Stadtgründung

Stadtgründung

Eine Gründungsstadt ist eine Stadt, deren Entstehung auf einen konkreten Gründungsakt zurückgeht. Die Ansicht, dass eine Stadt aus einer kleinen Siedlung langsam herangewachsen ist, ist hier in den meisten Fällen falsch.

Wellen von Stadtgründungen gab es in vielen Epochen, zum Beispiel

Im Folgenden sollen die mittelalterlichen Stadtgründungen im Heiligen Römischen Reich näher betrachtet werden.

Inhaltsverzeichnis

Gründungsstädte des Mittelalters

Maximilianstraße in Speyer, monumentale Gründungsachse der Stadt

Bis etwa 1100 gab es auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches nur wenige Städte, die entweder auf römische Stadtgründungen zurückgingen, oder aus größeren Haufendörfern gewachsene Städte, beispielsweise Soest, und einige gegründete Handelsplätze wie Haithabu/Schleswig. Speyer wurde um 1030 mit einem monumentalen Straßenmarkt (Via Triumphalis) angelegt und gilt als früheste geplante Stadt des Mittelalters in Deutschland.

Kurz darauf setzte eine Welle von Stadtgründungen ein, in der der weitaus überwiegende Anteil der heute vorhandenen Städte entstanden ist. Ausgangspunkt war die Gründung der Stadt Freiburg im Breisgau im Jahr 1118 durch Herzog Berthold III. von Zähringen, der ihr 1120 das Marktrecht sowie ein Stadtrecht mit weitgehender Selbstverwaltung zusprach. Das Stadtgebiet wurde zur Gründung mit einem geregelten Straßennetz versehen und in einzelne Grundstücke parzelliert. Zur Gestaltung des Stadtgrundrisses gibt es neue Hypothesen, die weiter unten vorgestellt werden. Viele Städte wurden neben einem älteren Bauerndorf wie in Göttingen oder einer präurbanen Markt- und Burgmannensiedlung angelegt wie in Posen (Poznań). Anderswo wurde ein bestehender Handelsplatz rechtlich aufgewertet wie in Bremen. Wo die Stadtgründung einem Herrschaftswechsel folgte, konnte die Neugründung auch mehrere Kilometer vom Vorgängerort entfernt sein, so Lübeck flussaufwärts des slawischen Handelsplatzes Liubice.

Durch den Erfolg der Gründungsstadt Freiburg motiviert gründeten die Zähringer Herzöge viele weitere Städte in ihrem Territorium wie Rottweil, Villingen und Bern. Andere Herrscher folgten diesem Beispiel, und die Gründungswelle dehnte sich über das gesamte Reich aus.

Das Konzept der mittelalterlichen Stadtgründung als Stiftung war wirtschaftlicher Natur. Der Landesherr investierte in Infrastruktur und Befestigung der neuen Stadt und lockte den Neubürger durch Privilegien wie Entlassung aus der Leibeigenschaft und Selbstverwaltung in die Stadt, woher auch der Ausspruch "Stadtluft macht frei" stammt. Im Gegenzug musste der Bürger an den Landesherren Steuern entrichten. Dieses Konzept war sehr erfolgreich, die neuen Städte blühten wirtschaftlich schnell auf und wurden so zu einer wichtigen Einnahmequelle des Adels. Später überstieg der Reichtum der Bürgerschaft sogar den von Adel und Klerus, und der Adel geriet in eine finanzielle Abhängigkeit vom Bürgertum.

Eigenschaften dieser Städte waren:

Manche heute als Einheit erscheinende mittelalterliche Städte gingen auf verschiedene separate Gründungen in nächster Nähe zurück, besonder ausgeprägt in Braunschweig und Prag. Die tschechische Hauptstadt bestand aus Altstadt, Kleinseite (unter der Burg Hradschin), Neustadt, Hradschin (hinter dem Hradschin) und Josefstadt. Diese Siedlungen hatten separate Verwaltung und getrennte Infrastruktur, wie Märkte und Pfarrkirchen. Mancherorts schlossen sich die Teilstädte nach wenigen Jahrzehnten zu einem Gemeinwesen zusammen, in Prag erst nach Jahrhunderten.

Die südwestfranzösischen Bastiden wurden im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und England seit der Heirat von Henry Plantagenet mit Eleonore von Aquitanien im Jahr 1152 gegründet.

In der Toskana wurden ab dem Ende des 13. Jahrhunderts von der Republik Florenz die sogenannten Terre nuove gegründet, eine Serie fünf realisierter Gründungsstädte, als deren Prototyp San Giovanni Valdarno gilt.

Mit der deutschen Ostsiedlung im Mittelalter ging die Welle der Stadtgründung weit über die damalige Ostgrenze des Reiches hinaus.

Der Gründungsboom endete in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit den Pestwellen und dem damit einhergehenden Bevölkerungsrückgang.

In der Folgezeit sind nur noch sehr wenige Städte in Mitteleuropa neu gegründet worden.

Mittelalterliche Stadtplanung

Klaus Humpert und Martin Schenk führten Vermessungen der Grundrisse mittelalterlicher Stadtgründungen durch und kamen zu dem Ergebnis, dass deren Straßenzüge, Stadtmauern, sowie Positionen von Toren, Türmen und Brunnen durch geometrische Konstruktionen mit Lineal und Zirkel bestimmbar sind. Sie formulierten daher die These, dass Stadtgrundrisse exakt ausgemessen worden seien, bevor mit der Bebauung des Areals begonnen wurde, und zeigten dies exemplarisch an vielen mittelalterlichen Stadtgrundrissen auf. Bisher ungeklärt ist die Motivation der Stadtgründer und -planer, geometrische Konstruktionen aus Kreisbögen, Dreiecken und verschiedenen Achsen zu verwenden.

Da die aufwendige "Konstruktion" einer Gründungsstadt wie z.B. Esslingen am Neckar oder Speyer eine schriftliche Fixierung der Konstruktion voraussetzt, steht der These von Humpert und Schenk die u.a. von Prof. Günther Binding getroffene Feststellung entgegen, dass es vor 1450 (?) keinerlei Nachweise einer schriftliche Bauplanung gegeben hat (Lit.: Binding).

siehe auch

Literatur

  • Klaus Humpert, Martin Schenk: Entdeckung der mittelalterlichen Stadtplanung. Das Ende vom Mythos der "gewachsenen Stadt". Theiss, Stuttgart 2001, ISBN 3-8062-1464-6
  • Günther Binding, Susanne Linscheid-Burdich, Julia Wippermann: Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter nach den Schriftquellen bis 1250. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-5341-5489-4

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