- Oleg Wladimirowitsch Penkowski
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Oleg Wladimirowitsch Penkowski (russisch Олег Владимирович Пеньковский; wiss. Transliteration Oleg Vladimirovič Pen'kovskij; * 23. April 1919 in Wladikawkas; † 16. Mai 1963 in Moskau) war ein vom Secret Intelligence Service (MI6) angeworbener Oberst in der Abteilung Aufklärung (GRU) in der Sowjetarmee.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Penkowski wurde 1919 als Sohn eines weißgardistischen Offiziers geboren. Seit 1940 Mitglied der KPdSU, und im Zweiten Weltkrieg als Artillerieoffizier eingesetzt, war er 1948 Absolvent der Militärakademie der Sowjetischen Streitkräfte M. W. Frunse in Moskau. Danach studierte er an der Militärdiplomatischen Akademie der Sowjetunion und trat 1953 in die 4. Verwaltung (Information Auswertungszentrale) des sowjetischen Militärnachrichtendienst GRU ein. 1955 bis 1956 war als Militärattaché in der Türkei eingesetzt. 1958/59 absolvierte er einen Spezialkurs für Raketentechnik an der Dserschinski-Militärakademie. 1960 war er als Militärattaché in Indien vorgesehen, wurde aber wegen der verheimlichten Tätigkeiten seines Vaters, in die Reserve der GRU versetzt.
Agent des MI6 und CIA
Daraufhin bot er Mitte 1960 dem MI6-Agenten und Residenten in Moskau Greville Maynard Wynne seine Mitarbeit an. Im November 1960 wurde er zum Berater des Staatskommitees für die Koordinierung wissenschaftlich-technischer Arbeiten berufen. Bei Delegationsreisen nach London und Paris 1961 und 1962 lieferte er wichtige politische und militärische Informationen an den MI6 und CIA. Bis zum Sommer 1961 hatte er Wynne bereits mehr als 50 Mikrofilme in Moskau übergeben. Anfang August 1961 erlangte er Kenntnis von der bevorstehenden Abriegelung, „Errichtung der Grenzkontrolle“ in Berlin, der Berliner Mauer. Erst 10 Tage später konnte er diese Information an seinen britischen Kontaktmann weiterleiten, da er diesen nicht vorher erreichte[1].
Ab Januar 1962 wurde er durch den KGB überwacht. Seine Verbindungen zu den westlichen Nachrichtendiensten hielt er über tote Briefkästen. Seinen letzten Bericht schickte er am 27. August 1962[2] . Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurde Penkowski am 22. Oktober 1962 durch den KGB verhaftet.
Penkowski lieferte dem Westen auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges entscheidende Informationen zu den Absichten der Sowjetunion während der Berlin-Krise und zur Kuba-Krise.
Während der Berlin-Krise riet Penkowski den Westmächten zu einer harten Haltung gegenüber der Sowjetunion. Am 22. Oktober 1962 forderte der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy in einer dramatischen Fernsehansprache den Abbau aller sowjetischen Raketen und Abschussanlagen auf Kuba. Der Stand der sowjetischen Rüstung war Kennedy durch die Spionage Penkowskis bekannt.
In einem am 7. Mai 1963 in Moskau begonnenen Schauprozess wurde Penkowski am 9. Mai 1963 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und später hingerichtet. Die Leiche wurde nicht den Angehörigen übergeben, sondern im damals einzigen Moskauer Krematorium auf dem Donskoi-Friedhof eingeäschert und die Asche dort in ein Massengrab geworfen.
Sein britischer Kontaktmann Greville Maynard Wynne beschrieb die Ereignisse im Buch „Der Mann aus Moskau“.
Am 8. April 1993 schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Penkowski:
„Und wenn der „Selbstanbieter“ und Oberst des sowjetischen militärischen Geheimdienstes GRU, Oleg Penkowski, auch nicht die Welt vor einem Atomkrieg gerettet hat, er hat ohne Zweifel wesentlich dazu beigetragen, daß insbesondere die Vereinigten Staaten zu einer realistischeren Einschätzung sowjetischer Absichten und Möglichkeiten in der Lage waren, vor allem während der Berlin-Krise (1961) und der Kuba-Krise (1962).“
Penkowskis Rolle als Überläufer wird aufgrund seiner Bedeutung und des Verratsumfanges sehr unterschiedlich beurteilt. Der Historiker Phillip Knightley äußerte sogar die Vermutung, Penkowski sei absichtlich von der sowjetischen Führung als Geheimer Kanal zu den Briten und US-Amerikanern benutzt worden, um insbesondere die Informationen während der Kuba-Krise zu steuern. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um eine Verwechslung durch Knightley, und er meint den damaligen Washingtoner GRU-Residenten Georgi Bolschakow, zu dem Robert Kennedy Kontakt hielt. Aufgrund dieser Verwechslung wird vereinzelt auch angenommen, dass der Moskauer Prozess gegen Penkowski nur zum Schein aufgeführt wurde. Diese Theorie gilt in Kreisen der Nachrichtendienste und überwiegend bei den Historikern als unwahrscheinlich. Vielmehr ermöglichten auch die Informationen Penkowskis der US-amerikanischen Regierung eine realistische Einschätzung der militärischen Stärke der Sowjetunion während der Kuba-Krise.
Schriften
- Oleg Penkowskij: Geheime Aufzeichnungen, herausgegeben und kommentiert von Frank Gibney. München/Zürich 1966
Literatur
- Phillip Knightley: Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert. Verlag Scherz, Bern 1989, ISBN 3-502-16384-7
- Wolfgang Krieger: Geheimdienste in der Weltgeschichte. Spionage und verdeckte Aktionen von der Antike bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50248-2
- Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. Herbig, München 2003, ISBN 3-7766-2317-9, S. 343 ff.
- Jerrold L. Schlecter, Peter S. Deriabin: Die Penkowskij Akte - Der Spion, der den Frieden rettete. Ullstein Verlag, ISBN 3-550-06817-4
- Matthias Uhl, Dimitrij N. Filippovych: Vor dem Abgrund. Die Streitkräfte der USA und der UdSSR sowie ihrer deutschen Bündnispartner in der Kubakrise. Verlag Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-57604-6
- Greville Maynard Wynne: Der Mann aus Moskau. Deutscher Bücherbund 1969
Einzelnachweise
Weblinks
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