Arachosien

Arachosien
Arachosien als Satrapie im Achämenidenreich 500 v. Chr.
Arachosien, ca. 300 v. Chr.

Arachosien war ein historisches Gebiet und eine Provinz im Südosten des antiken Perserreichs und anderer antiker Reiche. Arachosien lag im Süden des heutigen Afghanistans und im angrenzenden Pakistan. Im Zentrum Arachosiens wurde von Alexander dem Großen die Stadt Kandahar gegründet.[1]

Inhaltsverzeichnis

Name

Das antike Gebiet wird im avestischen Vendidâd als Haraxvaitī (das -axᵛa- ist nicht-avestischer Herkunft) und im vedischen Sanskrit als Sarasvatī (Bedeutung: Reich an Teichen) bezeichnet und war damit ein mythischer Weltfluss vergleichbar mit Anahita.[2] In der Behistun-Inschrift wird Arachosien auf altpersisch Harauvatiya und Harahuvatiš bezeichnet und mit einer Revolte gegen seinen Großherrn Dareios I. in Zusammenhang gebracht. In der elamischen Sprache wird die Region als Ha(r)-ra-u-ma-ti-iš, Ha(r)-ru-ma-ti-iš, hyrwty u. ä. wiedergegeben und in der aramäischen Sprache als Haraxvatī, sowie in babylonisch als KUR a-ru-ha-at-ti und a-ru-hat.[3][4]

Unter Arachosia (latinisierte Form des griechischen Arachōsíā) wurde das Gebiet erst bekannt, nachdem Alexander der Große das persische Achämenidenreich erobert hatte und sich auch in diesem Gebiet Griechen ansiedelten. Bei Ptolemäus und Strabon[5] ist neben vielen anderen Städten auch den Namen einer Hauptstadt und eines Flusses überliefert, die beide Arachotus genannt wurden. Der Fluss ist mit dem Arghandab-Fluss zu identifizieren.[6]

Die Araber und andere westliche Historiker und Geografen benutzten die Bezeichnungen Arokhaj, Rokhaj, Al-rokhaj, Roh Kaj oder kurz Roh für ganz Arachosien

Lage

Arachosien war ein Gebiet, welches sich auf dem Boden des heutigen Afghanistans und Pakistans ( genauer Balutschistan) befand und reichte womöglich sogar teilweise bis zum Indusfluss.[7] Eine genaue Ortung seiner Grenzen ist bis heute nicht ganz möglich. Nach Überlieferungen einiger griechischen Chronisten und Historiker waren Arachosiens Nachbarländer im Westen Drangiana, Sattagidien, Maka, im Süden Gedrosien, im Norden Gandhara, womöglich auch Baktrien, wobei es keine Beweise gibt, dass das Kabultal zu Baktrien gehörte trotz der extrem ähnlichen Kultur und Sprache, und im Osten Sindhu (das heutige Sindh). Die größte Stadt der Region ist bis heute Kandahar (Iskandar - Alexander), das von Alexander dem Großen als Alexandrien in Arachosien gegründet wurde. Von Claudius Ptolemäus wissen wir, dass die Griechen noch weitere Städte in Arachosien erbauen ließen.

Isidoros von Charax wird oft zitiert, weil er Arachosien im 1. Jahrhundert v. Chr. beschrieb. Er erwähnte die griechische Bevölkerung und Städte, die wohl aus der Zeit der Gräko-Baktrer und Indo-Griechen stammen.

Bewohner

In Arachosien waren in der Antike viele Ethnien beheimaten, darunter iranischen sowie nicht-iranischen Völker. Die bedeutendste Ethnie waren die sogenannten Eoritae/Arattas/Aroras, auch Arokha oder auch Roh genannt. Daneben gab es noch die Ethnien der Rhoplutäer, der Sidris/Satris und der sogenannten Parsaetäer. Überraschenderweise kommen all diese Stämme in den Überlieferungen von Herodot nicht vor, genauso wenig der Name der Region als Arachosien oder die Bevölkerung als Arachosier, wahrscheinlich jedoch sind sie mit den Thaminäern (griech.: Thaminaei) zu identifizieren, was darauf hinschließt, dass es zwischen den Ethnien wohl Machtkämpfe gab und die alte Führungsschicht, die Thaminäer, durch eine neue, dem Stamm der Arachosier, abgelöst wurden. Ein Hintergrund hierzu könnte der Alexanderzug gegen Persien und weitere vorherige Kriege gegen das Perserreich gewesen sein, wodurch im Osten das Perserreich stark ins Wanken kam und ein Machtvakuum entstand. Ein weiterer antiker und religiös bedeutender Stamm in Nordwestarachosien waren die vedasprechdende Pakhas/Paktas/Pakat (Herodot nennt sie Paktyans), wohl die Vorfahren der heutigen dardischen Paschais, die unter anderem von Marco Polo[8] und Babur dem Moghulkaiser erwähnt und als bedeutende Hindubevölkerung Khorasans bezeichnet werden. Andere Völker waren die iranischen Ormuren und andere einst weit verbreitete Völker wie die Gawars, die heute nur noch Minderheiten sind.

Heute leben nur noch sehr wenige der ursprüngliche Bevölkerung Arachosiens in der Region Kandahar und Umgebung, entweder weil sie nur noch sehr kleine Gruppen bilden oder weil sie mit dem Aufkommen des Islams und der Islamisierung ihre Gebiete verlassen haben. So verließen die ersten Eoritae Kandahar zwischen den 8. und dem 10. Jahrhundert und flüchteten nach Indien um den islamisierten Ghaznawiden und Persern zu entkommen, die zum Teil sich in ihren Gebieten ansiedelten, soweit nicht alle Hindus und Buddhisten islamisiert wurden.

Geschichte

Der Norden und Nordwesten Arachosiens waren Teil des Medischen Reiches bevor es 550 v. Chr. eine Satrapie des Achämenidenreiches wurde. Alexander der Große eroberte Arachosien während seiner Eroberung Persien in den 320ern v. Chr. und gründete dabei Kandahar. Die Region wurde später Teil des Seleukidenreiches, das dann 305 v. Chr. zum Zwecke einer Allianz an das Maurya-Reich abgetreten wurde. Die Shunga-Dynastie vertrieb die Mauryas 185 v. Chr., aber sie verloren kurz darauf Arachosien an das Griechisch-Baktrisches Königreich. Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. wurde es Teil des Indo-Griechischen Reiches.

Die Indo-Skythen vertrieben die Indo-Griechen Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr., verloren aber selber die Region im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. an die Parther und Indo-Parther. Das Kuschanreich vertrieb später die Parther und herrschte hier, bis es 230 von den persischen Sasaniden besiegt wurde. Die Sasaniden setzten Vasallen bzw. Familienmitglieder ein, die als Kuschanschahs bekannt waren. Um 360 wurden die Kuschanschahs von den Chioniten unterworfen, die wiederum Ende des 4. Jahrhunderts von den Kidaritendynastie verdrängt wurden. Die Kidariten ihrerseits wurden um 470 durch die Hephthaliten ersetzt, die um 560 durch eine Allianz von Sasaniden und Türken besiegt wurden. Arachosien wurde Teil des überlebenden Kuschano-Hephtalitischen Reiches von Kapisa, dann Kabul, bevor es – von einheimischen Lokalfürsten mit dem Titel „Zunbil“ regiert – wiederholt von den muslimischen Arabern sowie den Saffariden, Tahiriden und Samaniden angegriffen und mehrfach auch erobert wurde. Um 870 wurden die Kuschano-Hephtaliten, die auch als Turki-Shahi-Dynastie bekannt waren, von den Hindu-Shahi ersetzt. Später, im frühen 11. Jahrhundert, fiel Arachosien an die Ghaznawiden.

Religion

Bis zur Ankunft des Islam im 7. Jahrhundert waren große Teile Arachosiens buddhistisch und zum Teil auch hinduistisch geprägt.

Einzelnachweise

  1. Alexandria Arachosia
  2. Lommel 1954:405-413
  3. cf. R. A. Bowman, Aramaic Ritual Texts from Persepolis, Chicago, 1970, S. 192b
  4. DSf 39, XPh 16 and Persepolis tablets; see R. T. Hallock, Persepolis Fortification Tablets, Chicago, 1969, p. 691a
  5. Strabo 11.8.9, eis Arachōtoùs tḕn pólin; Pliny, op. cit., 6.61 Arachosiorum oppidum
  6. Meyers Lexikon, 1905, Arachosien: "Alexandreia Arachoton, das jetzige Kandahar": Alexandreia Arachoton=Alexandria in Arachosien
  7. Arachosien. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica (englisch, inkl. Literaturangaben)
  8. ...wahr ist, dass es zehn gute Tagereisen von Badascian (Badakhschan] gen Mittag eine Provinz im Osten mit Namen Pasciai gibt, wo sie eine eigene Sprache haben. Die Leute sind Götzendiener, sie beten Götzen an, und es sind braune Leute. Sie wissen manche Zaubereien und Teufelskünste, und sie rufen die ganze Zeit Dämonen an. Die Männer tragen an den Ohren Ringe und Reifen aus Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen, je nach ihrem Vermögen und sehr geschickt gearbeitet. Es sind sehr übelgesinnte und arglistige Kerle, grausam raffiniert in ihren Gebräuchen...

Literatur

  • Richard Nelson Frye: The Heritage of Persia. World Publishing company, Cleveland, Ohio 1966.
  • John E. Hill: The Western Regions according to the Hou Hanshu. Draft annotated English translation. 2004; online
  • John E. Hill: The Peoples of the West from the Weilue 魏略 by Yu Huan 魚豢: A Third Century Chinese Account Composed between 239 and 265 CE. Draft annotated English translation. 2004; online
  • Wilhelm Tomaschek: Arachosia. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II,1, Stuttgart 1895, Sp. 368–369.
  • Arnold J. Toynbee: Between Oxus and Jumna. Oxford University Press, 1961.
  • W. Vogelsang: Early historical Arachosia in South-east Afghanistan; Meeting-place between East and West. In: Iranica antiqua 20 (1985), S. 55-99.

Weblinks


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