Operation Condor

Operation Condor
An der Operation Condor teilnehmende Staaten; in rosa Staaten, die sich nur teilweise beteiligten

Unter dem Codenamen Operation Condor (span. Operación Cóndor) operierten in den 1970er und 1980er Jahren die Sicherheitsdienste von sechs lateinamerikanischen Ländern – Argentinien, Chile, Paraguay, Uruguay, Bolivien und Brasilien – und den Vereinigten Staaten[1], mit dem Ziel, linke politische und oppositionelle Kräfte weltweit zu verfolgen. In geringerem Umfang waren auch die Geheimdienste Perus und Ecuadors an den Aktionen beteiligt.[2]

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Nach dem bisherigen Kenntnisstand beschlossen die Vertreter der sechs Staaten auf Vorschlag des damaligen chilenischen Geheimdienstchefs Manuel Contreras am 25. November 1975 die grenzübergreifende Zusammenarbeit. Die Übereinkunft fiel mit dem 60. Geburtstag des damaligen chilenischen Diktators General Augusto Pinochet zusammen. Fünf Tage zuvor war der spanische Diktator Franco gestorben. Die Länder kooperierten beim Informationsaustausch sowie der Verfolgung und Tötung von als Staatsfeinden eingestuften politischen Gegnern in den Nachbarstaaten sowie im Ausland. Eine gemeinsame Informationszentrale wurde im Hauptquartier der chilenischen Geheimpolizei, der DINA, eingerichtet.[3][4]

Intern wurden die geheim gehaltenen Aktivitäten mit der Ausschaltung von Regimegegnern sowie als Kampf gegen internationale terroristische Elemente begründet. Dabei setzten die Geheimdienste ihre Agenten auf die Spur von Gegnern der Militärregime, linken Politikern, Priestern, Gewerkschaftern, Oppositionellen sowie Vertretern von Menschenrechtsorganisationen. Die Opfer wurden in der Regel ohne Begründung oder gerichtliche Grundlage verhaftet oder verschleppt. Weil sie auf diese Weise oft einfach „verschwanden“ und nie mehr auftauchten, entstand in den betroffenen Ländern der Begriff Desaparecidos (span. Die Verschwundenen).

Mehrfach wurden auch im Ausland, u. a. in den USA, Italien, Frankreich und Portugal, Mordanschläge verübt. In mindestens zwei Fällen sollen westliche Geheimdienste im Exil lebende Oppositionelle vor den Condor-Agenten gewarnt und in Sicherheit gebracht haben. Unter anderem wird das tödliche Attentat auf den ehemaligen chilenischen Außenminister Orlando Letelier im September 1976 in Washington (Autobombenanschlag) mit Agenten der Operation Condor in Verbindung gebracht. DINA-Chef Manuel Contreras wurde für diese Tat vor einem US-Gericht angeklagt (siehe Rolle der USA). Im Jahr 2004 wurde er wegen „gewaltsamen Verschleppens von Personen“ in Chile zu 12 Jahren Haft verurteilt (siehe Juristische Aufarbeitung).

Opfer

Gedenkmarsch mit Fotos von Verschwundenen zum Anlass des dreißigsten Jahrestages des Militärputsches in Argentinien, 24. März 2006.

Nach dem bisherigen Stand der offiziellen Ermittlung sowie der Auswertung von Dokumenten fielen mindestens 200 Personen der Zusammenarbeit der Staaten während der Operation Condor zum Opfer. Die weitaus größere Zahl der Opfer ist jedoch auf direkte Maßnahmen der nationalen Regierungen gegen ihre eigenen Bürger zurückzuführen, allein in Argentinien gelten etwa 30.000 Menschen als dauerhaft verschwunden, in Chile 2.950. Doch die Bilanz der lateinamerikanischen Repressionspolitik ist nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen weitaus höher: Etwa 50.000 Ermordete, 35.000 Verschwundene und 400.000 Gefangene.[5]

Juristische Aufarbeitung

Die Geheimdienstoperation wurde durch Zufall bekannt, als bei Recherchen des paraguayischen Anwalts Martín Almada im Dezember 1992 in einer Polizeistation im Vorort der Hauptstadt Asunción Dokumente über die Operation Condor entdeckt wurden. Diese so genannten Terrorarchive führten zu intensiven Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in den inzwischen demokratisch regierten Ländern.

Paraguays ehemaliger Diktator Alfredo Stroessner wurde in mehreren Fällen im Rahmen der Operation Condor angeklagt – er starb jedoch im brasilianischen Exil geschützt vor einer Strafverfolgung. Am 13. Dezember 2004 erhob ein chilenisches Gericht Anklage gegen den chilenischen Ex-Diktator Pinochet. Argentiniens Ex-Staatschef Jorge Rafael Videla stand in seinem Land bereits wegen einiger anderer Anklagen unter Hausarrest und wurde im Oktober 2008 in ein Gefängnis verlegt.[6] Die angeklagten Politiker, die sich bisher zu den Vorwürfen geäußert haben, lehnen jede Verantwortung für die Operation Condor ab und beschuldigen die nationalen Polizeidienste. Bisher wurden nur wenige Beteiligte rechtskräftig verurteilt, unter anderem der chilenische DINA-Chef Manuel Contreras sowie einer seiner Offiziere. Ein juristischer Nachweis der Beteiligung der Militärmachthaber selbst gelang bisher nicht. Manuel Contreras wurde am 16. April 2003 von einem chilenischen Gericht zu 15 Jahren Haft verurteilt. Im Januar 2004 bestätigte ein Berufungsgericht den Schuldspruch, setzte seine Strafe aber auf 12 Jahre herab. Es handelte sich dabei um die erste Verurteilung wegen „gewaltsamen Verschleppens von Personen“ während der Militärdiktatur in Chile.

Seit April 2009 befindet sich Sabino Montanaro wieder in Paraguay. Montanaro war erst Chef der paraguayischen Geheimpolizei und später Innenminister unter Diktator Stroessner. Ihm wird eine tragende Rolle bei der Operation Condor zugeschrieben. Er setzte sich 1989 mit einem Diplomatenpass nach Honduras ab. Zur Zeit befindet er sich unter Beobachtung in einem Polizeikrankenhaus in Asunción. Ob Anklage erhoben wird ist noch unklar, da er zu krank und alt für eine Gerichtsverhandlung erscheint.[7]

Rolle der USA und Frankreichs

Die Rolle der US-Regierung und der US-Geheimdienste bei der Operation Condor ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. In den Jahren 2000 und 2001 veröffentlichte US-Geheimdienstdokumente[8] legen den Schluss nahe, dass das FBI und der amerikanische Geheimdienst CIA von den Aktivitäten Kenntnis hatten, sie duldeten und logistisch und technisch unterstützten. Den Dokumenten zufolge lieferten sie technische Hilfsmittel und gaben Ausbildungskurse für die Agenten. Eine wichtige Rolle spielte dabei das militärische Ausbildungszentrum School of the Americas in der Kanalzone Panamas.

Französische Veteranen aus dem Algerienkrieg schulten Offiziere der Militärregime in der so genannten Französischen Doktrin, die ein umfassendes Instrumentarium zur Unterdrückung von Oppositionellen darstellt und unter anderem die systematische Folter und Ermordung von Verdächtigen umfasst.[9]

Laut einem internen CIA-Untersuchungsbericht hielt die Behörde von 1974 bis 1977 enge Kontakte zum Leiter der Operation Condor, Manuel Contreras.[10] Die CIA bestätigte auch, zu mindestens einem Zeitpunkt Zahlungen an Contreras geleistet zu haben, die Summe wurde nicht veröffentlicht. Als Contreras 1976 wegen des Mordes an Orlando Letelier in Washington von einem US-Bundesschöffengericht (federal grand jury) angeklagt wurde, hatte die CIA diese Information zurückgehalten, sie kam erst im Jahr 2000 an die Öffentlichkeit.

Unter den im Jahr 2000 freigegebenen US-Dokumenten befand sich auch ein Telegramm[11] des damaligen US-Botschafters in Panama an den US-Außenminister aus dem Jahr 1978. Darin berichtet der Absender, dass eine US-Nachrichtenzentrale in Panama für den Informationsaustausch der Condor-Agenten diene. Er drückte die Befürchtung aus, dass das Bekanntwerden dieser Tatsache ein schlechtes Licht auf die Rolle von US-Behörden bei der Ermordung von Orlando Letelier werfen könnte, die zu dieser Zeit Gegenstand eines Strafprozesses in den USA war.

Vor allem dem US-Sicherheitsberater (1969 - 1973) und Außenminister (1973 - 1977) Henry Kissinger wird aufgrund von Dokumenten vorgeworfen, dass er die Aktion aktiv unterstützt habe, da er in den lateinamerikanischen Ländern kommunistische Revolutionen fürchtete (Domino-Theorie) und die diktatorischen Machthaber als Verbündete der USA im Kampf gegen den Kommunismus ansah. Deshalb forderte der Anwalt eines Opfers der Militärdiktatur in Uruguay die Auslieferung des ehemaligen US-Außenministers und Friedensnobelpreisträgers an das südamerikanische Land.[12] Kissinger droht heute Strafverfolgung wegen (unter anderem) dieser Vorgänge in mehreren - auch europäischen - Ländern, weshalb er nur noch selten die USA verlässt.[13]

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Eichner: Operation CONDOR. Eine Internationale des Terrors. Verlag Wiljo Heinen, Berlin 2009, ISBN 978-3-939828-42-6.
  • Stella Calloni: Operación Condor. Lateinamerika im Griff der Todesschwadronen. Zambon Verlag, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-88975-144-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [Languth, Hikden. Terrors. Pantheon, New York, 1978]
  2. Predatory States. Operation Condor and Covert War in Latin America/When States Kill. Latin America, the U.S., and Technologies of Terror
  3. Virtual Truth Commission: Reports by Topic: Operation Condor, 27. Juni 1999
  4. National Security Archive: RENDITION IN THE SOUTHERN CONE: OPERATION CONDOR DOCUMENTS REVEALED FROM PARAGUAYAN ‘ARCHIVE OF TERROR’, 21. Dezember 2007
  5. http://www.tagesschau.de/ausland/meldung77018.html (nicht mehr online verfügbar)
  6. Luka Andric: Argentiniens Ex-Diktator Videla wieder vor Gericht. In: Welt online. 3. Dezember 2008, abgerufen am 11. Mai 2009.
  7. Ailing Stroessner Henchman Returns to Paraguay. In: Latin American Herald Tribune. 4. Mai 2009, abgerufen am 5. Mai 2009 (englisch).
  8. National Security Archive: Chile: 16,000 Secret Documents Declassified. CIA Forced to Release Hundreds of Records of Covert Operations, 13. November 2000
  9. Marie-Monique Robin: Todesschwadronen - Wie Frankreich Folter und Terror exportierte. In: Arte Programmarchiv. 8. September 2004, abgerufen am 13. Januar 2009.
  10. Christopher Hitchens: The Case Against Henry Kissinger. In: Harper's Magazine. Februar 2001 (Seite 37, Online als PDF).
  11. Telegramm des US-Botschafters in Panama zur Nutzung von US-Einrichtungen durch Condor-Agenten, 20. Oktober 1978, Quelle: George Washington University
  12. http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB312/
  13. Christopher Hitchens: The Case Against Henry Kissinger. In: Harper's Magazine. Februar 2001 (Seiten 2/3 sowie vorletzte Seite, Online als PDF).

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