- Marienkirche Frankfurt (Oder)
-
Die St. Marienkirche in Frankfurt (Oder) ist die ehemalige Hauptpfarrkirche der Stadt und wurde in über 250 Jahren mittelalterlicher Bautätigkeit errichtet. 1253, nach der Stadtgründung, entstand der Ursprungsbau mit einer der frühesten Emporen der Mark Brandenburg.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte bis zum Zweiten Weltkrieg
Ab 1360/70 wurde anstelle des ursprünglichen Chores ein Hallenumgangschor errichtet. Gleichzeitig wurde am nördlichen Querschiff eine polygonale Eingangshalle mit einem Sandsteinportal angebaut. Im 15. Jahrhundert wurde dann das Langhaus auf fünf Schiffe erweitert. Die äußeren Schiffe erhielten repräsentative, bemalte Attiken. Die Zweiturmfassade wurde um 1450 um vier Geschosse aufgestockt. Den Nordturm bekrönte ein Achterhelm, den Südturm ein Zinnenkranz mit Turmhelm. Mit der Gründung der Universität Viadrina entstand mit dem Neubau der Sakristei mit Empore 1521/22 die letzte bedeutende Erweiterung des Kirchenbaus. Das Kirchengebäude gehört zu den größten Gebäuden der norddeutschen Backsteingotik, es ist 77 Meter lang und 45 Meter breit. Am 15. Mai 1826 stürzte der Südturm der Kirche ein, woraufhin sich Karl Friedrich Schinkel entschloss, eine gotische Schauwand aus dem 13. Jahrhundert komplett abzumauern. Die Wand geriet in Vergessenheit und wurde erst in den 1990er Jahren bei Instandsetzungsarbeiten wieder entdeckt.[1] Die Instandsetzung der Kirche überließ Schinkel seinem Schüler Emil Flaminius; der zerstörte Südturm wurde dabei nicht wiederhergestellt.
Eine Besonderheit sind die drei großen Bleiglasfenster, die zwischen 1360 und 1370 entstanden. Die im Stil der Gotik gefertigten Fenster bestehen aus insgesamt 117 Bildern, die jeweils 83 mal 43 Zentimeter groß sind und von Bürgern der Stadt finanziert wurden. In einer Art Bilderbibel stellen die Fenster die Schöpfungsgeschichte der Welt, das Leben von Adam und Eva, den Bau der Arche Noah, das Leben Christi und die Antichristlegende dar. 1943 – während des Zweiten Weltkrieges – wurden die Bleiglasfenster der Kirche zum Schutz vor Zerstörung im Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci eingelagert. Sie wurden nach Kriegsende zur Zwischenlagerung in das Kriegsbeutelager 1 der Roten Armee auf dem Zentralvieh- und Schlachthof in Berlin gebracht, wo sie sich bis zum 14. August 1946 befanden und dann nach Leningrad verbracht und dort eingelagert wurden[2]. Mit der Zerstörung der Frankfurter Innenstadt im April 1945 wurde auch die St. Marienkirche zur Ruine. Trotz mehrerer Notsicherungen kam es zu weiteren Teileinstürzen.
Nachkriegszeit
Die Sakristei und der Martyrchor wurden 1958 durch die Kirchengemeinde St. Marien mittelentsprechend rekonstruiert, der Mittelschrein des Altars wurde aufgestellt und die Räumlichkeit feierlich in Nutzung genommen. Auf Grund eingeschränkter Heizung konnte der Gottesdienst nur im Sommer stattfinden. Die evangelische Kirchengemeinde und der damalige Rat der Stadt Frankfurt schlossen am 27. September 1974 einen Pachtvertrag zur weiteren Nutzung der Kirche. Die Stadt übernahm die Verpflichtung, die Ruine für allgemein gesellschaftliche Zwecke zu restaurieren und auszubauen. 1979 begann die abschnittsweise Sicherung und Instandsetzung. Die Sakristei wurde restauriert und in Nutzung genommen.
1990 ging der Wiederaufbau weiter, 1998 erfolgte die Wiedererrichtung der Hauptdächer über Chor und Langhaus, der 21 Meter hohe Dachstuhl ist der größte Holzdachstuhl, der im 20. Jahrhundert errichtet wurde. Die letzte Maßnahme war die Instandsetzung des Nordturms mit der Wiederherstellung der farblichen Fassade der Entstehungszeit. Kunstschätze der ehemals reichen Ausstattung der Marienkirche, wie der Marienaltar von 1489, die Bronzetaufe und Bronzeleuchter Ende des 14. Jahrhunderts, sowie viele von den Bürgern gestiftete Epitaphe sind seit 1980 in der Sankt-Gertraud-Kirche (Frankfurt (Oder)) aufgestellt.
Über den Verbleib der wertvollen Bleiglasfenster war lange Zeit nichts bekannt, sie galten als verschollen. Erst 1997 wurden 111 der 117 Felder in den Archiven der St. Petersburger Eremitage wiederentdeckt. Als eines der wenigen russischen Beutekunststücke überhaupt wurden die Fenster im Juni 2002 zurückgegeben. Sie wurden nach und nach restauriert und am 29. Juni 2007 wieder eingeweiht. Die verbliebenen sechs Felder wurden im Moskauer Puschkinmuseum entdeckt, über eine Rückgabe wurde seit März 2007 verhandelt, im November 2008 wurden sie der deutschen Botschaft in Moskau übergeben und sind seit dem 15. November 2008 in die Marienkirche zurückgekehrt.[3][4] Auf den Bleiglasfenstern ist auch eine Darstellung des Antichrists wiedergegeben, eine Darstellung die nur selten in Kirchen zu finden ist.
Ebenfalls 2002 wurde die Kirche mit einem 38.000 Euro teuren Brandschutzsystem ausgestattet[5]. Im Mai 2006 wurde der Weg vor dem Westportal neu gepflastert. Dafür wurden historische Granitsteine aus dem Depot des Tiefbauamtes verwendet. Weiterhin gab es sogenannte Spendensteine welche mit dem Namen von Spendern versehen waren. Diese Steine kosteten 75 €, davon wurden 25 € für die Herstellung verwendet und der Rest für die Restaurierung der Kirche.[6]
Die Glocken der Kirche gibt es, bis auf die mittlere, nicht mehr. Das Geläut wird von einer Elektronik und Lautsprechern übernommen.[7] Die erhaltene über vier Tonnen schwere Glocke befindet sich am Fuß der Kirche. Gegossen wurde die Glocke 1426 und sie schlägt den, für ihre Größe sehr seltenen, Ton D. 2007 wurde die Glocke nach Nördlingen zur Reparatur gebracht welche 2009 beendet sein soll.[8]
Bibliothek
Die Marienkirche verfügt über eine eigene Bibliothek, welche 972 Bände umfasst, 816 davon aus der Zeit von 1430 bis 1850. 1932 wurde erwähnt, dass die Bibliothek über 5.000 Werke verfüge, im April/Mai 1945 wurden davon aber etwa 90 Prozent vernichtet. Das älteste Buch ist aus dem Jahre 1430 und ist ein Messbuch, welches auf Pergament verfasst wurde. Das Buch wurde wahrscheinlich auch in Frankfurt (Oder) geschrieben.[9]
Literatur
Die Datenbank des internationalen Schrifttums über die Beutekunst (frei zugänglich) enthält mehrere hundert Literaturhinweise zum Schicksal der Frankfurter Kirchenfenster in und nach dem Zweiten Weltkrieg (Als Suchbegriffe eingeben: Marienkirche, Kirchenfenster, Bleiglasfenster, Glasmalerei oder ähnl.)
- Frank Mangelsdorf (Hrsg.), Der gläserne Schatz, Berlin 2007, ISBN 978-3-360-01909-7.
- Frank Mangelsdorf (Hrsg.), Der gläserne Schatz : die Bilderbibel der Marienkirche in Frankfurt (Oder), Berlin 2005, ISBN 3-360-01265-8.
Weblinks
Commons: Marienkirche Frankfurt (Oder) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- St. Marienkirche zu Frankfurt (Oder) - Homepage des Fördervereins der St. Marienkirche Frankfurt (Oder) e.V.
- Die mittelalterlichen Glasfenster der St. Marienkirche in Frankfurt (Oder) - zur Restaurierung der Fenster der St. Marienkirche
- Eintrag zur Kirchenbibliothek St. Marien im Handbuch der historischen Buchbestände
Fußnoten
- ↑ Antje Scherer in Märkische Oderzeitung/Frankfurter Stadtbote,Comic aus dem Mittelalter, 9. Okt. 2009
- ↑ MDR.de: Die Marienkirche und die Bleiglasfenster. http://www.mdr.de/kultur/175171.html, 31. März 2006
- ↑ Der Tagesspiegel: Duma gibt sechs gotische Kirchenfenster frei. http://www.tagesspiegel.de/kultur/Beutekunst;art772,2463817, 26. Januar 2008
- ↑ http://www.moz.de/index.php/Moz/Article/category/Frankfurt%2B%2528Oder%2529/id/254672 Märkische Oderzeitung vom 17. November 2008: Scheiben-Sextett wartet auf den Empfang
- ↑ Märkische Oderzeitung/Frankfurter Stadtbote, 21. Sept. 2006, S. 14
- ↑ Kaiser, Frank, Märkische Oderzeitung/Frankfurter Stadtbote, 13./14. Mai 2006, S. 17
- ↑ Märkische Oderzeitung/Frankfurter Stadtbote, 22. Juni 2006, S. 13
- ↑ Märkische Oderzeitung, 20. November 2008 Marienglocke kehrt erst 2009 zurück
- ↑ Märkische Oderzeitung/Frankfurter Stadtbote, 14. Oktober 2005, S. 13
52.34305555555614.554444444444Koordinaten: 52° 20′ 35″ N, 14° 33′ 16″ OKategorien:- Kirchengebäude in Frankfurt (Oder)
- Kirchengebäude der Backsteingotik in Brandenburg
- Marienkirche in Brandenburg
- Baudenkmal in Frankfurt (Oder)
Wikimedia Foundation.