Leichen pflastern seinen Weg

Leichen pflastern seinen Weg
Filmdaten
Deutscher Titel Leichen pflastern seinen Weg
Originaltitel Il grande silenzio
Produktionsland Frankreich, Italien
Erscheinungsjahr 1968
Länge 105 Minuten
Altersfreigabe FSK 18
Stab
Regie Sergio Corbucci
Drehbuch Mario Amendola
Bruno Corbucci
Sergio Corbucci
Vittoriano Petrilli
Musik Ennio Morricone
Kamera Silvano Ippoliti
Schnitt Amedeo Salfa
Besetzung

Leichen pflastern seinen Weg (Originaltitel: Il grande silenzio) ist der Titel eines Italowesterns aus dem Jahr 1968 mit Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski in den Hauptrollen. Dieser „Western im Schnee“ wurde in Cortina d’Ampezzo, in St. Kassian, in den Abruzzen und in den römischen Elios-Studios gedreht. Die deutsche Synchronfassung entstand 1968 in den Studios der Berliner Synchron AG Wenzel Lüdecke.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Winter 1898. In dem kleinen Dorf Snowhill in Utah sorgt das raue Wetter für Hunger und Not. Die Ärmsten beginnen aus der Not heraus zu stehlen und zu überfallen. Dadurch werden sie zu Gesetzlosen, die sich in den Bergen verstecken müssen, weil auf sie ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Während die Menschen leiden, wird das Dorf zu einem Paradies für Kopfgeldjäger, denen die als gesetzlos geltenden Armen kaum etwas entgegenzusetzen haben.

Als der Ehemann von Pauline dem skrupellosen Kopfgeldjäger Loco zum Opfer fällt, heuert sie den stummen Silence an, um Loco zu töten. Seit Silence als Kind mitansehen musste, wie seine Eltern von Kopfgeldjägern getötet wurden, zieht er durch das Land, auf der Jagd nach jenen, die unter dem Deckmantel des Gesetzes Menschen für Geld töten. Um nicht gegen das Gesetz zu verstoßen und so selbst auf die Abschussliste der Kopfgeldjäger zu geraten, provoziert er diese solange, bis sie zuerst die Waffe ziehen. So kann Silence sie dann in „Notwehr“ erschießen.

Loco jedoch lässt sich nicht provozieren. Erst nachdem er den neuen Sheriff, der im Auftrag des Gouverneurs wieder Ordnung in die Region bringen und den Hungernden in den Bergen Amnestie gewähren soll, getötet hat, stellt er sich zusammen mit anderen Kopfgeldjägern dem finalen Kampf mit Silence.

Hintergründe

Der Film wurde aus zwei Gründen zu einem Klassiker: Zum einen wurde durch die Schneelandschaft eine einmalige Atmosphäre geschaffen, zum anderen sorgte der Film für Aufregung wegen seines brutalen Endes, bei dem, wie sonst in Western nicht üblich, der „Böse“ triumphiert.

Sergio Corbucci verwendete wie in Django (1966) wieder mittelalterliche Motive der Hexenverfolgung. Dabei enthält der Film auch viele katholische Motive.

Sergio Corbucci führt mit diesem Film verschiedene Ansätze des Italowestern-Genres mit zeitgeschichtlich politischen Motiven zusammen. Zum einen ist der Hauptheld nicht nur schweigsam, vielmehr noch, er ist stumm. Die Stummheit von Trintignant ist ein typischer Corbucci-Witz. Da ein Westernheld niemals viel spricht, übertreibt Corbucci dieses genretypische Muss und stellt den Hauptheld als Stummen dar. Hauptdarsteller Trintignant war der englischen Sprache nicht mächtig und bekam deshalb den Part eines Stummen zugewiesen. Italowestern wurden seinerzeit auf englisch gedreht, um die Vermarktungschancen im anglo-amerikanischen Raum zu vergrößern.

Ein anderer Aspekt neben dem Ende ist die Betonung des Gesetzes und seiner Organe. So spricht Klaus Kinski als Bösewicht mehrfach davon, er habe kein einziges Strafgesetz verletzt. Dies wird auch durch die Ahasver-Figur des Friedensrichters verdeutlicht, die von Luigi Pistilli gespielt wird. Denn der Friedensrichter ist zudem auch der Kaufmann des Ortes. Hier wird der damalige linke Zeitgeist deutlich, laut dem die Gefahr besteht, dass das Handeln des Staates und seiner Gesetze vom Kapital beherrscht wird. Gerade dieser Aspekt war für die damalige Zeit in seiner Darstellung des Filmes als Amerika- und Kapitalismuskritik zu werten. Denn durch seine Auslegung versagt das Gesetz nun als moralische Instanz. Der Staat schützt mit seinen Gesetzen nur das Eigentum und vergibt Kopfgeldprämien, anstatt die Menschen selbst zu versorgen. Die pure Not zwingt die Menschen zu stehlen, um zu überleben. Doch durch die Straftat aus Not werden sie zu Straftätern, die nun von den Kopfgeldjägern gejagt werden, um den „Rechtsfrieden“ zu sichern. Die (eigentlich „bösen“) Kopfgeldjäger sind dann diejenigen, die für Recht und Ordnung sorgen, während die „Armen“ als Rechtsbrecher bekämpft werden.[1]

Dabei schafft es Corbucci, diese Art der politischen Kritik sehr leise in einen spannungsreichen Film einzubauen. Denn auch Silence bzw. Jean-Louis Trintignant ist selbst kein Heilsbringer. Silence selbst gibt Sergio Corbucci zwar eine Begründung für sein Handeln (ein traumatisches Kindheitserlebnis), lässt Pauline aber auch ausdrücklich erwähnen, dass er für den Auftrag, Loco zu töten, dieselbe Summe verlangt wie Loco für die Ermordung von Paulines Ehemann erhalten hat. Und auch er legt das Gesetz nur besonders geschickt aus, um einen Auftragsmord als Notwehr durchgehen zu lassen.

Trotzdem fungiert Silence wie auch andere Helden in Italowestern im Vergleich zu seinen Gegnern eher als Identifikationsfigur und Sympathieträger für den Zuschauer. So gesehen ist es eine bemerkenswerte Konsequenz von Sergio Corbucci, dass er Loco triumphieren lässt und alle Sympathieträger sowie die wehrlosen Geiseln kaltblütig getötet werden.

Die Geschichte vom Guten, der in einer barbarischen Hölle umkommt, widmete Sergio Corbucci im Andenken an Jesus, Martin Luther King und Che Guevara. Der Bezug zu Che Guevara und Jesus wird durch die Zerstörung von Jean-Louis Trintignants Händen verdeutlicht. Das Motiv der zerstörten Hände hatte Sergio Corbucci schon in Django verwendet. Das Motiv der zerstörten Hände stammt aus der römischen Geschichte und ist ein Verweis auf die Geschichte von Gaius Mucius Scaevola. Der Film soll dabei die Unmöglichkeit der Revolution aufzeigen, denn die Hinrichtung von Silence rettet die Geiseln ebenso wenig wie die Ermordung Che Guevaras die Menschheit wesentlich verändert hat.[2]

Dabei ist dieser Film auch als kritische Antwort auf Für ein paar Dollar mehr von Sergio Leone zu verstehen, der die Rolle des Kopfgeldjägers viel unkritischer, geradezu naiv darstellt.

Corbucci ging somit sehr soziologisch vor und schuf mit diesem Film den ersten Teil einer Trilogie, die das Thema „Revolution“ behandelten. Während in Leichen pflastern seinen Weg noch die Unmöglichkeit der Revolution aufgezeigt wurde, wurde das Thema in den Filmen Mercenario - Der Gefürchtete und Laßt uns töten, Compañeros wieder aufgegriffen und es wurden Lösungen aufgezeigt.

Der Film galt den 68ern als Kultfilm. Corbuccis Ruhm verblasste später, als die politische Komponente seiner Filme geringer wurde und der Zeitgeist sich veränderte. Spätere Werke konnten kaum noch das sehr hohe Niveau halten und verärgerten sogar frühere Fans.

Neben der Atmosphäre überzeugen die ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen von Kinski und Trintignant. Aber auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt mit Luigi Pistilli als hinterlistiger Bankier und dem aus Amerika ausgewanderten Frank Wolff als Sheriff.

Darryl F. Zanuck bezeichnete den Film als einen der besten Western aller Zeiten.

Der österreichische Regisseur Michael Haneke gilt auch als großer Fan des Filmes und bezeichnete das Ende in einem Interview mit der Zeitung Die Zeit als einmalig. Das einzige Stück mit einer ähnlichen Handlungsstruktur, das ihm einfiele, sei Monteverdis Oper Die Krönung der Poppea.[3]

Die Darstellung von Jean-Louis Trintignant und ganz besonders Klaus Kinski ist hervorzuheben, ebenso wie die prägende Musik von Ennio Morricone. Diese wurde auch von der Band Thievery Corporation verwendet. Die Grindcore-Band Cripple Bastards veröffentlichte eine EP, die den Originaltitel des Films trägt.

Alternatives Ende

Auf der DVD-Veröffentlichung des deutschen Labels „Kinowelt“ findet sich auch ein angeblich für Japan oder Nordafrika gedrehtes, alternatives Ende. Es soll seinerzeit auf Druck des Produzenten entstanden sein, welcher das tragische Ende ablehnte. Der Ton ist allerdings nicht mehr erhalten. Dieses Ende wirkt jedoch stellenweise wie eine (vielleicht vom Regisseur auch beabsichtigte) Parodie eines der Handlungsentwicklung widersprechenden, krampfhaften Happy-Ends. Loco wird in dem alternativen Ende nicht von Klaus Kinski, sondern von einem Doppelgänger gespielt.

In diesem alternativen Ende rettet der Sheriff Silence, indem er in letzter Sekunde Loco erschießt. Ob das eigenartige Auftauchen des Sheriffs, den Loco zuvor in einem zugefrorenen See versenkt hatte, irgendwie plausibel erklärt wird, ist, da der Ton nicht erhalten ist, schwer zu sagen.

Nachdem Loco relativ unspektakulär zu Boden sinkt, schlägt der eigentlich schwer verletzte Silence einen Purzelbaum und erschießt alle Kopfgeldjäger, um am Ende lächelnd Pauline, die in dieser Fassung auch nicht stirbt, in den Armen zu halten.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe: Christian Kessler auf S. 115, 116 in "Willkommen in der Hölle. Der Italo Western im Überblick". Terrorverlag, 2002. ISBN 3-00-009290-0"
  2. So: Bernd Kiefer, Norbert Grob (Hrsg.), unter Mitarbeit von Marcus Stiglegger: Filmgenres: Western. Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-018402-9.
  3. http://www.zeit.de/2006/04/Interview_Haneke Die Zeit vom 19. Januar 2006

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