- Laconia-Befehl
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Der Laconia-Befehl verbot U-Booten der deutschen Kriegsmarine jegliche Versuche, Schiffbrüchige versenkter gegnerischer Schiffe zu retten. Er wurde am 17. September 1942 vom Befehlshaber der U-Boote Admiral Karl Dönitz erteilt. Vorangegangen war die Torpedierung der RMS Laconia vor der Küste Westafrikas durch ein deutsches U-Boot und die anschließende Rettungsaktion für Schiffbrüchige durch deutsche und italienische U-Boote, die dabei von Bombern der United States Army Air Forces angegriffen wurden.
Inhaltsverzeichnis
Der Wortlaut des Laconia-Befehls
- Jeglicher Rettungsversuch von Angehörigen versenkter Schiffe, also auch Auffischen von Schwimmenden und Anbordgabe auf Rettungsboote, Aufrichten gekenterter Rettungsboote, Abgabe von Nahrungsmitteln und Wasser, haben zu unterbleiben. Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen.
- Befehle über Mitbringung Kapitäne und Chefingenieure bleiben bestehen.
- Schiffbrüchige nur retten, falls Aussagen für Boot von Wichtigkeit.
- Hart sein. Daran denken, dass der Feind bei seinen Bombenangriffen auf deutsche Städte auf Frauen und Kinder keine Rücksicht nimmt.
Vorgeschichte
Am 12. September 1942 befand sich das deutsche U-Boot U 156 auf Feindfahrt vor der westafrikanischen Küste zwischen Liberia und Ascension. Der Kommandant, Korvettenkapitän Werner Hartenstein, entdeckte das große britische Passagierschiff RMS Laconia – nach dem den Deutschen vorliegenden Handbuch der bewaffneten britischen Schiffe mit 14 Geschützen ausgestattet – und griff an.
Das Passagierschiff übermittelte die folgende Nachricht:
- SSS SSS 0434 South / 1125 West Laconia torpedoed
- (Achtung von U-Boot angegriffen, geographische Lage, Laconia torpediert).
Als das Schiff zu sinken begann, ließ Hartenstein sein Boot auftauchen, da er hoffte, die leitenden Schiffsoffiziere gefangen nehmen zu können. Dabei sah er mehr als zweitausend Menschen im Wasser um ihr Leben kämpfen. Die 19.680 Tonnen große Laconia hatte nicht nur die reguläre Besatzung von 136 Mann, sondern auch 366 Passagiere, Militärmaterial und gewöhnliche Fracht, 268 britische Soldaten sowie 1809 italienische Kriegsgefangene und als deren Bewachung 103 polnische Soldaten an Bord gehabt.
Hartenstein begann sofort mit Rettungsmaßnahmen. Die Laconia sank um 23.23 Uhr. Um 1.25 Uhr am 13. September sendete Hartenstein einen verschlüsselten Funkspruch an den Befehlshaber der Unterseeboote, in der er über die Situation informierte. Die Nachricht lautete:
- „Versenkt von Hartenstein Brite „Laconia“. Marinequadrat FF 7721 310 Grad. Leider mit 1500 italienischen Kriegsgefangenen. Bisher 90 gefischt. 157 cbm. 19 Aale, Passat 3, erbitte Befehle.“
- (cbm. stand für die Menge des restlichen Treibstoffes, Aale für die verbliebenen Torpedos.)
Admiral Dönitz beorderte umgehend zwei andere U-Boote zur Untergangsstelle. Bald waren auf und unter Deck von U 156 fast zweihundert Überlebende, einschließlich fünf Frauen, weitere zweihundert waren an Bord von vier Rettungsbooten im Schlepp. Um 6:00 Uhr sandte Hartenstein eine Nachricht auf Englisch an alle, die sich in der Gegend auf See befanden, in der er seine Position angab und Hilfe anforderte und versprach, nicht anzugreifen. Die Nachricht lautete:
- „If any ship will assist the ship-wrecked "Laconia" crew, I will not attack providing I am not being attacked by ship or air forces. I picked up 193 men. 4, 53 South, 11, 26 West. – German submarine.“
- (Wenn ein Schiff der havarierten Laconia-Besatzung helfen will, werde ich nicht angreifen, so lange ich nicht von Schiffen oder aus der Luft angegriffen werde. Ich habe 193 Menschen aufgenommen. Geographische Lage – Deutsches Unterseeboot)
U 156 blieb während der nächsten zweieinhalb Tage an derselben Stelle an der Wasseroberfläche. Um 11.30 Uhr am 15. September stießen U 506, Kapitänleutnant Erich Würdemann, und einige Stunden später U 507, Korvettenkapitän Harro Schacht, sowie das italienische U-Boot Cappellini dazu. Die vier U-Boote mit Rettungsbooten in Schlepp und hunderten Überlebenden an Deck fuhren in Richtung der afrikanischen Küste zu einem Treffen mit Kriegsschiffen der französischen Vichy-Flotte, die von Senegal und Dahomey gestartet waren.
Am Morgen des 16. September wurden die vier U-Boote mit Rot-Kreuz-Flaggen an Deck um 11:25 Uhr von einem amerikanischen Bomber vom Typ B-24 Liberator entdeckt. Hartenstein signalisierte dem Piloten, dass er Hilfe benötige. Lieutenant James D. Harden, United States Army Air Forces, drehte ab und teilte seinem Luftwaffenstützpunkt Wideawake Field auf der Insel Ascension die Situation mit. Nach den Regeln der damals gültigen Haager Konventionen waren Lazarettschiffe nur dann vor feindlichen Angriffen geschützt, wenn ihre Namen den Kriegsführenden bekannt gemacht worden waren, ihre Bordwände weiß mit einem Rotkreuz-Emblem gestrichen waren und sie nicht für andere Zwecke verwendet wurden. Voll einsatzfähige Kriegsschiffe mit aufgesteckten Rotkreuz-Fahnen fielen indessen nicht unter diesen Schutz. Der diensthabende Offizier, Captain Robert C. Richardson III, antwortete, da es den deutschen U-Booten seiner Vermutung nach in erster Linie um die Bergung der italienischen Kriegsgefangenen ging und die U-Boote darüber hinaus in den strategisch wichtigen Gewässern nahe Ascension operierten, mit dem Befehl „Sink sub“ (U-Boot versenken).[1]
Harden flog zurück zur Szene der Rettungsversuche und um 12:32 Uhr griff er mit Bomben an. Eins der Rettungsboote in Schlepp hinter U 156 wurde getroffen, eine andere Bombe beschädigte das U-Boot. Hartenstein kappte die Leinen zu den Rettungsbooten und wies die Überlebenden an Deck an, ins Wasser zu springen. Nachdem die Wassereinbrüche gestoppt waren, lief U 156 ab, um die Schäden zu reparieren. Mit FT (Funktelegramm) 0019/17 vom 17. September um 01:40 Uhr entließ der BdU Hartenstein aus der Rettungsaktion. Schacht und Würdemann meldeten die Lage und bekamen Befehl, ihre Boote alarmtauchklar zu halten. Während Dönitz mit seinem Stab noch über den Umfang und die Möglichkeiten notwendiger Rettungsmaßnahmen der U-Boote diskutierte, berichtete ein FT von Würdemann, dass auch er von einem Flugzeug angegriffen worden sei und nur dank guten Ausgucks mit 142 Schiffbrüchigen an Bord rechtzeitig alarmtauchen konnte und erst auf 60 m Tiefe die ersten Bomben fielen.
Um 18:00 Uhr desselben Tages bekamen Schacht und Würdemann ein FT der Führung:
- Keine Rot-Kreuz-Flagge zeigen, da
- international nicht vorgesehen,
- auf keinen Fall und am wenigsten beim Engländer Gewähr für Schonung bietet.
- Nach Durchführung Abgabe Brennstoff, Proviant, Torpedobestand und Einsatzbereitschaft melden
Am Abend des 17. September ging das Laconia-FT heraus an die U-Boote (siehe oben).
Die drei Boote und ihre Mannschaften überlebten den Krieg nicht:
- U-Schacht fiel am 13. Januar 1943 in der Karibik durch Fliegerangriff.
- U-Hartenstein wurde am 8. März 1943 bei Trinidad durch Fliegerangriff versenkt und
- U-Würdemann sank am 12. Juli 1943 westlich von Spanien durch Fliegerangriff.
Viele hundert Laconia-Überlebende ertranken, aber französische Schiffe konnten am selben Tag noch 310 Briten, 20 Polen und 163 Italiener von U-Schacht übernehmen. Insgesamt fielen etwa 1.500 Passagiere der Torpedierung und anschließenden amerikanischen Bombardierung zum Opfer. Ein britischer Seemann, Tony Large, hielt vierzig Tage in einem offenen Rettungsboot aus, bevor er aufgenommen wurde. Auch nach dem Angriff des amerikanischen Bombers wurde die Rettungsaktion auf Befehl von Dönitz fortgesetzt. Insgesamt wurden dabei von 811 Briten etwa 800 und von 1.800 Italienern 450 gerettet.
Juristische Beurteilung im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess
Mit dem Laconia-Befehl wurde das völkerrechtliche Problem des U-Boot-Krieges deutlich: Die Völkerrechtskonventionen sahen damals eine Kriegsführung nur nach den Verhältnissen eines Kreuzerkrieges und somit keine U-Boot-gerechte Kriegsführung vor. Ein U-Boot hatte nicht die Möglichkeiten eines Großkampfschiffes, sich um Schiffbrüchige zu kümmern.
Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde Dönitz auch wegen des Laconia-Befehls angeklagt. Sein Befehl, Angehörige versenkter Schiffe nicht zu retten, habe bedeutet, die Überlebenden vorsätzlich zu vernichten. Dönitz wurde in diesem Punkt für nicht schuldig befunden. So hieß es in der Urteilsbegründung:
- „Es wird außerdem behauptet, daß die deutsche U-Boot-Flotte nicht nur Warn- und Rettungsvorkehrungen gemäß Abkommen unterlassen habe, sondern daß Dönitz absichtlich das Töten überlebender Schiffbrüchiger angeordnet habe, egal ob feindlich oder neutral. Die Anklage hat viele Beweise vorgelegt, einschließlich zweier Befehle von Dönitz, den Kriegsbefehl Nr. 154 von 1939 und den sogenannten ‚»Laconia«-Befehl‘ von 1942. Die Verteidigung dagegen argumentiert, daß diese Befehle und die diesbezüglichen Beweise keine solche Strategie belegen, und hat gegenteilige Beweise vorgelegt. Das Gericht ist der Auffassung, daß nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen wurde, daß Dönitz das vorsätzliche Töten überlebender Schiffbrüchiger anordnete. Die Befehle waren zweifellos mehrdeutig und verdienen höchste Mißbilligung.“[2]
Das Gericht sah sich angesichts ähnlicher Befehle auf alliierter Seite 1946 beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher aber außer Stande, Dönitz deswegen zu verurteilen:
- Angesichts aller vorgelegten Beweise und speziell eines Befehls der britischen Admiralität vom 8. Mai 1940, nach der alle Schiffe im Skagerrag auf Sicht versenkt werden sollten, und der Ergebnisse der Befragung von Admiral Nimitz, der aussagte, dass die Vereinigten Staaten vom ersten Tag des Kriegseintritts an im Pazifik einen unbeschränkten U-Boot-Krieg führten, ist seine Verletzung Internationalen Rechts beim U-Boot-Krieg nicht als Grundlage in das Urteil gegen Dönitz eingeflossen.[3]
Admiral Chester Nimitz antwortete auf eine schriftliche Anfrage des Verteidigers von Großadmiral Dönitz, dem Marinerichter Otto Kranzbühler, dass amerikanische Unterseeboote im Pazifik unter den gleichen Anweisungen operiert hätten.[4]
Quellen
- Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Band 8, Nürnberg 1948, S. 309. Befragung von Dönitz zur Laconia, 9. Mai 1946, Englische Version bei Project Avalon, Vol. 13.
Literatur
- Leonce Peillard The Laconia Affair, New York, Putnam´s Sons 1963
- Frederick Grossmith The Sinking of the Laconia, A Tragedy in the Battle of the Atlantic, 1994
Einzelnachweise
- ↑ Maurer Maurer, Lawrence Paszek: Origin of the Laconia Order. In: Air University Review (März/April 1964)
- ↑ The Tribunal is of the opinion that the evidence does not establish with the certainty required that Doenitz deliberately ordered the killing of shipwrecked survivors. The orders were undoubtedly ambiguous and deserve the strongest censure. Urteil gegen Dönitz beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, Avalon Project
- ↑ In view of all the facts proved and in particular of an order of the British Admiralty announced on the 8th May, 1940, according to which all vessels should be sunk at sight in the Skagerrak, and the answers to interrogatories by Admiral Nimitz stating that unrestricted submarine warfare was carried on in the Pacific Ocean by the United States from the first day that nation entered the war, the sentence of Doenitz is not assessed on the ground of his breaches of the international law of submarine warfare. Urteil gegen Dönitz beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, Avalon Project
- ↑ Aussage von Admiral Nimitz beim Nürnberger Prozess 1946, Avalon Project
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