N. A. Menlos

N. A. Menlos

Manès Sperber (* 12. Dezember 1905 in Zabłotów, Galizien, Österreich-Ungarn, (heute Oblast Iwano-Frankiwsk, Ukraine); † 5. Februar 1984 in Paris) war ein österreichisch-französischer Schriftsteller, Sozialpsychologe und Philosoph. Er benutzte auch die Pseudonyme Jan Heger und N. A. Menlos.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sperber stammte aus einer wohlhabenden Rabbinerfamilie und wuchs in der Tradition des Chassidismus auf. Diese weniger den strengen Formalismen der jüdischen Glaubenspraxis folgende Form des Judentums lebt ein sehr gefühlsbetontes Vertrauen auf Gott. Im Sommer 1916 flüchtete die Familie vor den Kriegswirren nach Wien, wo die Sperbers einen wirtschaftlichen Niedergang erlebten und Manès sich der jüdischen Jugendbewegung HaSchomer HaTzair anschloss. Später begegnete er Alfred Adler, dem Begründer der therapeutischen Individualpsychologie, und wurde dessen Schüler und Mitarbeiter. Er brach mit ihm 1932 wegen Meinungsverschiedenheiten über die Verbindung von Individualpsychologie und Marxismus.

1927 zog Sperber auf Anregung Adlers nach Berlin und trat der KPD bei. Die genauen Umstände des Parteieintritts ließ Sperber stets im Dunkeln. In der Berliner Gesellschaft für Individualpsychologie, der nach der Wiener größten Ortsgruppe von Adlers Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie, hielt er Vorträge und Ausbildungslehrgänge. Daneben war er, wie er sich in seiner Autobiographie Die vergebliche Warnung (München 1983) erinnerte, tätig als „psychologischer Experte für die Berliner Zentrale für Wohlfahrtspflege (...), ich lehrte an mehreren Fachschulen, die Fürsorger und Sozialpädagogen ausbildeten, und überdies am Sozialpolitischen Seminar der Preußischen Hochschule für Politik (...) Im Auftrag der Stadt Berlin gab ich in einigen Fürsorge-Erziehungsheimen (...) Kurse und Beratungsstunden für die Heimerzieher.“ Seine Intentionen zielten dabei in zweierlei Richtung, nämlich: „die Kenntnis der Individualpsychologie innerhalb der Arbeiterbewegung zu verbreiten, auf sozialistische Jugendführer und Sozialfürsorger und Leiter pädagogischer, staatlicher und städtischer Institutionen Einfluss zu gewinnen; (...)innerhalb der individualpsychologischen Bewegung die Kenntnis sozialer Sachverhalte zu fördern und damit die richtige Einschätzung ihrer Bedeutung für das bessere Verständnis individueller und sozialer Phänomene.“ (Vergebliche Warnung, S. 124). Gleichzeitig trug er durch seine Aktionen zur Spaltung der „Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie“ bei, die 1930 nur für kurze Zeit von dem angesehenen Charité-Dozenten Arthur Kronfeld überbrückt werden konnte, der in diesem Jahr auch den wohl größten - und letzten - internationalen Kongress für Adler in Berlin organisierte.

Nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler im Deutschen Reich tauchte Sperber zunächst in Berlin unter, das heißt, er betrat seine Wohnung nicht mehr. Durch eine Verkettung verschiedener Umstände kehrte er jedoch für eine Nacht dorthin zurück und wurde in den frühen Morgenstunden des 15. März 1933 von Polizisten und SA verhaftet und in so genannte „Schutzhaft“ genommen, kam aber als österreichischer Staatsbürger nach kurzer Zeit wieder frei. Nachdem er einen Monat in verschiedenen Gefängnissen verbracht hatte, wurde er am 20. April 1933, dem Geburtstag Hitlers, freigelassen mit der Aufforderung, das Deutsche Reich umgehend zu verlassen. Am 24. April fuhr Sperber von Berlin nach Wien. Vorübergehend, so seine Erinnerungen („Bis man mir Scherben auf die Augen legt“), zog er sich in Jugoslawien, wo er sich von „Frühling 1933 bis Mai 1934“ aufhielt, ins Privatleben zurück. Im Januar 1934 wurde dort sein Sohn Vladimir geboren. Er emigrierte zu Propagandazwecken der KPD über Jugoslawien schließlich nach Paris, als ihn die KP mit einer neuen Aufgabe betraute: „Im späten Frühling erreichte mich ein Ruf der Partei. Ich sollte nach Paris kommen, hieß es, man brauchte mich für eine wichtige ideologische Arbeit im internationalen Maßstab.“ Er wendete sich aber nach den stalinistischen Säuberungen von der Partei ab (Austritt 1937). Es begann seine literarische Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus und der Rolle des Individuums in der Gesellschaft (Zur Analyse der Tyrannis, worin er Hitlers Selbstmord voraussah).

Im Winter 1939 meldete sich Sperber als Kriegsfreiwilliger bei der französischen Armee, wurde aber ohne in Kampfhandlungen verwickelt zu werden, demobilisiert und zog sich nach Südfrankreich zurück. Als auch dort die Gefahr der Deportation akut wurde, flüchtete er im Herbst 1942 in die Schweiz. Nach Kriegsende 1945 kehrte Sperber nach Paris zurück und wurde Verlagslektor, war tätig als Kulturphilosoph und Schriftsteller. 1950 war er einer der Initiatoren des in Berlin gegründeten, CIA - finanzierten Kongresses für kulturelle Freiheit.[1]

Sperbers wohl bekanntestes Werk ist seine Romantrilogie Wie eine Träne im Ozean, die stark autobiografische Züge trägt. Die Handlung spielt in der Zeit zwischen 1931 und 1945 und berichtet von den ideologischen Verblendungen der Kommunisten und der KP. Sie versucht Menschlichkeit und Wahrheit an die Stelle von Gewalt, Unmündigkeit und Diktatur zu setzen.

1971 erhielt Manès Sperber den Literaturpreis der Bayerischen Akademie der schönen Künste, 1973 den Hansischen Goethepreis, 1975 den Büchner-Preis, 1977 den österreichischen Staatspreis, 1983 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Manès Sperber wurde auf dem Cimetière Montparnasse in Paris beigesetzt.

Werksverzeichnis

  • Charlatan und seine Zeit (1924, Neuaufl. Graz, Steirische, 2004)
  • Alfred Adler - Der Mensch und seine Lehre - Ein Essay. Wien (1926)
  • Zur Analyse der Tyrannis (1939, wieder zus. mit anderem Essay 1975)
  • Wie eine Träne im Ozean (1961)
    • Der verbrannte Dornbusch (1949)
    • Tiefer als der Abgrund (1950)
    • Die verlorne Bucht (1955)
  • Die Achillesferse (1960)
  • Zur täglichen Weltgeschichte (1967)
  • Alfred Adler oder Das Elend der Psychologie. Wien (1970)
  • Leben in dieser Zeit (1972)
  • Wir und Dostojewski: eine Debatte mit Heinrich Böll u.a. geführt von Manès Sperber (1972)
  • Zur Analyse der Tyrannis. Das Unglück, begabt zu sein. Zwei sozialpsychologische Essays. Wien (1975)
  • All das Vergangene
    • Die Wasserträger Gottes (1974)
    • Die vergebliche Warnung (1975)
    • Bis man mir Scherben auf die Augen legt (1977)
  • Individuum und Gemeinschaft (1978)
  • Sieben Fragen zur Gewalt (1978)
  • Churban oder Die unfaßbare Gewißheit (1979)
  • Der freie Mensch (1980)
  • Nur eine Brücke zwischen gestern und morgen (1980)
  • Die Wirklichkeit in der Literatur des 20. Jahrhunderts (1983)
  • Ein politisches Leben - Gespräche mit Leonhard Reinisch (1984)
  • Geteilte Einsamkeit - Der Autor und seine Leser (1985) (Essay)
  • Der schwarze Zaun (1986) (Romanfragment)

Auszeichnungen

Literatur

  • Rudolf Isler: Manès Sperber. Zeuge des 20. Jahrhunderts. Eine Lebensgeschichte Vorwort: Daniel Cohn-Bendit. 2. Auflage. Aarau: Sauerländer & Cornelsen 2004 ISBN 3-03-450122-6
  • Alfred Lévy: Manès Sperber - oder von den Abenteuern, Leiden und Irrtümern eines politischen Individualpsychologen. In: Gestalten um Alfred Adler - Pioniere der Individualpsychologie. Hg. von A. Lévy und G. Mackenthun, Würzburg 2002, S. 251-269, ISBN 3-8260-2156-8
  • Licharz/Kauffeldt/Schießer (Hrsg): Die Herausforderung Manès Sperber Frankfurt, 1988. ISBN 3-89228-182-3
  • Werner Müller: Manès Sperbers Romantrilogie „Wie eine Träne im Ozean“ Diss. Graz 1981
  • Alfred Pfaffenholz: Manès Sperber zur Einführung, Hannover 1984, SOAK-Verlag, ISBN 3-88209-061-8
  • Monika Schneider: Das Joch der Geschichte Pfaffenweiler, 1991 ISBN 3-89085-496-6
  • Mirjana Stancic: Der Churban oder die unfaßbare Gewißheit. M. S's. jüdische Themen in: Sachor. Zeitschrift für Antisemitismusforschung Bd. 9: Von der Emanzipation zur Entrechtung. Klartext, Essen 1999, S. 60 - 75 ISSN 0948-2415 ISBN 3-88474-789-4
  • Robert G. Weigel (Hg): Vier große galizische Erzähler im Exil: W.H. Katz, Soma Morgenstern, Manès Sperber und Joseph Roth Frankfurt, 2005 ISBN 3-631-53001-3
  • Klaus Wenzel: Manès Sperbers Romantrilogie „Wie eine Träne im Ozean“ Diss. Frankfurt/M. 1990 ISBN 3-631-43576-2

Ehrungen

Einzelnachweise

  1. Mirjana Stancic: Manès Sperber. Leben und Werk. Stroemfeld Verlag, Frankfurt a. M. 2003

Weblinks


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