- Olsagebiet
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Das Olsagebiet (auch: Olsaland, Teschener Schlesien, polnisch Śląsk Cieszyński, tschechisch Tešínsko) ist ein Gebiet am Fluss Olsa, das in den letzten Jahrzehnten der Donaumonarchie der östliche Teil des Kronlandes Österreichisch Schlesien gewesen war und davor einmal das Herzogtum Teschen. Die am Fluss liegende namensgebende Stadt Teschen wurde nach 1918 aufgeteilt in eine Doppelstadt, mit Český Těšín (Tschechoslowakei, heute Tschechien) am westlichen Flussufer und Cieszyn (Polen) am Ostufer. 1938/39 war eine 869 km² große Fläche (Zaolzie) vorübergehend polnisch.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Olsagebiet entspricht dem Gebiet des Herzogtums Teschen, das bis 1918 zum Habsburger Kaiserreich gehörte. Zum Ende des 19. Jahrhunderts unternahm Erzherzog Friedrich (Marquis Gero) mit wenig Erfolg eine Germanisierung des ländlichen Raumes bzw. der dort lebenden Bevölkerung, die zum großen Teil der (polnischsprachigen) lachischen Sprachgruppe angehörte.
Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns und Zarenrusslands entstanden 1918 aus ihren ehemaligen Territorien bzw. Teilen von Preußen neue Nationalstaaten, insbesondere die Tschechoslowakei und die Zweite Polnische Republik.
Diese Entwicklung verlief im Olsagebiet nicht friedlich, da es von Anfang an zwischen Polen und Tschechen umstritten war. Polen begründete seine Ansprüche mit der polnischsprachigen Bevölkerungsmehrheit, jedoch bezweifelte die Tschechoslowakei, dass dadurch Rückschlüsse auf die Volkszugehörigkeit zu ziehen seien (siehe Volksabstimmungen im Gefolge des Versailler Vertrags, die insbesondere in Ermland und Masuren nicht entsprechend der ethnischen Zugehörigkeit ausfielen). Zugleich beanspruchte Außenminister Edvard Beneš das gesamte Teschener Schlesien bis Bielitz als Teil des historischen Österreichisch-Schlesien für die Tschechoslowakei[1].
Am 5. November 1918 einigten sich beide Staaten zunächst über eine Grenzziehung entlang des Flusses Olsa und auf dem Czantory-Kamm der Schlesischen Beskiden. Für die Tschechoslowakei war der ihr somit zugefallene westliche Teil des Olsagebietes von enormer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung, da durch ihn die Bahnstrecke Bohumín–Košice und damit eine der damals wenigen leistungsfähigen Verkehrsverbindungen zwischen dem tschechischen und slowakischem Landesteil verlief.
Nachdem das Olsagebiet Ende 1918 zum Gegenstand des Wahlkampfes für die polnischen Parlamentswahlen geworden war und an der Grenze polnische Truppen aufmarschierten, eskalierte der Streit. Im Januar 1919 kam es zum Einmarsch tschechischer Truppen und einer zeitweiligen Besetzung von Teilen des polnischen Olsagebiets. Am 3. Februar 1919 stimmte die tschechische Regierung unter Druck der Entente der Durchführung einer Volksabstimmung zu, die über die künftige Zugehörigkeit des Gebietes entscheiden sollte.
Nach Beneš' Bemühungen verzichtete der Botschafterrat der Siegermächte auf die Durchführung der Volksabstimmung und legte am 25. Juni 1920 den im Grenzvertrag von 1918 genannten Grenzverlauf als verbindlich fest. Der polnische Teil des Olsagebietes wurde der 1920 neu errichteten Autonomen Woiwodschaft Schlesien zugeordnet.
Die Grenzfestlegung entsprach nicht den polnischen Interessen, aber zu dieser Zeit führte Polen im Osten einen Krieg mit Sowjetrussland und war sehr daran interessiert, den Streit mit der Tschechoslowakei so schnell wie möglich zu beenden. In dieser Situation erreichte der tschechoslowakische Außenminister Edvard Beneš die Festlegung der Teilung entlang des Flusses Olsa sowie die Übergabe der umstrittenen Regionen der Zips (Spiš) und der Arwa (Orava).
Nach der Beendigung des Polnisch-Sowjetischen Krieges und der Erlangung Ostoberschlesiens durch die Volksabstimmung in Oberschlesien rückte das der Tschechoslowakei zugesprochene mehrheitlich polnisch besiedelte mittlere Olsagebiet wieder stärker in den Blickpunkt der stabilisierten Zweiten Polnischen Republik. Dort erfolgte bis 1926 die Vertreibung einiger Tausend Polen aus dem Gebiet und zum Teil die Konfiskation ihrer Habe, so dass die Spannungen zwischen Polen und der Tschechoslowakei weiter anwuchsen und in Polen die militärische Lösung des Problems nicht ausgeschlossen und ab 1934 generalstabsmäßig vorbereitet wurde.
Am 30. September 1938, nach dem Abschluss des Münchner Abkommens, stellte Polen ein Rückgabeultimatum, das am 1. Oktober ablief, und konzentrierte Kräfte an der Grenze unter General Władysław Bortnowski[2]. Zusätzlich wurde in Kattowitz die Legion Zaolziański gegründet. Die tschechoslowakische Regierung gab nach und zwischen dem 2. und dem 11. Oktober 1938 besetzten polnische Truppen den mittleren Teil des Olsagebiets (Zaolzie)[2]. Gleichzeitig besetzte Deutschland die im Münchner Abkommen zugestandenen Gebiete des Sudetenlandes und das Hultschiner Ländchen. Kurz danach verließen rund 30.000 Tschechen, vor allem diejenigen, die sich dort nach 1920 niedergelassen hatten, und rund 5000 Deutsche das Olsagebiet.[2].
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde das Olsagebiet am 3. September 1939 von Truppen der anrückenden deutschen Heeresgruppe Süd besetzt und dem Militärbereich Oberschlesien unterstellt. Am 26. Oktober 1939 wurde das Gebiet unter der Bezeichnung als Landkreise Teschen und Bielitz an den Regierungsbezirk Kattowitz der preußischen Provinz Schlesien angeschlossen. Die Nationalsozialisten planten die Germanisierung der Region, auch mittels Terror gegen die Zivilbevölkerung. Die ersten Verhaftungen und Erschießungen begannen direkt nach der Besetzung, wobei eine der größeren Verhaftungsaktionen im Frühjahr 1940 im Rahmen der „AB-Aktion“ stattfand und hauptsächlich gegen polnische Intellektuelle gerichtet war. In Oderberg, Freistadt und Petrowitz wurden sogenannte „Polenlager“ errichtet. Die Zahl der während der deutschen Besatzung ermordeten Teschener Juden wird auf 2000 bis 3000 geschätzt.
Nach Kriegsende 1945 wurde die Grenze von 1918 wiederhergestellt. Jedoch erneuerte die Volksrepublik Polen während der Moskauer Verhandlungen ihre Forderungen auf Zaolzie gegenüber der ČSR. Dabei wurden zusätzlich zur bisherigen ethnischen Argumentation auch Ausgleich für die Gebietsverluste nach der Westverschiebung, Polen verlor hierbei rund 77.000 km² (20%) des Staatsgebiets[3], vorgebracht. Die Tschechoslowakei lehnte das Ansinnen strikt ab und schlug dagegen einen Bevölkerungsaustausch wie in Ostpolen vor[4]. Nach jahrelangen harten Verhandlungen konnte der Streit schließlich beigelegt werden. Am 2. Juni 1958 verzichtete die Volksrepublik Polen auf ihren Gebietsanspruch und beide Staaten einigten sich auf kleine Grenzkorrekturen[5] sowie einen Grenzvertrag mit einem Grenzverlauf entlang der Olsa.
Demografische Daten
Ethnische Struktur Českotěšínsko/Zaolzie:
Jahr Total Polen Tschechen Deutsche Slowaken 1880[6] 94.370 71.239 16.425 6.672 - 1890[6] 107.675 86.674 13.580 7.388 - 1900[6] 143.220 115.392 14.093 13.476 - 1910[6] 179.145 123.923 32.821 22.312 - 1921[7] 177.176 68.034 88.556 18.260 - 1930[8] 216.255 76.230 120.639 17.182 - 1939[9] 213.867 51.499 44.579 38.408 - 1950[10] 219.811 59.005 155.146 - 4.388 1961[10] 281.183 58.876 205.785 - 13.233 1970[11] 350.825 56.075 263.047 - 26.806 1980[10] 366.559 51.586 281.584 - 28.719 1991[10] 368.355 43.479 263.941 706 26.629 Quelle: Zahradnik 1992, 178-179. Siwek 1996, 31-38. [12][13]
Weblinks
- Kurzer Abriss der Geschichte des Teschener Schlesien, Józef Szymeczek, Roman Kaszper (PDF-Datei; 268 kB)
- Dokumentation und Fotos (poln.)
- Interview mit Professor Jerzy Tomaszewski
Einzelnachweise
- ↑ Beneš-Memorandum Nr. 4 zur Pariser Friedenskonferenz: Das Problem des Teschener Schlesien
- ↑ a b c Kurzer Abriss der Geschichte des Teschener Schlesien, Józef Szymeczek, Roman Kaszper
- ↑ Staatsgebiet Polens 31. August 1939: 389.720 km², nach 1945: 312.685 km², Minderung: 77.035 km²
- ↑ Rüdiger Alte: Die Außenpolitik der Tschechoslowakei und die Entwicklung der internationalen Beziehungen 1946-1947, Oldenbourg
- ↑ Veränderung des Grenzverlaufs ab 10. Oktober 1958 in Gelb auf der Karte vermerkt.
- ↑ a b c d 1880, 1890, 1900 und 1910 Bevölkerung nach Muttersprache. (Siwek 1996, 31.)
- ↑ 1921 Befragung nach Muttersprache. (Siwek 1996, 32.)
- ↑ Nach Nationalität. (Siwek 1996, 32.)
- ↑ Volkszugehörigkeitdeklaration. (Siwek 1996, 32.)
- ↑ a b c d 1950, 1961, 1980 und 1991 Deklarierte Nationalität. (Siwek 1996. 37-38.)
- ↑ Nach Muttersprache. (Siwek 1996, 37.)
- ↑ Zahradnik 1992, 178-179.
- ↑ Siwek 1996, 31-38.
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