Landwirtschaftliche Sozialversicherung

Landwirtschaftliche Sozialversicherung
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Die Landwirtschaftliche Sozialversicherung (LSV) in der Bundesrepublik Deutschland ist die Sozialversicherung für die selbstständigen land- und forstwirtschaftlichen sowie gartenbaulichen Unternehmer, deren Ehegatten, mitarbeitenden Familienangehörigen, Altenteiler (Rentner) sowie deren mitversicherte Angehörige (z. B. Kinder). Sie umfasst die landwirtschaftliche Unfallversicherung (seit 1885), Alterssicherung der Landwirte (seit 1. Oktober 1957), landwirtschaftliche Krankenversicherung (seit 1. Oktober 1972) und die landwirtschaftliche Pflegeversicherung (seit 1. Januar 1995). Damit sind in diesem Sonderversicherungssystem alle für den Berufsstand relevanten Bereiche der Sozialversicherung vereinigt.

Inhaltsverzeichnis

Organisation

Die Versicherungsträger der LSV

Derzeit (2011) gibt es in Deutschland neun selbständige Verwaltungsgemeinschaften, die die Aufgaben der LSV durch die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, Alters-, Kranken- und Pflegekassen im Interesse der Versicherten der jeweiligen Region wahrnehmen:

  • LSV Schleswig-Holstein und Hamburg
  • LSV Mittel- und Ostdeutschland
  • LSV Niedersachsen-Bremen
  • LSV Nordrhein-Westfalen
  • LSV Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland
  • LSV Baden-Württemberg
  • LSV Franken und Oberbayern
  • LSV Niederbayern, Oberpfalz und Schwaben
  • Sozialversicherung für den Gartenbau

Die Berufsgenossenschaften, Alterskassen, Krankenkassen und Pflegekassen (Versicherungsträger) sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Ihre Aufgaben werden von den Selbstverwaltungsorganen, d.h. der jeweiligen Vertreterversammlung und dem Vorstand, wahrgenommen. Diese setzen sich aus gewählten Vertretern des Berufsstandes, i.d.R. aus Unternehmern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zusammen. Die laufenden Verwaltungsgeschäfte werden einheitlich je Verwaltungsgemeinschaft von einem Geschäftsführer (Direktor) wahrgenommen.

Diese regional orientierte Organisationsform steht aktuell (2011) zur Disposition.[1] Berufsstand und Politik fordern angesichts der erheblichen Bundesmittel, die in das System fließen, eine Zentralisierung. Auf Länderebene ist allerdings noch keine einheitliche Position gefunden worden.[2] Zudem steht die Frage im Raum, ob ein derartiges Gesetz überhaupt der Zustimmung der Länder im Bundesrat bedarf.[3] Betroffen wären hiervon nicht nur Versicherte, Leistungsempfänger und Beitragszahler, sondern auch die Beschäftigten und das wirtschaftliche Umfeld der jeweiligen regionalen Träger (Zulieferer, Dienstleister, Einzelhandel usw. bis hin zu politischen Einflussnahmemöglichkeiten der verschiedenen Interessenvertretungen im Rahmen der dann nicht mehr regional möglichen Selbstverwaltung).

Seit dem 28. September 2011 liegt nunmehr ein Referentenentwurf der Bundesregierung und seit dem 2. November 2011 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-NOG) vor, der die Bildung einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts vorsieht, in der die einzelnen Träger sowie der Spitzenverband ab 1. Januar 2013 eingegliedert werden sollen. Umgesetzt werden soll diese mit der Auflösung der bisherigen Träger und des Spitzenverbandes einhergehende Eingliederung in einem Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2017.[4] Der neue Sozialversicherungsträger soll den Namen Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau tragen.

Der Spitzenverband der LSV

Der zum 1. Januar 2009 neu gegründete Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-SpV) - hervorgegangen aus dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften (BLB), dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen (GLA) und dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen (BLK) - ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, dem die einzelnen LBGen, LAKen, LKKen und LPKen als Mitglieder angehören. Im Verbandsvorstand ist jede der Verwaltungsgemeinschaften vertreten[5].

Aufgabe des Spitzenverbands ist es, die einzelnen Träger bei der Wahrnehmung ihrer Interessen und Aufgaben zu unterstützen, um insbesondere eine einheitliche Rechtsanwendung und sparsame Mittelverwendung sicherzustellen.[6] Durch das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der LSV (LSVMG)[7] ist er verpflichtet, weitergehende Grundsatz- und Querschnittsaufgaben, wie z.B. die Informationstechnik, die Vertretung gegenüber der Politik und anderen nationalen wie internationalen Sozialpartnern, Regressangelegenheiten etc. wahrzunehmen.

Finanziert wird der Spitzenverband über ein Umlageverfahren durch die einzelnen regionalen Träger.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Beurteilung der Versicherungsverhältnisse sowie die Leistungsgewährung liegen in den Händen der einzelnen Träger der LSV. Sie beruht auf speziellen Gesetzen. Dies sind für die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften das SGB VII, für die landwirtschaftlichen Alterskassen das ALG, für die landwirtschaftlichen Krankenkassen das KVLG 1989 und für die (landwirtschaftlichen) Pflegekassen das Elfte Buch Sozialgesetzbuch.

Finanzierung

Die Mittel der LSV werden durch Beiträge, Bundesmittel und sonstige Einnahmen aufgebracht. Die Bemessungsgrundlagen der verschiedenen Zweige der LSV sind unterschiedlich:

  • in der Unfallversicherung werden die Beiträge in Form eines nachträglichen Umlageverfahrens auf Basis der bewirtschafteten Kulturarten, der verschiedenen Bewirtschaftungsformen und Flächengröße sowie nach Risikokriterien erhoben
  • in der Alterssicherung gilt ein Einheitsbeitrag, der durch Zuschüsse - abhängig vom Einkommen und Familienstand - gemindert werden kann
  • in der Krankenversicherung erfolgt die Bemessung der Beiträge ebenfalls auf Basis der bewirtschafteten Kulturarten und Flächengröße (jedoch ohne Risikofaktoren wie in der Unfallversicherung) in Beitragsklassen (anders, als in der allgemeinen Krankenversicherung, in der die Beiträge nach einem Beitragssatz ermittelt werden, auch Zusatzbeiträge oder den ab 1. Januar 2011 in Kraft tretenden Sozialausgleich gibt es dort nicht, da die Landwirtschaftliche Krankenversicherung als berufsständig orientiertes System nicht am Gesundheitsfonds beteiligt ist). Daneben sind Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, rentenähnliche Einnahmen (sog. Versorgungsbezüge, z. B. Pensionen) und - wenn neben Rente und/oder Versorgungsbezug - Einnahmen aus einer außerhalb der Landwirtschaft ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit beitragspflichtig.
  • in der Pflegeversicherung durch einen prozentualen Zuschlag auf den Krankenversicherungsbeitrag sowie prozentuale Beiträge aus den oben genannten Renten, Versorgungsbezügen und außerlandwirtschaflichem Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit

Im Jahr 2009 hat die LSV etwa 6,2 Milliarden Euro aufgewendet. Hiervon wurden knapp 4 Milliarden aus Steuermitteln aufgebracht. Der Anteil der Bundesmittel wird in 2010 auf etwa 3,7 Milliarden Euro zurückgehen.[8]

Aus- und Fortbildung in der LSV

Aufgabe des Spitzenverbandes der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ist auch die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter des Verbandes und der Versicherungsträger. Dazu unterhält er ein Ausbildungszentrum, das in erster Linie die umfassende Aus- und Fortbildung des mittleren und des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes gewährleistet. Der mittlere Verwaltungsdienst wird am Verwaltungsseminar des Spitzenverbandes ausgebildet. Grundlage dieser Ausbildung sind die Vorschriften der "Ausbildungsordnung für Sozialversicherungsfachangestellte" (AOSozV).

Bewerber für den gehobenen Dienst müssen ein 3-jähriges Studium am Fachbereich „Landwirtschaftliche Sozialversicherung“, einem der Fachbereiche der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (Standort Kassel), absolvieren.[9] Schwerpunkte des Studiums sind die späteren Arbeitsfelder des gehobenen Dienstes wie z. B die Beurteilung von Versicherungsverhältnissen und Leistungsansprüchen sowie deren Finanzierung, aber auch Tätigkeitsbereiche in der allgemeinen Verwaltung der Träger (Organisation, Personal, Haushalt). Neben den fachspezifischen Studieninhalten wird dabei insbesondere umfangreiches Wissen in den Bereichen Staats- und Verfassungsrecht, Zivilrecht, Verwaltungsrecht, Wirtschaftspolitik, Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, öffentliche Finanzwirtschaft etc. vermittelt. Da der Erwerb der Kenntnisse und Fähigkeiten im dualen System erfolgt, erstreckt sich das Studium im jeweils mehrmonatigen Wechsel sowohl auf Zeiten am Fachbereich (theoretischer Teil) als auch auf Zeiten bei den Versicherungsträgern (fachpraktischer Teil). Die erfolgreiche Ablegung der Diplomprüfung führt zur Verleihung des akademischen Grades "Diplomverwaltungswirt/in (FH)".

Zum 1. Oktober 2010 umfasste der Fachbereich 114 Studenten (1. Oktober 2009: 83 Studenten).

Das Internat des Verwaltungsseminars bzw. des Fachbereichs umfasst 60 Zimmer. In acht Hörsälen und einem PC-Schulungsraum können gleichzeitig 160 Personen unterrichtet werden. Weiterhin steht den Lernenden und Lehrenden eine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. LSV-Bundesträger noch in dieser Legislaturperiode? auf: agrarheute.com 25. Oktober 2010.
  2. LSV-Bundesträger soll bis Jahresende beschlossen sein. auf: topagrar.com 29. März 2011.
  3. http://www.iva.de/ticker/1301683380
  4. Bund drängt weiter auf Reduzierung der Verwaltungskosten in der LSV. 29. September 2011.
  5. Roland Gelbke: Organisation und Selbstverwaltung in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. In: Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft (SDL). Nr. 3, 2007, S. 159ff (PDF, abgerufen am 10. April 2008).
  6. Webseite des Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung
  7. BGBl. I S. 2984/2986
  8. Agrarsozialpolitik behält hohen Stellenwert.
  9. Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Fachbereich Landwirtschaftliche Sozialversicherung.

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