Anomalie (Quantenfeldtheorie)

Anomalie (Quantenfeldtheorie)

Unter einer Anomalie in der Quantenfeldtheorie versteht man die Brechung einer klassischen Symmetrie einer Feldtheorie (auf klassischem Niveau) durch den Prozess der Quantisierung.

Technisch gesehen ergeben sich solche anomalen Symmetrien, indem zwar das Wirkungsfunktional \mathcal A der Feldtheorie, d.h. die Lagrangedichte der Theorie, aber nicht die bei der Quantisierung benötigten Maßfunktionen \,\mu, und somit nicht das sog. Erzeugende Funktional der Theorie, \mathcal Z=\int d\mu\,\exp (\mathcal A/\hbar )\,, der Symmetrie gehorchen (\,\hbar ist das reduzierte plancksche Wirkungsquantum, \,\exp die Exponentialfunktion).

Das Dreiecksdiagramm: Die Wellenlinien stehen für Photonen; die nach rechts bzw. links gerichteten durchgezogenen Linien bezeichnen Elektronen bzw. Positronen.

Die physikalische Relevanz solcher Anomalien drückt sich u.a. dadurch aus, dass sie einen wesentlichen Beitrag zu den Zerfälllen des neutralen Pions, \pi^0\rightarrow\gamma\gamma bzw. \pi^0\rightarrow e^+e^-\gamma, liefern, und zwar im Zusammenhang mit dem berühmten Dreiecksdiagramm. (Dass beim vollständigen Umlauf um das Dreieck ein Positron in ein Elektron umgewandelt wird, ist eine explizite Signatur des anomalen Verhaltens.) Andere Beispiele ergeben sich bei den sog. Ward-Identitäten. Dabei handelt es sich um Gleichungen für quantenmechanische Amplituden, die in quantisierten Theorien an die Stelle der (durch die Quantisierung ungültig gewordenen) Erhaltungssätze treten.

Vom Standpunkt der Quantenfeldtheorie aus betrachtet ist die Bezeichnung Anomalie eigentlich nicht sinnvoll gewählt, denn im klassischen Limes, \,\hbar\to 0\,, verschwinden die (zu den Erhaltungssätzen gehörenden) Symmetrien nicht, sondern die Wirkungsterme sind in diesem Limes einfach dominant gegen alles Andere.

Eine weitere Anwendung der Anomalien ist, neben dem Pion-Zerfall, die Erklärung des Fehlens eines neunten Goldstone-Bosons, das von der QCD ansonsten gefordert würde.

Während Anomalien globaler Symmetrien harmlos sind und wie im Beispiel des \!\,\pi^0-Zerfalls auch in der Natur beobachtet werden, würden Anomalien bei den sog. Eichsymmetrien, die ja lokal sind, die Renormierbarkeit der Theorie zerstören, weshalb Eichsymmetrien aus Konsistenzgründen immer anomaliefrei sein müssen. Für die Eichsymmetrie des Standardmodells ist dies dadurch gewährleistet, dass sich die anomalen Beiträge der verschiedenen Flavors von Quarks und Leptonen gerade gegenseitig aufheben, solange die Zahl der Generationen im Quark- und Leptonsektor gleich ist.

Literatur

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