Antonio Salazar

Antonio Salazar
Salazar

António de Oliveira Salazar [ɐ̃ˈtɔniw dɨ oliˈvɐjɾɐ sɐlɐˈzaɾ]  anhören?/i (* 28. April 1889 in Santa Comba Dão; † 27. Juli 1970 in Lissabon) war von 1932 bis 1968 Ministerpräsident und Diktator von Portugal.

Inhaltsverzeichnis

Weg zur Macht

Salazar stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater hatte sich vom Landarbeiter zum Pächter eines kleinen Bauernhofes hochgearbeitet. Seine streng katholische Mutter konnte das Schulgeld für ihren Sohn nur mit großen Entbehrungen aufbringen. Salazar sollte zunächst Priester werden. Die damals vom laizistischen Staat (seit 1910 Republik) bedrängte katholische Kirche erkannte das ökonomische und politische Talent Salazars und ermöglichte ihm ein Studium der Ökonomie und Finanzwissenschaften an der traditionsreichen Universität Coimbra. Salazar erwies sich als einer der besten Studenten dieser Fächer.

Ursprünglich war Salazar Professor für Nationalökonomie an der Universität Coimbra. 1928 wurde er von Präsident António Oscar de Fragoso Carmona, der die erste portugiesische Republik durch eine Militärdiktatur ersetzt hatte, als Finanzminister in die Regierung geholt. Salazar machte vollständige Handlungsfreiheit über die Staatsfinanzen zur Bedingung für seinen Regierungseintritt. Die Militärregierung unter General Oscar Carmona gab Salazar die geforderten Vollmachten. Auf Parteien, Gewerkschaften und politische Stimmungen brauchte er somit keine Rücksichten zu nehmen. Bereits seit 1928 war Salazar der eigentliche Machthaber in Portugal – er hatte eine Art „Finanzdiktatur“ errichtet.

Salazar gelang es durch ein rigides Sparprogramm, den Staatshaushalt auszugleichen und sämtliche Auslandsschulden zu begleichen. Am 5. Juli 1932 ernannte ihn Carmona zum Premierminister. Seine Hauptunterstützung erhielt Salazar von den Gruppen der Gesellschaft, die des Chaos der republikanischen Ära überdrüssig waren. Für Armee, Kirche, Monarchisten, obere Mittelschicht und Aristokratie war Salazar die bessere Wahl im Vergleich zu den vorhergegangenen Juntas.

Politik als Ministerpräsident

1933 gab er Portugal eine neue Verfassung, auf deren Grundlage er ein Einparteiensystem errichtete.

Salazar verkündete den Estado Novo, den „Neuen Staat“, eine konservativ-autoritäre Diktatur. Seine Machtposition basierte auf wirtschaftlicher Stabilität und politischer Repression. Salazars Reformen bevorzugten die privilegierten Schichten auf Kosten der ärmeren Bevölkerung. Die bereits 1926 eingeführte Pressezensur verhinderte eine freie Meinungsäußerung, Streikverbot und Einschränkung der Versammlungsfreiheit verhinderten eine wirkungsvolle Opposition der Arbeiter. Politische Parteien wurden – sofern sie sich nach dem Militärputsch nicht selbst aufgelöst hatten – verboten. Dissidenten wurden von Salazars Geheimpolizei PIDE (Polícia Internacional e de Defesa do Estado = Internationale Staatsschutz-Polizei) ins Exil getrieben, in eines der berüchtigten Gefängnisse gebracht, getötet oder mundtot gemacht.

Der Salazarismus wird in der historischen Forschung meist nicht als Faschismus bezeichnet, sondern als konservativ-autoritäre Diktatur mit durchaus klerikal-faschistoiden Zügen. Zwar etablierte Salazar 1936 zwei typisch faschistische Organisationen (die bis 1974 bestehen blieben): die Legião Portuguesa, eine paramilitärische Miliz zum Schutz des Regimes nach Vorbild der deutschen SA, und die Mocidade Portuguesa, einen Jugendverband nach Vorbild der Hitlerjugend. Dennoch unterschied Salazar stets genau zwischen Autoritarismus und Totalitarismus. Totalitäre Strukturen, auch in ihrer faschistischen Ausprägung, waren ihm zuwider - er setzte nicht auf Massenmobilisierung und Indoktrinierung der Bevölkerung, sondern eher auf Unterdrückung und „Ruhigstellung“. Die Einheitspartei Nationale Union (União Nacional, UN), der er vorstand, war eher eine Antipartei oder ein Parteiersatz und erreichte nie die Bedeutung oder Dynamik anderer faschistischer Bewegungen wie etwa die NSDAP. Die Mitgliedschaft war nicht obligatorisch, auch Nichtmitglieder konnten Staatsämter bekleiden.

Salazar machte nie einen Hehl daraus, dass er Mussolini bewunderte. Vor allem in den Jahren 1936 bis 1939 (während des spanischen Bürgerkriegs) kann eine deutliche „Faschistisierung“ der Salazar-Diktatur ausgemacht werden, die nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch schrittweise wieder rückgängig gemacht wurde.

Während des Zweiten Weltkrieges steuerte Salazar Portugal auf einem Mittelweg. Er unterstützte die spanischen Nationalisten durch materielle Hilfe während des Bürgerkriegs, stellte sich jedoch im Zweiten Weltkrieg, ähnlich wie Franco, nie auf die Seite Nazi-Deutschlands. 1939 initiierte er einen iberischen Neutralitätspakt (auch geläufig unter dem Namen Iberischer Block). Er unterstützte die Alliierten, indem er ihnen – nach Geheimverhandlungen unter anderem mit George F. Kennan – ab 1943 die Azoren als Militärbasis überließ. Hätte er sich auf die Seite der Achsenmächte gestellt, hätte dies Krieg mit Großbritannien bedeutet und damit die portugiesischen Kolonien bedroht.

Salazar vermochte mit einer äußerst geschickten Neutralitätspolitik den Alliierten und den Achsenmächten Konzessionen zu machen, ohne sich auf eine Seite zu stellen. So überließ er den Deutschen Bergbaukonzessionen für Wolfram, das die Deutschen für die Herstellung von Kanonenrohren dringend brauchten. Dieses Entgegenkommen ließ sich Portugal gut bezahlen. Auf der anderen Seite überließ er den Briten und später den USA Häfen und Flughäfen auf den Azoren und Madeira. Außerdem ermöglichte Portugal den Transit von mehr als 50.000 Flüchtlingen aus dem Machtbereich des Dritten Reiches, darunter viele Juden. Ohnehin hatte Salazar niemals Anstalten gemacht, sich dem radikalen Antisemitismus der anderen rechten Diktaturen Europas anzuschließen. Etwa 30.000 der Flüchtlinge waren allerdings gegen die Anweisung Salazars durch den portugiesischen Diplomaten Aristides de Sousa Mendes nach Portugal gebracht worden.

1945 kontrollierte Portugal die Azoren, Madeira, Kap Verde, das heutige São Tomé und Príncipe, Angola, Guinea-Bissau, Cabinda und Mosambik in Afrika, Diu, Damao und Goa in Indien, Macau in China und Osttimor in Südostasien. Salazar hielt an diesem Anspruch auf die Kolonien fest, bedeuteten sie doch Prestige und wirtschaftliche Stabilität. Die Kolonien und der damit verbundene Stolz, die dritte Kolonialmacht nach Großbritannien und Frankreich zu sein, bildeten eine der Grundlagen seiner Herrschaft.

Kolonialpolitik

Nur der große Kolonialbesitz des Landes ermöglichte es, dass Portugal – wie von Salazar gewünscht – eine wichtige internationale Rolle spielte. Das Land selbst betrieb einen ideologisch begründeten „stolzen Isolationismus“ und blieb ein vom übrigen Europa abgeschotteter Staat, auf den die Westmächte nur wenig Einfluss hatten. 1949 war Portugal – unter anderem wegen seiner geostrategischen Bedeutung und seiner antikommunistischen Haltung – Gründungsmitglied der NATO. 1955 trat Portugal den Vereinten Nationen bei.

Von der Einnahme des portugiesischen Kolonialbesitzes in Indien durch die Truppen der Indischen Union im Jahr 1961 bis über den Tod Salazars hinaus wurden vor allem die afrikanischen Kolonien zu einem wachsenden Unruheherd für Portugal. Die ab 1961 aufflammenden Kolonialkriege führten schließlich zum Ende der Salazar-Diktatur. Führende Militärs, allen voran General António de Spínola, drängten auf das Ende der Kampfhandlungen, denn Spínola hatte erkannt, dass die Kriege in Afrika nicht zu gewinnen waren.

Ende der Herrschaft

1968 setzte ein Schlaganfall Salazars Herrschaft ein Ende. Präsident Américo Tomás sah sich gezwungen, Marcello Caetano zu dessen Nachfolger zu ernennen. Bis zu seinem Tod im Juli 1970 lebte Salazar in seinem Haus in seiner Geburtsstadt Santa Comba Dão. 1974 wurde sein Estado Novo von der Nelkenrevolution hinweggefegt, die im weiteren Verlauf den afrikanischen Kolonien die Unabhängigkeit brachte.

Obwohl seine Regierung eine Diktatur war, ist Salazar in einem Teil der portugiesischen Bevölkerung bis heute populär. Eine Aufarbeitung der Herrschaft des Regimes fand sowohl juristisch als auch in der Berichterstattung der Medien kaum statt. So wurde Salazar 2007 in der Sendung „Os Grandes Portugueses“ (en, pt, etwa vergleichbar mit „Unsere Besten“) mit deutlichem Vorsprung zum bedeutendsten Portugiesen aller Zeiten gewählt.

Siehe auch

Literatur

  • Kian-Harald Karimi: 'Es wird nicht diskutiert!' Die Ordnung des Diskurses im Neuen Staat, in: Henry Thorau (Hrsg.): Portugiesische Literatur. Frankfurt/Main (Suhrkamp) 1997, S. 236-258.
  • Antonio Louçã: Nazigold für Portugal – Hitler und Salazar. Wien 2002, ISBN 3854930607
  • Paul H. Lewis: Latin fascist elites. The Mussolini, Franco, and Salazar regimes. Westport, Conn. 2002.
  • António Costa Pinto: The Salazar „New State“ and European fascism. EUI working papers in history 12, San Domenico (FI) 1991.
  • Jürgen Zimmerer: Der bestregierte Staat Europas. Salazar und sein „Neues Portugal“ im konservativen Abendland-Diskurs der frühen BRD. In: Portugal – Alemanha – Brasil. Actas do VI Encontro Luso – Alemão = Portugal - Alemanha - Portugal: 6. Deutsch-Portugiesisches Arbeitsgespräch. - Vol. 1 / Org. Orlando Grossegesse; Erwin Koller; Armando Malheiro da Silva. - Minho, S. 81-101.

Weblinks


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