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Die Quantenchromodynamik (QCD) ist die quantenfeldtheoretische Beschreibung der starken Wechselwirkung.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Konzeptionell ist die QCD an die Quantenelektrodynamik (QED) angelehnt, die als Eichtheorie mit der abelschen Eichgruppe U(1) die Wechselwirkung elektrisch geladener Teilchen (z. B. Elektron oder Positron) durch Photonen beschreibt. Die Eichgruppe der QCD ist nicht-abelsch, nämlich die SU(3). Die Wechselwirkungsteilchen sind die sog. Gluonen. An die Stelle der elektrischen Ladung als Erhaltungsgröße tritt die Farbladung (daher kommt der Name, Chromodynamik). Analog zur QED, wo nur elektrisch geladene Teilchen wechselwirken, behandelt die QCD nur Teilchen mit Farbladung, die sogenannten Quarks. Quarks können drei verschieden Farben haben, die als rot, grün und blau bezeichnet werden. Im Unterschied zum elektrisch neutralen Photon in der QED tragen jedoch die Gluonen selbst Farbladung (bestehend aus einer Farbe und einer Anti-Farbe, so dass Gluonenaustausch meist zu Farbänderungen der beteiligten Quarks führt) und wechselwirken daher auch miteinander. Das bewirkt, dass die Anziehungskraft zwischen den Quarks bei großen Entfernungen zunimmt, ähnlich wie bei einer gespannten (sehr steifen) Feder oder einem Gummifaden. Wird eine bestimmte „Spannung“ überschritten, reißt der Faden - in der QCD wird in dieser Analogie bei Überschreitung eines gewissen Abstands die Feldenergie so hoch, dass sie in die Bildung neuer Quark/Antiquark Paare (Mesonen) umgesetzt wird (was sich in Beschleunigerexperimenten in der Erzeugung von Jets äußert). Daher treten Quarks niemals einzeln auf, sondern nur in gebundenen Zuständen, den Hadronen (Confinement). Das Proton und das Neutron (auch Nukleonen genannt, da aus ihnen die Atomkerne bestehen) sowie die Pionen sind Beispiele für Hadronen.
Die Quantenchromodynamik ist ein wesentlicher Bestandteil des sog. Standardmodells der Elementarteilchenphysik.
Nichtabelsche Eichgruppe
Die der QCD zugrundeliegende Eichgruppe SU(3) ist, wie gesagt, nicht-abelsch (das heißt die Multiplikation von zwei Gruppenelementen ist im Allgemeinen nicht kommutativ) im Gegensatz etwa zur QED mit Eichgruppe U(1). Das führt dazu, dass in der Lagrange-Dichte Terme auftreten, die eine Wechselwirkung der Gluonen miteinander bewirken. Aus demselben Grund tragen die Gluonen Farbladung. Diese Selbstwechselwirkung führt dazu, dass die renormierte Kopplungskonstante der QCD sich qualitativ genau entgegengesetzt zur Kopplungskonstante der QED verhält: Sie nimmt für hohe Energien ab. Dies führt zu den Phänomenen der asymptotischen Freiheit (hohe Energien) und des Confinement (niedrige Energien).
Asymptotische Freiheit bedeutet, dass die Quarks sich bei hohen Energien wie freie Teilchen verhalten, Confinement bedeutet, dass unterhalb einer Grenzenergie die Kopplungskonstante so groß wird, dass Quarks nur noch in Hadronen auftreten. Da die Kopplungskonstante αs der QCD bei niedrigen Energien kein kleiner Parameter ist, kann die Störungstheorie, mit der sich viele Probleme der QED lösen lassen, nicht angewendet werden. Ein Ansatz zur Lösung der QCD-Gleichungen bei niedrigen Energien sind dagegen Computersimulationen von Gittereichtheorien.
Ein weiterer Ansatz zur quantenfeldtheoretischen Behandlung von Hadronen ist die Verwendung von effektiven Theorien, die für große Energien in die QCD übergehen und für kleine Energien neue Felder mit neuen „effektiven“ Wechselwirkungen einführen. Je nach den zu beschreibenden Hadronen verwendet man verschiedene effektive Theorien. Die chirale Störungstheorie (chiral perturbation theory, CPT) wird für Hadronen verwendet, die nur aus leichten Quarks, also Up-, Down- und Strange-Quarks, aufgebaut sind (also etwa Protonen und Neutronen), die nach der CPT über Mesonen miteinander wechselwirken. Für Hadronen mit genau einem schweren Quark, also einem Charm- oder Bottom-Quark, und sonst nur leichten Quarks wird die effektive Theorie schwerer Quarks (heavy quark effective theory, HQET) verwendet, in welcher das schwere Quark als unendlich schwer angenommen wird, ähnlich der Behandlung des Protons im Wasserstoffatom. Für Hadronen aus zwei schweren Quarks (gebundene Zustände im Quarkonium) wird die sogenannte nichtrelativistische Quantenchromodynamik (nonrelativistic quantum chromodynamics, NRQCD) verwendet.
Erläuterungen und Abgrenzung zur Kernphysik
Die Stärke der Wechselwirkung führt dazu, dass Protonen und Neutronen im Atomkern viel stärker aneinander gebunden sind als etwa die Elektronen an den Atomkern. Die Beschreibung der Nukleonen ist jedoch ein offenes Problem. Die Quarks besitzen nur 5 % der Masse der Nukleonen, die restlichen 95% der Nukleonenmasse entstammen der Bindungsenergie der starken Wechselwirkung und der Bewegungsenergie der Quarks. Die Protonen und Neutronen selbst sind farblos und ihre Wechselwirkung wird statt durch die Quantenchromodynamik meist durch eine effektive Theorie beschrieben. Die anziehende Kraft zwischen ihnen beruht nach dieser Theorie auf dem Austausch von Mesonen (aus Quark/Anti-Quark Paaren bestehende Hadronen), insbesondere den leichten Pionen (siehe Pion-Austausch-Modell). Die Beschreibung des Verhaltens der Nukleonen über Mesonenaustausch im Atomkern und in Streuexperimenten ist Gegenstand der Kernphysik.
Oft führt der Unterschied zwischen der elektrischen Ladung und der Farbladung zu Verständnisschwierigkeiten. Daher sei hier angemerkt, dass Quarks sowohl eine elektrische als auch eine Farbladung besitzen. Quarks wechselwirken also sowohl „stark“ (d. h. durch Gluonen) als auch elektromagnetisch (d. h. durch Photonen). Da die elektromagnetische Wechselwirkung aber deutlich schwächer ist als die starke Wechselwirkung, kann man ihren Einfluss bei der Wechselwirkung von Quarks in der Regel vernachlässigen und sich daher nur auf den Einfluss der Farbladung beschränken.
Die starke Wechselwirkung zwischen den Nukleonen im Atomkern ist also viel wirksamer als ihre elektromagnetische Wechselwirkung. Dennoch ergibt die elektrostatische Abstoßung der Protonen ein wichtiges Stabilitätskriterium für Atomkerne. Die starke Wechselwirkung zwischen den Nukleonen wird jedoch, im Gegensatz zur Wechselwirkung zwischen den Quarks, mit zunehmender Entfernung der Nukleonen exponentiell kleiner. Dies liegt an der Tatsache, dass die beteiligten Austauschteilchen im oben erwähnten Pion-Austauschmodell eine Masse ungleich Null besitzen. Daher liegt die Reichweite rc der Wechselwirkung zwischen den Nukleonen bei cm, also in der Größenordnung der Compton-Wellenlänge der π-Mesonen (mπ ist die Masse des Pions). Während die Kernkräfte exponentiell mit dem Abstand kleiner werden, (Yukawa-Potential), fällt die elektromagnetische Wechselwirkung nur nach dem Potenzgesetz ab (Coulomb-Potential), da deren Austauschteilchen (die Photonen) keine Masse besitzen und die Wechselwirkung damit eine unendliche Reichweite hat.
Die starke Wechselwirkung ist also im Wesentlichen auf Abstände der Hadronen, wie sie z.B. im Atomkern auftreten, beschränkt.
Lagrangedichte der QCD
Die QCD ist eine relativistische Quantenfeldtheorie mit der (eichinvarianten) Lagrangefunktion
Aus erhält man durch Anwendung der Euler-Lagrange-Gleichung auf diesen Teil von die bekannte Dirac-Gleichung und damit
- den Propagator für Quarks
Der Term beschreibt
- die Wechselwirkungs-Vertices zwischen Quarks und Gluonen (q-A-Wechselwirkung)
Aus dem Term mit erhält man nicht nur
- die Propagatoren für Gluonfelder, sondern auch
- die 3-Gluon-Gluon-Wechselwirkungs-Vertices
- und die 4-Gluon-Gluon-Wechselwirkungs-Vertices
Diese Selbstwechselwirkungsterme der Gluonen, eine Folge der nicht-kommutierenden Generatoren bei nichtabelschen Eichgruppen, stellen den eigentlichen Unterschied zur Lagrangedichte der QED dar.
Aus den einzelnen Termen der Lagrangedichte folgen so die Regeln für Feynmandiagramme in der störungstheoretischen QCD. Es muss allerdings für konkrete Berechnungen noch eine Eichfixierung durchgeführt werden.
Im Einzelnen treten oben folgende Größen auf:
- , das Quarkfeld (und das adjungierte Quarkfeld im Sinne der Dirac´schen relativistischen Quantenmechanik) mit Masse m
- , die Dirac-Matrizen mit μ = 0 bis 3
- , die acht Eichbosonenfelder (Gluonfelder, a =1 bis 8, entsprechend durch die Gluonen bewirkten Farbänderungen)
- , die kovariante Ableitung
- , die Quark-Gluon Kopplungskonstante
- , ein Erzeugender der Eichgruppe SU(3) (a = 1 bis 8), mit den Strukturkonstanten (siehe Artikel Gell-Mann-Matrizen)
- , der Feldstärketensor des Eichbosonenfeldes
(Das Hinauf- und Hinabziehen zwischen unteren und oberen Indizes geschieht bezüglich a immer mit der trivialen Signatur, +, so dass also gilt. Bezüglich der μ und ν erfolgt es dagegen mit der relativistischen Signatur, (+---).)
Das Quark-Antiquark-Potential
Aus dem Vergleich von Energieniveauschemas z. B. von Positronium und Charmonium kann man sehen, dass das Quark-Antiquark-Potential bei kleinen Abständen ähnlich wie bei der elektromagnetischen WW Coulombartig sein muss; zusammen mit der oben erwähnten Analogie zu einer Feder bei großen Abständen erhält man das folgende Potential:
mit der vom Impulsübertrag Q2 (und damit vom Abstand r) abhängigen starken Kopplungs-„konstanten“ αs. Für sie gilt in erster Ordnung der Störungstheorie
mit der (auch von Q2 abhängigen) Anzahl der beteiligten Quarkfamilien Für Rechnungen in der Störungstheorie muss sein.
Das 1d-Ising-Modell: ein komplementäres Szenario
Die Technik des sog. Feynman'schen Pfadintegrals in Quantenfeldtheorien ergibt einen nützlichen Zusammenhang zu Methoden der statistischen Mechanik. Das zur QCD gehörige Schlagwort heißt Gittereichtheorie (siehe unten). In der statistischen Physik wurden solche Theorien schon 1968 durch Franz Wegner eingeführt, und zwar im Zusammenhang mit seiner Dissertation, München 1968. [1] Speziell erhält man mit der Thermodynamik des eindimensionalen Ising-Modells ein ganz einfaches „Szenario“, das zur QCD komplementär sein könnte (siehe unten). Bei dem genannten Modell handelt es sich um die Ausführung einer sog. Zustandssumme mit β = T − 1, zur Hamilton-Energie , wobei
- die Indizes i bzw. k einem Gitter mit nur einer Dimension entnommen sind:
- die Variablen si bzw. sk binäre Größen sind, z. B. mit den Werten , die als Quarks interpretiert werden können, während die reellen Variablen Ji,k als Gluonen aufgefasst werden, was natürlich einer extremen Vereinfachung entspricht. Die Variable T stellt die vorgegebene reduzierte Temperatur dar, den Hauptparameter der statistischen Mechanik, welcher zur Kopplungskonstante der zugehörigen Quantenfeldtheorie korrespondiert. Man beachte, dass die Gluonen-Freiheitsgrade als „eingefroren“ behandelt werden ("quenching"); wenn man sowohl Gluonen als auch Quarks fluktuieren ließe ("annealing"), erhielte man andere Resultate, die aber nicht mehr analytisch handhabbar sind und insbesondere von dem Verhältnis der beiden Fluktuationen abhängig wären.)
Die obige statistisch-mechanische Formel kann jedenfalls unter der angegebenen Voraussetzung elementar ausgewertet werden. Sämtliche Korrelationsfunktionen sind berechenbar, wobei sich
- Eichinvarianz ergibt: Die Resultate ändern sich nicht bei der Eichtransformation , mit beliebigen und analogen, dazu unkorrelierten Größen
- wäre die Thermodynamik des eindimensionalen Ising-Modells in diesem Szenario komplementär zur QCD in (3+1) Dimensionen. Und zwar in folgendem Sinn: Konträr zur QCD wäre, dass die Kopplung stark ist bei kurzen Abständen und schwach („asymptotische Freiheit“) bei großen Abständen. Analog zur QCD wäre, dass es dazwischen keinen Phasenübergang gäbe (in der QCD ist dies nach neueren Resultaten vermutlich anders!), sondern alle Korrelationsfunktionen überall stetig wären. Das Ising-System zeigt jedenfalls bei endlichen Temperaturen durchgehend paramagnetisches Verhalten, und zwar mit exponentiell abklingenden Korrelationen, also „Deconfinement“ (das ist erneut „dual“ zur QCD). Nur bei T=0 ergibt sich im Ising-Szenario Fernordnung, also gerade die Dualeigenschaft zum Quark-Gluon-Plasma, falls es existiert (in diesem Szenario würde es also nur bei unendlich hoher Temperatur auftreten.)
Gittereichtheorie
Inzwischen gibt es viele über solche „Szenarien“ weit hinausgehende Simulationen im für die QCD relevanten[2] Fall der oben erwähnten Gittereichtheorien. Diese Arbeiten, die sich fast ausschließlich auf die quantenfeldtheoretischen Zusammenhänge konzentrieren, benötigen die Modelle Franz Wegners meist nicht mehr. Zumal diese seinerzeit aus technischen Gründen in der statistischen Physik nur unter Spezialisten Beachtung fanden. Diese Beachtung war aber vor allem wegen der Eichinvarianz und der damit verbundenen lokalen Besonderheiten für die thermodynamischen Korrelationsfunktionen beträchtlich. Bis dahin standen mehr die globalen Zusammenhänge im Vordergrund.
Die amerikanischen Wissenschaftler Kenneth Wilson, der bereits wegen seiner Arbeiten zur Renormierungsgruppe den Nobelpreis bekommen hatte, und John Kogut haben in mehreren Arbeiten die Gittereichtheorie der QCD zur numerisch effektiven Methode gemacht.[3][4] Der wesentliche Ansatz ihrer Veröffentlichungen ist, dass
- aus den drei Raumdimensionen und der Zeitdimension der relativistischen Quantenfeldtheorie vier in klassischer statistischer Mechanik zu behandelnde euklidische Dimensionen gewonnen werden (3+1 relativistisch → 4 euklidisch), wobei
- zur numerischen Realisierung des euklidischen Gittermodells das Wirkungsfunktional der QCD so diskretisiert wird, dass eine möglichst effektive und zugleich die wichtige chirale Symmetrie möglichst perfekt realisierende Theorie entsteht.
Der Name Wilson hat darüber hinaus durch eine als Wilson-Loop bezeichnete Schleifenvariable zur Diskretisierung der „Feldenergie“ - das ist der letzte Term der obigen Lagrangedichte - Eingang in das Sachverzeichnis der Theorie gefunden. Die Variable dient darüber hinaus zur Kennzeichnung des Confinement.
Forscher und Nobelpreise
Einer der Begründer der Quantenchromodynamik (und davor des Quarkmodells) Murray Gell-Mann erhielt für seine schon damals (vor Einführung der QCD) zahlreichen Beiträge zur Theorie der starken Wechselwirkung bereits 1969 den Nobelpreis der Physik. Bei seinen Pionierarbeiten zur QCD arbeitete er mit Harald Fritzsch und Heinrich Leutwyler zusammen.
Am 5. Oktober 2004 wurden David Gross, David Politzer und Frank Wilczek für ihre Arbeiten zur Quantenchromodynamik der „starken Wechselwirkung“ mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Sie entdeckten Anfang der 1970er Jahre, dass die starke Wechselwirkung der Quarks schwächer wird, je näher sie sich sind. In direkter Nähe verhalten sich Quarks gewissermaßen wie freie Partikel (Asymptotische Freiheit), was die Ergebnisse der damaligen tiefinelastischen Streuexperimente theoretisch begründete.
Literatur
- Christoph Berger: Elementarteilchenphysik. Springer, Berlin 2006. ISBN 3-540-23143-9.
- Walter Greiner, Andreas Schäfer: Quantenchromodynamik. In: Theoretische Physik Bd.10. Harri Deutsch, 2007. ISBN 3-8171-1618-7.
- Harald Fritzsch: Quarks - Urstoff unserer Welt. Aktualisierte Neuausgabe. Piper Verlag, München 2006. ISBN 978-3-492-24624-8.
- Harald Fritzsch: Elementarteilchen. C.H.Beck, München 2004, ISBN 3-406-50846-4.
- Günther Dissertori u.a.: Quantum chromodynamics - high energy experiments and theory. Clarendon, Oxford 2005. ISBN 0-19-850572-8
- Pietro Colangelo u.a.: QCD@WORK - Theory and Experiment. American Inst. of Physics, Melville, NY 2001. ISBN 0-7354-0046-6
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wegner, Franz: Zum Heisenberg-Modell im paramagnetischen Bereich und am kritischen Punkt, Dissertation am Physik-Department der TU München, 1968.
- ↑ im angelsächsischen Bereich lattice QCD genannt: dazu, allgemeiner
- ↑ J. Kogut: Lattice Gauge Theory .... In: Rev. Mod. Phys.. Bd. 55, 775 (1983)
- ↑ Zum Vorigen: Referenzenliste und anderes
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