Antitrustgesetzgebung

Antitrustgesetzgebung

Kartellrecht ist ein Teil des Wirtschaftsrechts. Im engeren Sinne besteht Kartellrecht aus den Regelungen bezüglich wirtschaftlicher Kartelle, die zwischen Unternehmen und sonstigen Marktakteuren getroffen werden. Im weiteren Sinne umfasst Kartellrecht darüber hinaus alle Rechtsnormen die auf den Erhalt eines ungehinderten und möglichst vielgestaltigen Wettbewerbs gerichtet sind.

Rechtlich gesehen ist ein Kartell eine Vereinbarung oder eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen, mit dem Ziel oder der Wirkung, den Wettbewerb zu beschränken, zu verfälschen oder zu verhindern. Flankierende Normen wenden sich gegen die Erringung und den Missbrauch von Marktmacht sowie gegen die Koordination und Begrenzung des Wettbewerbsverhaltens unabhängiger Marktteilnehmer.

Gegenstände des Kartellrechts sind insbesondere:

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kartelle zwischen Unternehmen kamen verstärkt auf seit etwa 1870; sie waren eine Folge der zunehmenden Industrialisierung. Nur in den USA bildete sich frühzeitig - bereits Ende des 19. Jh. - ein Kartellrecht heraus, das diese Form unternehmerischer Zusammenarbeit grundsätzlich verbot. In der übrigen Welt waren Kartelle bis Ende des Zweiten Weltkriegs prinzipiell erlaubt. Missbrauchsfälle konnten jedoch verfolgt werden, und es gab in einigen Ländern – wie Deutschland und Italien - Kartellaufsichtsbehörden. In den 1950er Jahren wurden in Westeuropa und anderswo auf Betreiben der USA Kartellgesetze erlassen, die das strikte amerikanische Kartellverbot übernahmen. Inzwischen gilt dieses Prinzip praktisch weltweit.

Abgrenzung

Der Schutz der Lauterkeit und Fairness des Wettbewerbs ist nicht Gegenstand des Kartellrechts. Allerdings wird das Kartellrecht gemeinsam mit dem Lauterkeitsrecht üblicherweise zusammenfassend als Wettbewerbsrecht bezeichnet.

Auch das Vergaberecht ist keine Materie des Kartellrechts, obwohl es in Deutschland im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelt ist.

Verschiedene Staaten haben für kartellrechtliche Fragen in bestimmten Wirtschaftsbereichen sektorspezifische Gesetze erlassen, mit deren Durchsetzung spezifische Regulierungsbehörden betraut sind. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Telekommunikation und Elektrizität. Bei der Gesetzesanwendung gehen diese spezifischen Gesetze dem allgemeinen Kartellrecht vor. In Deutschland ist die Bundesnetzagentur die entsprechende Regulierungsbehörde für die Bereiche Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn.

In der Schweiz besteht in Bezug auf überhöhte Preise von marktmächtigen Unternehmen ein eigenes Gesetz, das Preisüberwachungsgesetz. Für seine Anwendung ist die Preisüberwachung zuständig.

Rechtsquellen

Das erste Antitrustgesetz der USA war der so genannte Sherman Antitrust Act von 1890. Dieser wurde 1914 durch den Clayton Act ergänzt, welcher wiederum mehrfach erweitert bzw. geändert wurde. Im Gegensatz zum Kartellrecht der EU kennt das US-amerikanische Recht die Möglichkeit zur Entflechtung von marktbeherrschenden Unternehmen.

Auf EU-Ebene (die Reichweite bemisst sich nach Art. 299 EG) ist das EU-Kartellrecht durch die Artikel 81 und 82 des EG-Vertrags und die davon abhängigen Bestimmungen des sekundären Gemeinschaftsrechts geregelt. Die entsprechenden Bestimmungen des sekundären Gemeinschaftsrechts sind insbesondere die Fusionskontrollverordnung im Bereich der Zusammenschlusskontrolle sowie die Verordnung (EG) 1/2003 und die Gruppenfreistellungsverordnungen im Bereich des Kartellverbots und der Missbrauchskontrolle. Im Verhältnis zum Kartellrecht der jeweiligen Mitgliedsstaaten hat das EU-Kartellrecht grundsätzlich (Anwendungs-)Vorrang, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO 1/2003. Das nationale Kartellrecht des GWB solle fortan ausschließlich in den Fällen anwendbar sein, welchen keine Bedeutung für den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zukomme. Im konkreten Ablauf soll sich das so gestalten, dass die nationalen Kartellbehörden als auch die Europäische Kommission grundsätzlich parallel zuständig sein sollen. Zur Sicherstellung der reibungslosen Kooperation zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Behörden, als auch zur Vorbeugung der uneinheitlichen Rechtsanwendung innerhalb der Europäischen Union, sind in Kapitel IV der VO 1/2003 etliche Verfahrensregeln aufgenommen worden, wobei aber der Europäischen Kommission eine federführende Funktion zugedacht wurde. Das neueingeführte Informations- und Konsultationsverfahren sei dazu nur beispielhaft erwähnt.

In Deutschland ist seit dem 01. Januar 1958 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die maßgebliche Kodifikation zum Erhalt des Wettbewerbs. Sein Anwendungsbereich erstreckt sich auf sämtliche Wettbewerbsverstöße, also die Akkumulation und den Missbrauch von Marktmacht sowie die Begrenzung des Wettbewerbsverhaltens unabhängiger Marktteilnehmer innerhalb des Geltungsbereichs der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem GWB sind grundsätzlich Kartelle verboten, jedoch erlaubnisfähig, wenn sie bestimmte Freistellungsvoraussetzungen erfüllen, wie bspw. die Mittelstandskartelle gem. § 3 GWB.

Die Ministererlaubnis (§ 42 GWB) behandelt den Fall eines Zusammenschlusses von Unternehmen, der vom Bundeskartellamt nicht freigegeben wurde. Unter bestimmten Voraussetzungen kann in diesem Fall der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie auf Antrag dennoch die Erlaubnis zum Zusammenschluss erteilen. Dabei wird vom Bundesministerium geprüft, ob Wettbewerbsbeschränkungen im Fall eines Zusammenschlusses durch gesamtwirtschaftliche Vorteile aufgewogen werden. Der Antrag auf Erteilung der Ministererlaubnis ist von den beteiligten Unternehmen innerhalb eines Monats nach Zustellung der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes zu stellen. Die Ministererlaubnis des § 42 GWB kann jedoch nicht dazu benutzt werden, ein Kartell zu legalisieren.

In Österreich bildet diese das Kartellgesetz und das Nahversorgungsgesetz.

In der Schweiz, welche nicht Mitgliedsstaat der EU ist, ist das Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober 1995 (Kartellgesetz, KG, SR 251) die massgebende Rechtsnorm. Danach sind Abreden (Kartelle) unzulässig, wenn sie den Wettbewerb auf einem Markt erheblich beeinträchtigen und sich dabei nicht durch wirtschaftliche Effizienz rechtfertigen lassen oder wenn sie den wirksamen Wettbewerb beseitigen. Bei horizontalen Mengen- Preis- und Gebietsabreden sowie bei vertikalen Abreden über Mindest- oder Festpreise sowie Gebietszuweisungen wird vermutet, dass sie den wirksamen Wettbewerb beseitigen und somit unzulässig sind (Art. 5 KG).

Durchsetzung

Gegen Kartelle können in der Regel Zivilgerichte angerufen werden. Vor allem aber ist die Durchsetzung des Kartellrechts Aufgabe der Wettbewerbsbehörden:

  • In den USA bilden die Federal Trade Commission und das US-Justizministerium die Aufsichtsbehörden.
  • In der EU sind für die Durchsetzung des EU-Kartellrechts die Europäische Kommission und die mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden gemeinsam berufen, für die Durchsetzung des nationalen Kartellrecht die staatlichen Wettbewerbsbehörden.
  • In Deutschland stellen das Bundeskartellamt und die Landeskartellämter die Wettbewerbsbehörde dar.
  • In der Schweiz fällt die Anwendung des Kartellgesetzes in die Zuständigkeit der Wettbewerbskommission. Entscheide der Wettbewerbskommission können ans Bundesverwaltungsgericht und anschließend ans Bundesgericht weitergezogen werden.
  • In Österreich bildet das Oberlandesgericht Wien das Kartellgericht erster Instanz mit den beiden Amtsparteien Bundeswettbewerbsbehörde und Bundeskartellanwalt; der Oberste Gerichtshof ist das Oberkartellgericht.

Seit einigen Jahren setzten die Kartellbehörden zur Aufdeckung und Zerschlagung von Kartellen Bonusregelungen ein: Sie bieten Unternehmen, die aus einem Kartell aussteigen wollen, einen Kronzeugen-Status und eine Ermäßigung oder den Erlass der sonst fälligen Geldbuße an. Dieses Verfahren ist durchaus erfolgreich.

Literatur

  • Freyer, Tony A.: Antitrust and global capitalism 1930–2004, New York 2006.
  • Konvergenz der Wettbewerbsrechte: eine Welt, ein Kartellrecht, Referate des XXXV. FIW-Symposions in Innsbruck 2002, Köln 2002.
  • Kling, Michael/Thomas, Stefan: Kartellrecht, München 2007.
  • Loewenheim, Ulrich (Hrsg.): Kartellrecht: Deutsches und Europäisches Recht, München 2008.
  • Müllensiefen, Heinz: Freiheit und Bindung in der geordneten Wirtschaft: Kartellgesetzgebung u. Marktordnung in d. gewerblichen Wirtschaft, Hamburg 1939.
  • Wells, Wyatt C.: Antitrust and the Formation of the Postwar World, New York 2002.

Weblinks

Normtexte

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