Nachgotik

Nachgotik
Kirche St. Andreas in Erlabrunn von 1656

Als Nachgotik bezeichnet man das Auftreten des gotischen Baustils außerhalb der eigentlichen Epoche der Gotik. Gotische Architektur trat noch in der Renaissance und vereinzelt noch im Barock auf.

Inhaltsverzeichnis

Hauptmerkmale

Es handelt sich dabei um eine Weiterführung der gotischen Bautradition durch Handwerksmeister, die durch das eher konservative Bürgertum und den Klerus als Auftraggeber unterstützt wurden. Adelige und Handelsherrn, die auf ihren Reisen den Einfluss der Antike auf die italienischen Bauten zu Beginn der Renaissance kennengelernt hatten, bevorzugten für ihre Profanbauten diese neue Architektur. Teilweise kam es in der Anfangsphase auch zu Mischformen. Die gotische Bausprache wurde wesentlich vereinfacht und der Raum wurde - im Sinne der Vorstellungen der Renaissance - einheitlicher. Die klassischen Elemente der Renaissance und des Barocks (Säulen, klassische Kapitelle) lebten oft mit der gotischen Formensprache (vor allem mit dem Spitzbogen) zusammen. Diese Synthese hatte eine moderne Gestaltung des Gebäudes als Zweck.

Verbreitung

Mit dem Bau der Kathedrale von Orléans wurde 1601 begonnen

Das Überleben der gotischen Formen war vor allem in den protestantischen Ländern für den Bau kleiner Kirchen und Rathäusern von großer Bedeutung. Die Errichtung wichtiger und repräsentativer Bauten war relativ selten, obwohl bis in das späte 17. Jh. hinein nachgotische Lösungen bei der Erweiterung der englischen Universitäten von Oxford und Cambridge eine zentrale Rolle spielten. Aber auch in katholischen Gegenden gab es Formen der Nachgotik, beispielsweise in Franken die sogenannte Echtergotik (auch Echterstil oder Juliusstil genannt), die auf den würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn zurückgeht. Gotische Formen wurden gebietsweise auch im jesuitischen Kirchenbau verwendet ("Jesuitengotik"). Beispiele nachgotischer Architektur sind die Kirchen St. Laurentius und St. Stephanus in Paar, Sankt-Georg- und Dreifaltigkeitskirche in Molsheim und St. Mariä Himmelfahrt in Köln. Ein Hauptbeispiel für die barocke Nachgotik des 18. Jh. in Österreich ist die Deutschordenskirche in Wien. Einen Fall für sich bildet ferner die im 17. Jh. unternommene Vollendung der aufwendig gestalteten Kathedrale von Nantes.

Nachgotik und Neugotik

Als Nachgotik wird das Festhalten an der Tradition des gotischen Stils bezeichnet. Demgegenüber ist die Neugotik eine Neuformung oder Neuerfindung des gotischen Baustils in den Epochen der Romantik und des Historismus.

Der Hauptunterschied auf der stilistischen Ebene ist gemäß Hermann Hipp, dass in der Nachgotik der gotische Stil vereinfacht wurde. In Mitteleuropa wurde in der Nachgotik weitgehend auf den Einsatz von Fiale und Wimperg verzichtet. In der Neugotik wird vielfach wieder auf die originären gotischen Stilelemente zurück gegriffen.[1]

Literatur

  • E. Kirschbaum: Deutsche Nachgotik, ein Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Architektur von 1550-1800. Augsburg 1930
  • M. Hesse: Von der Nachgotik zur Neugotik. Die Auseinandersetzung mit der Gotik in der französischen Sakralarchitektur des 17. u. 18. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1984
  • L. J. Sutthoff: Gotik im Barock. Zur Frage der Kontinuität des Stils außerhalb seiner Epoche. Dissertation, Saarbrücken 1988

Einzelnachweise

  1. H. Hipp: Studien zur Nachgotik des 16. und 17. Jahrhunderts in Deutschland, Böhmen, Österreich und der Schweiz. Dissertation an der Universität Tübingen, 1979

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