- Armand Borel
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Armand Borel (* 21. Mai 1923 in La Chaux-de-Fonds, Schweiz; † 11. August 2003 in Princeton, USA) war ein Schweizer Mathematiker.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Werk
Borel studierte an der ETH Zürich bei den Topologen Heinz Hopf und Eduard Stiefel und war dort 1947–1949 Assistent. 1950 war er Professor in Genf. Ab 1949 war er in Paris bei Henri Cartan und Jean Leray mit einem CNRS Stipendium, wo er die Spektralsequenzen von Jean Leray auf die Topologie der Lie-Gruppen und ihrer klassifizierenden Räume („classifying spaces“) anwandte. Diese Räume klassifizieren Faserbündel (in der Physik Eichtheorien) mit Lie-Gruppen G als Strukturgruppen. Die Kohomologiegruppen dieser Räume liefern die charakteristischen Klassen, z. B. im Fall der unitären Gruppen die Chern-Klassen.
In Frankreich wurde er auch Mitglied des Bourbaki-Kreises, für dessen Buch über Lie-Gruppen er hauptsächlich verantwortlich zeichnet. Dieses Buch unterscheidet sich deutlich in seinem Reichtum an „konkreten“ Details von den anderen meist sehr abstrakten Bourbaki-Bänden.
Nachdem er schon 1952–1954 in Princeton war (mit einem Zwischenstopp in Chicago 1954 bei André Weil und 1955–1957 als Professor an der ETH), wo er u. a. mit Friedrich Hirzebruch zusammenarbeitete, wurde er von 1957–1993 Professor am Institute for Advanced Study in Princeton. Daneben war er 1983–1986 Professor an der ETH und hatte außerdem zahlreiche Gastprofessuren, z. B. in Indien am Tata Institut of Fundamental Research in Bombay (1961, 1983, 1990) und in Hongkong 1999–2001.
Neben seinen Arbeiten in algebraischer Topologie und in der Theorie der Lie-Gruppen beschäftigte er sich in mit algebraischen Gruppen, wobei er u. a. mit Jacques Tits zusammenarbeitete, und mit arithmetischen Gruppen (u. a. Zusammenarbeit mit Harish-Chandra). Seine Arbeiten über algebraische Gruppen Mitte der 1950er Jahre änderten das ganze Gebiet und ermöglichten es Claude Chevalley halbeinfache Gruppen über beliebigen algebraisch abgeschlossenen Körpern zu klassifizieren. Mit Friedrich Hirzebruch im Fall der unitären Gruppe und allgemein mit André Weil zeigte er, dass sich die Charakterformeln von Hermann Weyl für die irreduziblen Darstellungen von zusammenhängenden kompakten Lie-Gruppen G aus dem Satz von Hirzebruch-Riemann-Roch ergeben, angewandt auf die (algebraische) Quotientengruppe G/T (T= maximaler Torus von G), die die Faser im Faserbündel der zugehörigen klassifizierenden Räume von G und T ist. Auf den Fasern operiert die Weyl-Gruppe der Lie-Algebra (Vertauschungsgruppe der Wurzeln), was im Falle der unitären Gruppe die symmetrische Gruppe ist, mit einer zugehörigen Zerlegung der Faser in Fahnenmannigfaltigkeiten. Die nach Borel benannte Borel-Untergruppe H einer algebraischen Gruppe ist dadurch definiert, dass der homogene Raum G/H projektiv und so „klein“ [1] wie möglich ist. Beispiel: G = allgemeine lineare Gruppe GL(n), H= Raum der oberen Dreiecks-Matrizen, wobei H eine maximal auflösbare Untergruppe ist und die „parabolischen Gruppen“ P zwischen H und G die Fahnenmannigfaltigkeiten (flag manifolds) bilden.
Gleichzeitig bewiesen Hirzebruch und Borel in ihrer Arbeit von 1958, dass ein orientierbares Faserbündel genau dann eine Spin-Struktur auf einer Mannigfaltigkeit definiert, falls die zweite Stiefel-Whitney-Klasse des Bündels verschwindet.
Auf dem Gebiet der Gruppentheorie und ihrer Anwendung in der Zahlentheorie (z. B. im Sinne des Langlands-Programms) arbeitete er auch mit Jean-Pierre Serre zusammen. Mit diesem verfasste er auch einen Aufsatz, in dem Grothendiecks Verallgemeinerung des Riemann-Roch Theorems erstmals publiziert wurde.
Borel-Moore-Homologie lokal kompakter Räume ist eng mit der Garbentheorie (sheaf theory) verbunden.
Die Baily-Borel-Kompaktifizierung in der Theorie der Modulformen ist nach ihm benannt. Sie macht in Bezug auf spezielle arithmetische Gruppen symmetrische Quotientenräume kompakt (abgeschlossen, vervollständigt) und mit Modulformen darstellbar.
Nach Borel sind verschiedene Vermutungen benannt. Die Borel Vermutung in der Topologie ist nach ihm benannt. Sie entstand aus einer Frage, die er 1953 Serre stellte und besagt, das geschlossene Mannigfaltigkeiten, deren höhere Homotopiegruppen verschwinden (asphärische Mannigfaltigkeiten) und deren Fundamentalgruppen isomorph sind, topologisch äquivalent (homöomorph) sind. Die Vermutung ist offen. Eine weitere Borel Vermutung betrifft die Berechnung der komplexen Kohomologie arithmetischer Gruppen, die nach der Vermutung durch spezielle automorphe Funktionen gegeben ist. Sie wurde durch Jens Franke bewiesen.
Borel war sehr an Musik interessiert und organisierte u. a. Konzerte mit indischer und Jazz-Musik.
1992 erhielt er den Balzan-Preis. 1991 erhielt er den Leroy P. Steele Prize der American Mathematical Society. 1962 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Stockholm (Arithmetic Properties of Linear Algebraic Groups) und 1974 war er Invited Speaker auf dem ICM in Vancouver (Cohomology of arithmetic groups). 1978 erhielt er die Brouwer-Medaille.
Literatur
von Borel:
- Gesammelte Abhandlungen, 4 Bde., Springer 1983–2001
- Sur la cohomologie des espaces fibres principaux et des espaces homogenes de groups de Lie compacts, Annals of Mathematics 1953 (Dissertation)
- mit Friedrich Hirzebruch Characteristic classes and homogeneous spaces, American Journal of Mathematics, Bd. 80, 1958, S. 458–538
- mit Jean-Pierre Serre "La theorem de Riemann-Roch, Bulletin de Societe des Mathematiciens Francaises 1958
- mit W.Baily Compactification of arithmetic quotients of bounded symmetric domains, Annals of Mathematics Bd. 84, 1966, 442–528
- Topics in the homology theory of fibre bundles, 1967 (Chicago Lectures von 1954)
- Linear algebraic groups, New York, Benjamin 1969, Springer 1991
- Groupes lineaires algebriques, Annals of Mathematics 1956
- Automorphic forms on SL 2(R), Cambridge 1997
- 25 years with Bourbaki 1949–1973, Notices AMS 1998
- Semisimple groups and Riemannian symmetric spaces, Dehli 1998
- Hermann Weyl and Lie groups, in K.Chandrasekharan Weyl centennary symposium 1985
- Herausgeber (mit Casselman) und Mitautor: Automorphic forms, representations and L-functions, 2 Bde., AMS symposium in pure mathematics 1979, online hier: Automorphic Forms, Representations, and L-Functions /pspum31 und hier: Automorphic Forms, Representations, and L-Functions /pspum33.2
- Herausgeber (mit Mostow) und Mitautor: Algebraic groups and discontinuous subgroups, AMS 1966 (Symposium in Pure Mathematics, Boulder/Colorado 1965), online hier: Algebraic Groups and Discontinuous Subgroups /pspum9
- Herausgeber und Mitautor Seminar on complex multiplication (Institute of Advanced Study 1957/8), Springer 1966
- Representations des groupes localement compacts, 1972
- Introductions aux groupes arithmetiques, Paris 1969
- Herausgeber und Mitautor: Continuous cohomology, discrete subgroups and representations of reductive groups, Princeton 1980, 2. Aufl. AMS 2000
- Intersection cohomology, Birkhäuser, Basel 1984
- Algebraic D-modules, Academic Press 1987
- On the development of Lie group theory, Mathematical Intelligencer, Bd. 2, 1980, S. 67–72
- Essays on the history of Lie groups and algebraic groups, American Mathematical Society 2001
über Borel:
- Haefliger, Nachruf in Gazette des mathematiciens 2004
- Asian Journal of Mathematics, 2004, Nr. 4 (Wallach, Casselman u. a.)
Weblinks
- „Armand Borel“ – Nachruf vom Institute for Advanced Study
- „Armand Borel (1923–2003)“ – Nachruf in „Notices of the AMS“ von Springer, Tits, Hirzebruch, Serre, Bombieri u. a.
- Laudatio von Friedrich Hirzebruch anlässlich Euler-Vorlesung Potsdam 1995
- Armand Borel. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch)
- Biographie in Memorial Konferenz in Hangzhou 2004, mit Vorlesungen von Borel
- Literatur von und über Armand Borel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einige Arbeiten (z. B. „Groupes reductifs“ mit Tits, Beiträge Cartan Seminar) sind online hier.
Fussnoten und Quellen
- ↑ Technisch: Borel Untergruppe ist maximale Zariski-geschlossene zusammenhängende auflösbare algebraische Untergruppe.
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