- Armee 61
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Armee 61 ist der umgangssprachliche Ausdruck für die mit der Truppenordnung 1961 (TO 61) begonnene Modernisierung der Schweizer Armee. Sie löste die Truppenordnung 1951 (TO 51) ab, welche noch auf den Erfahrungen des 2. Weltkriegs beruhte, um auf die geänderten Bedrohungslage infolge des Kalten Krieges zu reagieren. Am 1. Januar 1995 wurde sie von der Armee 95 abgelöst.
Inhaltsverzeichnis
Konzeption
Die zunehmende Mechanisierung der Armeen in Europa führte zum politischen Auftrag, die Schweizer Armee auf das neue Bedrohungsbild auszurichten. Allen Seiten war klar, dass die Armee vor allem beweglicher gestaltet werden sollte. In der Planung bildeten sich zwei Lösungsansätze heraus:
- Starke Verteidigungsstellungen im Alpenraum mit weiterem Ausbau des Reduits. Ausbau der Festungswerke entlang des Schweizer Juras. Aufbau von Grenzbrigaden zur Verlangsamung eines eindringenden Gegners. Mechanisierte Verbände sollten aus starken Verteidigungsstellungen heraus, den durch die Grenzbrigaden abgenutzten und gebremsten Gegner, im Mittelland in die Flanken fallen und vernichten.
- Aufbau von Grenzbrigaden zu Verlangsamung eines eindringenden Gegners und Ermöglichen der Mobilmachung. Das gesamte Mittelland wird mit drei stark mechanisierten Armeekorps in gestaffelten Verteidigungsstellungen verteidigt. Ein Armeekorps nützt den Gegner ab, das zweite stoppt ihn und das dritte - falls nicht schon geschehen - vernichtet ihn. Die Alpentransitachsen werden durch starke Gebirgsinfanterie- und Festungverbände geschützt.
In der Lösung wurde ein Kompromiss aus beiden Varianten gefunden: Grenzbrigaden schützen den Grenzraum, im Mittelland operieren drei Feldarmeekorps, der Alpenraum wird von einem Gebirgsarmeekorps unterstützt von Festungsbrigaden im ausgebauten Reduit verteidigt. Somit gab es erstmalig in der Schweizer Armeegeschichte zwei grundsätzliche verschiedene Strategien, die gleichzeitig umgesetzt wurden. Die Umsetzung erfolgte von 1961 bis 1969 und wurde mit endgültigen Einführung der Truppenführung 69 abgeschlossen. Damit wurde die lineare Truppenführung der Armee 51 durch das Konzept der Abwehr ersetzt. Es wurde nicht mehr eine Linie verteidigt, sondern in einem Abwehrraum gleichzeitig verteidigt und angegriffen.
Wichtigste Änderungen gegenüber der Armee 51
- Schaffung eines Gebirgsarmeekorps mit 3 Divisionen
- Aufstellung je einer mechanisierten Division in den drei Feldarmeekorps
- Aufstellung einer Panzerjägerabteilung und eines Aufklärungsbataillons in jeder Infanteriedivision
- Aufstellung eines zusätzlichen Artillerieregimentes in jeder Infanteriedivision
- Reduktion respektive Auflösung der Dragoner-Abteilungen (1968)
- Generell verstärkte Motorisierung
Bestand und Ausrüstung
Die Zahlen beziehen sich auf 1988
Waffen
- 625'000 Angehörige der Armee, ausgerüstet mit Sturmgewehr 57 oder Pistole 49/75
- 7'000 Maschinengewehre 51 (7.5 mm)
- 20'000 Raketenrohre 80
- 1'300 Panzerabwehrkanonen 57 (9 cm) und 58 (10.6 cm)
- 2'700 Zielgeräte für Panzerabwehrlenkwaffen BANTAM und DRAGON Panzerabwehrlenkwaffe BB77
- 3'000 Minenwerfer 33/72 (8.1 cm) und 74 (12 cm)
- 900 gezogene Artilleriegeschütze Hb 42/46 L22 (Haubitze, 10.5 cm ) und Sch Kan 35 L42 (Kanone, 10.5 cm)
- 540 Panzerhaubitzen 66/74 L39 (M109, 15.5 cm)
- 840 Panzer Centurion, Panzer 61, Panzer 68 und Leopard
- 1'300 Schützenpanzer 63/73 (M113)
- 1'900 Fliegerabwehrkanonen 54 (20 mm) und 63/75 (35 mm)
- 60 Feuerleiteinheiten Fliegerabwehr-Lenkwaffe BL-80 RAPIER
- stationäre Boden-Luft Lenkwaffenfeuereinheiten 64 BLOODHOUND
Flugzeuge
- 134 Erdkampfflugzeuge Hunter Mark 58 (Hawker Hunter)
- 104 Raumschutzjäger Tiger II (Northrop F-5)
- 30 Abfangjäger Mirage III S (Dassault Mirage)
- 18 Aufklärungsflugzeuge Mirage III RS
- 96 Helikopter Alouette II und III
- 3 Transporthelikopter Superpuma
- 18 Transportflugzeuge Pilatus Turboporter
- 200 Trainingsflugzeuge Beechcraft Bonanza, Pilatus P-3, Pilatus PC-7, Vampire, Mirage III BS, Dornier Do 27
Infrastruktur
- 2'000 permanente Sprengobjekte
- 4'000 permanente Panzerhindernisse
- 80 km unterirdische Munitionskavernen
- 600 unterirdische Versorgungsanlagen mit 650'000 to Versorgungsgütern
- 16'000 vorbereitete Stellungen und Bunker
Gliederung
Heereseinheiten
- Feldarmeekorps 1 (FAK 1)
- Felddivision 2 (F Div 2)
- Felddivision 3 (F Div 3)
- Mechanisierte Division 1 (Mech Div 1)
- Territorialzone 1 (Ter Zo 1)
- Grenzbrigaden 1, 2, und 3 (Gz Br 1, Gz Br 2, Gz Br 3)
- Feldarmeekorps 2 (FAK 2)
- Felddivision 5 (F Div 5)
- Felddivision 8 (F Div 8)
- Mechanisierte Division 4 (Mech Div 4)
- Territorialzone 2 (Ter Zo 2)
- Grenzbrigaden 4, und 5(Gz Br 4, Gz Br 5)
- Gebirgsarmeekorps 3 (Geb AK 3)
- Gebirgsdivision 9 (Geb Div 9)
- Gebirgsdivision 10 (Geb Div 10)
- Gebirgsdivision 12 (Geb Div 12)
- Territorialzone 9 (Ter Zo 9)
- Territorialzone 10 (Ter Zo 10, nur Brigadengrösse)
- Territorialzone 12 (Ter Zo 12, nur Brigadengrösse)
- Grenzbrigaden 11, und 12 (Gz Br 11, Gz Br 12)
- Festungsbrigaden 10, 13 und 23 (Fest Br 10, Fest Br 13, Fest Br 23)
- Reduitbrigaden 21, 22 und 24 (R Br 21, R Br 22, R Br 24)
- Feldarmeekorps 4 (FAK 4)
- Felddivision 6 (F Div 6)
- Felddivision 7 (F Div 7)
- Mechanisierte Division 11 (Mech Div 11)
- Territorialzone 4 (Ter Zo 4)
- Grenzbrigaden 6, 7, und 8 (Gz Br 6, Gz Br 7, Gz Br 8)
- Flieger- und Fliegerabwehrtruppen (FF Trp)
Verwaltungseinheiten
- Gruppe für Generalstabsdienste
- Untergruppe Front
- Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr
- Untergruppe Logistik
- Untergruppe Planung
- Operative Schulung
- Kommando Generalstabskurse
- Bundesamt für Genie und Festungen
- Bundesamt für Übermittlungstruppen
- Bundesamt für Sanität
- Veterinärsdienst der Armee
- Oberkriegskommissariat
- Bundesamt für Transporttruppen
- Bundesamt für Luftschutztruppen
- Kriegsmaterialverwaltung
- Gruppe für Ausbildung
- Untergruppe Ausbildung
- Zentralschulen
- Militärschulen an der ETHZ
- Bundesamt für Infanterie
- Bundesamt für Mechanisierte und Leichte Truppen
- Bundesamt für Artillerie
- Bundesamt für Adjutantur
- Truppeninformationsdienst
- Militärischer Frauendienst
- Fürsorgechef der Armee
- Gruppe für Rüstungsdienste
- Zentrale Dienste
- Rüstungsamt 1
- Rüstungsamt 2
- Rüstungsamt 3
- Bundesamt für Rüstungsbetriebe
- Direktion der eidgenössischen Militärverwaltung
- Bundesamt für Landestopografie
- Oberfeldkommissariat
- Kommando der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen
- Führung und Einsatz
- Bundesamt für Militärflugwesen und Fliegerabwehr
- Bundesamt für Militärflugplätze
- Oberauditor
- Zentralstelle für Gesamtverteidigung
Ausbildung
Zusätzlich zur bestehenden Ausbildung wurde vermehrt auf das richtige Verhalten bei Einsatz von atomaren Kampfmitteln und der Kampf in überbauten Gebiet geübt. Als gesellschaftspolitisches Kuriosum ist noch zu erwähnen, dass im Jahr 1961 die Möglichkeit abgeschafft wurde, als Motorfahrzeugführer den Fahrausweis in der Rekrutenschule zu machen, es gab nun genügend zivil ausgebildete Fahrzeuglenker.
Mit dem Jahr 1963 begann die Umschulung vom Karabiner auf das Sturmgewehr 57. Mit der Integration von mechanisierten Divisionen in den Feldarmeekorps wurde auch die Zusammenarbeit zwischen Infanterie und mechanisierten Verbänden ab 1964 geschult.
Die nächste große Änderung in den Ausbildungschwerpunktem kam 1970, als arabische Terroristen neben anderen auch eine Swissair-Passagiermaschine entführten und eine El-Al-Maschine in Kloten beschossen. Auf Wunsch der Kantonsregierungen von Zürich und Genf wurden je ein Bataillon im Rahmen der normalen Dienstleistung zu Verfügung gestellt. Die Zusammenarbeit mit den kantonalen Polizeikräften erforderte vor allem auf Stabsebene eine völlig neue Zusammenarbeit und entsprechende Ausbildung der Kader. Dieser Ordnungsdienst wurde als Aktivdienst - der erste seit Ende des 2. Weltkriegs - geleistet.
Das Ausbildungsregime musste erneut 1973 geändert werden, als wegen der Ölkrise die Treibstoffzuteilung aller Verbände um bis zu 30% gekürzt wurden.
Literatur
- Louis Geiger, Franz Betschon: Erinnerungen an die Armee 61. Huber, Frauenfeld 2009, ISBN 3719315134.
Kategorien:- Verteidigungspolitik (Schweiz)
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- Schweizerische Geschichte (20. Jahrhundert)
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