Normalsprache

Normalsprache

Die Umgangssprache (auch Alltagssprache, seltener Gebrauchssprache oder Gemeinsprache) ist die nicht standardisierte Sprache, die im täglichen Umgang benutzt wird. Sie kann ein Dialekt sein oder eine Zwischenstellung zwischen Standardsprache (Hochsprache) und Dialekt einnehmen. Besonders soziologische (Bildungsstand, soziale Umwelt des Sprechers) und regionale Gegebenheiten prägen sie. Mitunter werden umgangssprachliche Ausdrucksformen auch (synonym) als „volksmundlich“ (in der allgemeinen Bedeutung von Volksmund) bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Auch im deutschsprachigen Raum gibt es keine standardisierte Hochsprache, die als Umgangssprache dient. Die langandauernde historische Vielfalt regionaler Herrschaftsverhältnisse hat ihre Spuren in einem stark heterogenen (nicht standardisierten) umgangssprachlichen Sprechverhalten hinterlassen.

In Deutschland zum Beispiel fehlen staatliche Institutionen, die eine verbindliche Hochsprache festlegen könnten, bzw. umgangssprachliche Abweichungen hiervon verbindlich abgrenzen würden. Der Normierung der deutschen Standardsprachen hat sich hier nur der Verlag Brockhaus verschrieben, der in Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Stellen seit vielen Jahren unter dem Markennamen Duden Wörterbücher herausgibt. Die Orientierung an diesen ist jedoch eine freiwillige Entscheidung der Kultusministerien der Länder, der sonstigen staatlichen Behörden und der großen Verlagshäuser (vgl. Rechtschreibreform). Obwohl vielfach behauptet, kann also in Deutschland von einer verbindlichen Norm in der Hochsprache gegenüber einer fehlenden Norm in der Umgangssprache nicht gesprochen werden.

Auch die nicht standardisierte Umgangssprache unterliegt einer gewissen Einheitlichkeit, die dadurch entsteht, dass sich ihre Sprecher an anderen Sprechern orientieren und sich anpassen. Im Unterschied zu den Standardsprachen, bei der die Orientierung meist an Wörterbüchern erfolgen kann, ist aber die vereinheitlichende Orientierung der Umgangssprache diffus, wechselhaft und oft nicht eindeutig zu ermitteln. Diese unermessliche Diffusität ist jedoch gleichzeitig die Quelle für ihren - besonders für die Fortentwicklung der Standardsprachen - wichtigen lebendigen Reichtum.

Allgemeines

Die Umgangssprache unterscheidet sich von der gehobenen Sprache, von öffentlicher Rede, Drama, Gedicht, aber auch dem Lexikonartikel sowie der Zwischenschicht von populärer gehobener Umgangssprache (Essay, Zeitungsartikel, Rundfunk- oder Fernsehsprache bzw. „Fernsehdeutsch“).

Die Sprecher selbst nennen sie in der Regel nicht Umgangssprache. Beispielsweise, wenn Laien sonst (grammatikalisch etc.) korrekt Fachsprachen mit Spezialausdrücken (der Medizinersprache, Technikersprache) ungenau nutzen. (Siehe auch: Jargon).

Diskrepanzen zwischen der Umgangssprache und Fachsprachen sind nicht einheitlich. Sie sind vielmehr situations- und kontextabhängig. Es gibt unzweideutige, klar definierte Unterschiede, wegen unterschiedlicher Werte zwischen bestimmten Berufsgruppenangehörigen und Laien: Das Auseinanderklaffen heißt abwertend auch "déformation professionnelle" (etwa: Fachidiotie).
Beispiel: Ein medizinischer Befund ist für die Fachperson „negativ“, wenn er eine bestimmte Diagnose ausschließt. Der Patient hört es, fürchtet (umgangssprachlich „negativ“…) ein festgestelltes Übel.

Details

Meist war eine für die Sprachentwicklung als charismatisch geltende Sprachform Ausgangsmaterial (in Deutschland die Bibelübersetzung Martin Luthers, in Großbritannien das Englisch des Königshauses, in Frankreich die Umgangssprache der Region von Paris, in Russland das Werk des Nationaldichters Alexander Sergejewitsch Puschkin).

Hochsprache und Umgangssprache

Der Prozess der Bildung, Fortentwicklung und Pflege einer Hochsprache beruht heutzutage in vielen Ländern auf einer ständigen Beobachtung der lebendigen Umgangssprache durch kulturelle Institutionen. Diese haben sich der Aufgabe selbst verschrieben (z. B. der Dudenverlag) oder sind staatlicherseits beauftragt (z. B. Kulturinstitute wie die Académie française oder die Accademia della Crusca). Für das Englische fehlt eine vergleichbare Einrichtung (abgesehen von einer gewissen Autorität der Ausdrucksweisen des britischen Königshauses oder von Absolventen der namhaften Universitäten). Je nach nationaler Geschichte entwickelten sich Schrift- und Hochsprachen in den modernen Staaten höchst verschieden. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Bewertung des Stellenwerts der Umgangssprache und der Einfluss der für die Gestaltung der Hochsprache zuständigen Institutionen.

Die Entwicklung der niederländischen Standardsprache

Die Entwicklung einer Hochsprache (Standardsprache) lief in den Niederlanden anders ab als in Deutschland und in der Schweiz.

In den Niederlanden wurde eine umgangssprachliche Varietät des Niederfränkischen seit dem 13. Jahrhundert in einem mehrere Jahrhunderte dauernden Prozess allmählich zur Hochsprache ausgebaut.

In Deutschland ging mit dem Ende der Hanse das durch diese weitgehend standardisierte Niederdeutsche zurück, das ohnehin nur zum Teil Volkssprache war; heute ist jede Varietät des Plattdeutschen Umgangssprache und Dialekt. Das hochsprachliche Niederländisch klingt deshalb für deutsche Zuhörer mit Kenntnissen des Plattdeutschen umgangssprachlich und dialektal, obwohl es dies nicht ist.

Einen mit den Niederlanden vergleichbaren Schritt hat auch die Schweiz unterlassen: Sie hat weder eine umgangssprachliche noch eine dialektale Varietät standardisiert und zur Hochsprache ausgebildet. Dennoch benutzen die Schweizer eine standardisierte Hochsprache - vor allem für den schriftlichen Gebrauch. Dieses eigene Standarddeutsch stammt jedoch nicht aus dem Bereich der Schweizer Dialekte, sondern aus Sachsen wie das Standarddeutsch Deutschlands und Österreichs. Nur einige schweizerische umgangssprachliche und wenige dialektale Ausdrücke und Wendungen wurden als Helvetismen übernommen.

Umgangssprache und ständiger Sprachwandel

Höhere Mobilität, Fremdenverkehr, Massenmedien, EDV, U-Musik und anderes beschleunigen heute die alltägliche Sprachentwicklung. Andererseits verlangsamen normierende Wirkungen zumal des Fernsehens und aufgelockerte Dialektgrenzen.

Ohnehin lehnt sich die formelle Beschreibung einer Sprache an die Umgangssprache an. Sie nimmt Elemente aus ihr auf (siehe Sprachgebrauch) und verändert sich ggf. mit.

Einflüsse

Stets prägen insbesondere Jugendsprache und andere Szenesprachen die Umgangssprache der folgenden Generation - wesentlich mehr als die auf speziellere Gruppen beschränkte etwa Soldatensprache, Gefängnissprache, Studentensprache, Bergmannssprache, Jägersprache, Fachsprachen usw.

Regionalsprachen, Umgangssprachen, Dialekte und Mundarten

Die gegenwärtige Mobilität und die Massenmedien schmälern die Zahl der Mundarten und Dialekte kontinuierlich. Zugleich schwindet der Regionalcharakter umgangssprachlicher Elemente.

Siehe auch

Literatur

  • Heinz Küpper: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache. Klett, Stuttgart 1982 (8 Bände), ISBN 3-12-570010-8.
  • Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Klett, Stuttgart 1987 (959 Seiten), ISBN 3-12-570600-9
  • Alfred Lameli: Standard und Substandard: Regionalismen im diachronen Längsschnitt. Steiner, Stuttgart 2004 (272 Seiten), ISBN 3-515-08558-0
  • Alexandra N. Lenz: Struktur und Dynamik des Substandards: eine Studie zum Westmitteldeutschen (Wittlich, Eifel). Steiner, Stuttgart 2003 (444 Seiten), ISBN 3-515-08349-9

Weblinks


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