartenstein wurde am 8. März 1943 bei Trinidad durch Fliegerangriff versenkt und U-Würdemann sank am 12. Juli 1943 westlich von Spanien durch Fliegerangriff.

Viele hundert Laconia-Überlebende ertranken, aber französische Schiffe konnten am selben Tag noch 310 Engländer, 20 Polen und 163 Italiener von U-Schacht übernehmen. Insgesamt fielen etwa 1.500 Passagiere der Torpedierung und anschließenden amerikanischen Bombardierung zum Opfer. Ein englischer Seemann, Tony Large, hielt vierzig Tage in einem offenen Rettungsboot aus, bevor er aufgenommen wurde. Insgesamt wurden in der auch nach dem Angriff des amerikanischen Bombers auf Befehl Dönitz fortgesetzten Rettungsaktion von 811 Engländern etwa 800 und von 1.800 Italienern 450 gerettet. (Quelle: Nürnberger Prozesse; Aussage Dönitz)

Mit dem Laconia-Befehl wurde das völkerrechtliche Problem des U-Boot-Krieges deutlich: Die Völkerrechtskonventionen sahen damals eine Kriegsführung nur nach den Konventionen eines Kreuzerkrieges vor und ließen eine U-Boot-gerechte Kriegsführung nicht zu. Ein U-Boot hatte nicht die Möglichkeiten eines Großkampfschiffes, sich um Schiffbrüchige zu kümmern. Dennoch waren die U-Bootfahrer in diesen Konventionen aufgewachsen, erzogen worden und verhielten sich entsprechend auch nach dem Laconia-Befehl.

Admiral Chester Nimitz sagte zu dieser Thematik vor dem Tribunal aus, dass amerikanische Unterseeboote im Pazifik unter den gleichen Anweisungen operiert hätten. Obwohl dieses "tu quoque" (du auch) nicht Recht begründen kann, war es doch ein starkes Argument im Sinne von Dönitz' Verteidiger Kranzbühler, da er argumentieren konnte, dass Dönitz' Laconia-Befehl die Tötung Schiffbrüchiger weder befohlen, noch in Kauf genommen, noch den Kommandanten nahegelegt habe. Vielmehr habe sich der Befehl den Konventionen anderer kriegführender Nationen angeglichen und sei daher im völkerrechtlichen Einverständnis erlassen. Er trug 1946 daher nicht zu seiner Verurteilung wegen Kriegsverbrechen im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher bei.

Der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg verurteilte Karl Dönitz zu 10 Jahren Gefängnis, die er im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau verbüßte.

Der Wortlaut des Laconia-Befehls

  1. Jeglicher Rettungsversuch von Angehörigen versenkter Schiffe, also auch Auffischen von Schwimmenden und Anbordgabe auf Rettungsboote, Aufrichten gekenterter Rettungsboote, Abgabe von Nahrungsmitteln und Wasser, haben zu unterbleiben. Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen.
  2. Befehle über Mitbringung Kapitäne und Chefingenieure bleiben bestehen.
  3. Schiffbrüchige nur retten, falls Aussagen für Boot von Wichtigkeit.
  4. Hart sein. Daran denken, daß der Feind bei seinen Bombenangriffen auf deutsche Städte auf Frauen und Kinder keine Rücksicht nimmt.

Quelle: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Bd. 8 (Nürnberg 1948), S. 309.


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