Antriebsschlupfregelung

Antriebsschlupfregelung

Die Antriebsschlupfregelung (ASR), auch Traktionskontrolle genannt, sorgt dafür, dass die Räder beim Beschleunigen nicht durchdrehen. Die Traktionsregelung soll beim Anfahren mit viel Gas („Kavalierstart“) oder bei schlechtem Untergrund wie Eis, Schnee, Rollsplitt, nassem Kopfsteinpflaster (wenig Haftreibung) verhindern, dass ein oder mehrere Räder durchdrehen und das Fahrzeug seitlich ausbricht. Gegenstück ist die Motor-Schleppmoment-Regelung (MSR), die bei abrupter Gaswegnahme eine Fahrzeug-Instabilität vermindern soll.

Das System hat bei vielen Herstellern unterschiedliche Bezeichnungen:

  • Mercedes als erster Anwender benutzt Antriebs-Schlupf-Regelung (ASR)
  • Volkswagen ebenfalls (ASR)
  • Audi (ASR)
  • Fiat ebenfalls (ASR)
  • BMW - ASR als Teil der Dynamic Stability Control (DSC), erweitert durch eine auf Vortrieb optimierte Variante des DSC, genannt Dynamic Traction Control (DTC)
  • Nissan: Traction Control System (TCS)
  • Mazda: Traction Control System (TCS)
  • Opel/GM: Traction Control Support System (TCSS)
  • Porsche: ASR als Teil des Porsche Stability Management (PSM)
  • Toyota: Traction Control (TRC)
  • Volvo: Traction Control System (TRACS)

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

ASR tritt dann ein, wenn die Räder beim Anfahren eines Fahrzeuges anfangen durchzudrehen, d.h sie haben keine bzw. nur wenig Haftung auf der Straße. Droht ein zu starker Schlupf der Antriebsräder, wird das Antriebsmoment durch gezielten Brems- oder/und Motormanagementeingriff reguliert. Das Regelsystem, das seine Informationen u. a. über die Antiblockiersystem-Raddrehzahlsensoren erhält, gewährleistet damit Traktion und Fahrstabilität während der Beschleunigungsphase sowohl auf gerader Strecke als auch bei Kurvenfahrt. Voll ausgebildete ASR-Systeme kommen in ihren angestammten Betriebsbereichen schon sehr nahe an das Elektronisches Stabilitätsprogramm heran, ersetzen dieses jedoch nicht. Eingriffe in die Bremse finden im unteren Geschwindigkeitsbereich statt, um die Traktion zu optimieren. Der Motoreingriff bringt generell die Fahrstabilität über den gesamten Geschwindigkeitsbereich. Weil bei einigen Herstellern der Regeleingriff meist etwas grob erfolgt und außerdem die Bremse belastet, werden solche Systeme bei höheren Geschwindigkeiten in der Regel abgeschaltet. In engen Grenzen (Anfahren) kann ASR die Funktion eines Sperrdifferentials übernehmen.

Es war das erste Fahrerassistenz-System, das unabhängig vom Fahrer Bremsdruck aufbaute. Dieses sorgte für eine angemessene Fahrstabilität in kritischen Fahrsituationen.

Funktion

Während der Fahrt überwachen die Drehzahlsensoren zusammen mit dem Steuergerät das Schlupfverhalten der Antriebsräder (egal ob Front-, Heck- oder Allradantrieb). Wenn der Fahrer mehr Gas gibt, erhöht sich das Drehmoment und folglich auch das Antriebsdrehmoment an den Rädern, der Radschlupf steigt. Bei einem Radschlupf von etwa 10 bis 20 % erreicht der Kraftschlussbeiwert auf trockener Fahrbahn ein Maximum, die vom Reifen übertragbaren Umfangskräfte erreichen ihr Maximum.

Wird das Antriebsdrehmoment weiter erhöht, so fällt der Kraftschlussbeiwert ab, das übertragbare Drehmoment sinkt und mindestens ein Rad neigt zum Durchdrehen. Abhängig von Straßenbelag und Schlupfrate können auch beide Räder betroffen sein. Durch den mit zu hohem Umfangsschlupf einhergehenden Verlust an Seitenführungspotential kann das Fahrverhalten auch instabil werden. Jetzt wird ASR aktiv und regelt das Antriebsmoment an den Rädern mit mehreren Maßnahmen.

Einige ASR Systeme berücksichtigen auch den Lenkwinkel.

Antriebsschlupfregelung durch Bremseneingriff

Einfache ASR-Systeme haben meist nur Zugriff auf die Bremse. Da die mechanischen Komponenten bereits durch das Antiblockiersystem (ABS) vorhanden sind, ist das ASR eine Software- und Hardwareerweiterung des ABS und kann jedes Antriebsrad einzeln abbremsen. Ein solcher Eingriff ist nur für die Räder erforderlich, die angetrieben werden. Das zu schnelle Rad wird dabei abgebremst und das andere Rad erhält dadurch mehr vom Antriebsmoment. Der Bremseingriff erfolgt dabei ohne die Mitwirkung des Fahrers. Das ABS wird dafür mit einem zusätzlichen Umschaltventil vom normalen Bremsbetrieb auf ASR-Betrieb umgestellt. Die Rückförderpumpe des ABS saugt vom Hauptbremszylinder Bremsflüssigkeit an und erzeugt den ASR-Systemdruck.

Nachteilig wirkt sich eine aktive ASR-Regelung bei längeren Fahrten speziell im Offroadbereich aus: die Bremsscheiben oder -trommeln können sehr heiß werden, ohne dass man selbst jemals gebremst hat.

Antriebsschlupfregelung über Eingriff in die Motorsteuerung

Hier erfolgt ein Eingriff in das Motormanagement. Durch Reduktion des Motordrehmoments wird dem Durchdrehen eines angetriebenen Rades oder der ganzen Antriebsachse entgegengewirkt. Dies ist möglich, wenn der Motor entweder keine mechanische Verbindung vom Fahrpedal zur Drosselklappe (Ottomotor) bzw. Einspritzpumpe (Dieselmotor) hat oder beim Ottomotor eine zweite Drosselklappe für das ASR verbaut ist.

Im ersten Fall übernimmt die Aufgabe der Leistungsreduzierung ein elektronisches Gaspedal. Diese E-Gas-Funktion behandelt Befehle der ASR vorrangig vor dem Fahrerwunsch. Registriert ASR zu großen Antriebschlupf, verstellt das Motorsteuergerät beim Ottomotor die Drosselklappe sowie die Zündwinkel und blendet einzelne Einspritz- und Zündsignale im Einspritzsystem aus. Beim Dieselmotor wird entweder der Verstellhebel der Einspritzpumpe oder bei Motoren mit Common-Rail mit Hilfe einer Momentschnittstelle über den CAN-Datenbus durch das Motorsteuergerät die Kraftstoffmenge auf Anforderung der ASR reduziert. In beiden Fällen verringert sich dadurch das überschüssige Motor- und Antriebsmoment.

Kombinierte Regelung

Hier erfolgen sowohl Eingriffe über die Bremsanlage als auch über das Motormanagement.

Geschichte

Bereits der 1939 unter Federführung von Ferdinand Porsche gebaute Mercedes-Benz T 80 war mit einer Vorrichtung zur Vermeidung von Radschlupf versehen. Als Massenprodukt wurde nach der Einführung des ABS dieses System weiterentwickelt zum ASR.

Mit Einzug des ESP ist ASR zum festen Bestandteil in der Fahrzeugregelung geworden. ASR ist die Basis für die nachfolgenden ESP-Systeme, die zusätzlich über eine Sensorik und einen bremsenden Eingriff an den nicht angetriebenen Rädern zur Fahrzeugstabilisierung beitragen. Mit zunehmender Komplexität solcher elektronischer Systeme ist damit zu rechnen, dass Wartung und Unterhalt zur gesetzlichen Pflicht werden, wie dies bei Flugzeugen schon lange der Fall ist.

Die Bezeichnungen des ASR variieren je nach Hersteller, zusätzlich wird häufig auch zwischen einzelnen ASR Systemen unterschieden, z. B.

  • bei BMW: Automatic Stability Control (ASC) = alleiniger Eingriff in das Motormanagement; ASC+T = kombinierte Regelung
  • bei Mercedes: Elektronisches Traktions-System (ETS) = alleiniger Eingriff über die Bremsanlage; ASR = kombinierte Regelung

Markteinführung Pkw

1971 führte die Buick Division des General Motors-Konzerns eine Antriebsschlupfregelung namens 'MaxTrac' ein. Erstmals war es mit einem frühen Computer-System ausgestattet, welches durchdrehende Räder erkennen und die Kraft entsprechend auf der Hinterachse verteilen konnte. 'MaxTrac' war als Zubehör für alle Full-Size-Modelle von Buick (Riviera, Estate Wagon, Electra 225, Centurion und LeSabre) erhältlich. Weniger erfolgreich war das 'Traction Monitoring System' (TMS) von Cadillac, das 1979 für den Eldorado angeboten wurde. Kritik erregten eine lange Reaktionszeit und eine hohe Fehleranfälligkeit. Bei den vorgenannten Systemen handelt es sich jedoch nicht um eine Antriebsschlupfregelung aus heutiger Sichtweise, sondern lediglich um ein elektronisch gesteuertes Sperrdifferential. [1]

1987 brachte Mercedes die erste Antriebsschlupfregelung nach heutiger Sichtweise in Modellen der Baureihe W 126 mit V8-Motor (S-Klasse) auf den Markt; 1979 wurde im Vorgängermodell W 116 das elektronisch geregelte ABS eingeführt.

Markteinführung Motorrad

1996 (1992[2]) führte erstmals Honda bei seinem Modell Pan European die Traktionskontrolle ein. Aktuell (Stand November 2010) sind BMW R 1200 GS, BMW S 1000 RR, Ducati 1198 S, Kawasaki 1400 GTR, MV Agusta Brutale 1090, Yamaha XTZ 1200 und Aprilia RSV4 Factory APRC damit ausgerüstet. Die Systeme basieren auf unterschiedlichen Prinzipien. Entweder durch Messung des Hinterrad-Drehzahlanstiegs (MV Agusta), Raddrehzahlabgleich von Vorder- und Hinterrad (BMW, Ducati, Kawasaki, Yamaha) oder Raddrehzahlabgleich und Schräglagensenorik (BMW S 1000 RR), reagiert die Elektronik mit einem Eingriff auf Drosselklappe und Motormanagement. Die Reaktionszeiten des Systems liegen zwischen 0,05 und 0,16 Sekunden, resp. eine halbe Radumdrehung.[3]

Literatur

  • Hans Jörg Leyhausen: Die Meisterprüfung im Kfz-Handwerk 1. 1. 12 Auflage, Vogel Buchverlag, Würzburg, 1991, ISBN 3-8023-0857-3
  • Karl-Heinz Dietsche, Thomas Jäger, Robert Bosch GmbH: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. 25. Auflage, Friedr. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden, 2003, ISBN 3-528-23876-3

Einzelnachweise

  1. Jan P. Norbye, Jim Dunne: The Truth about limited-slip differentials. In: Popular Science (ISSN 0032-4647), Bd. 195, H. 5, November 1969, S. 118-123
  2. bikers journal: Honda ST 1100 Pan European
  3. MOTORRAD Nr. 23 vom 29. Oktober 2010, Seite 30 ff

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