- Otto Schoetensack
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Otto Karl Friedrich Schoetensack (* 12. Juli 1850 in Stendal; † 23. Dezember 1912 in Ospedaletti, Ligurien, Italien) war ein deutscher Anthropologe und Vorgeschichtler, der 1908 den Unterkiefer von Mauer wissenschaftlich beschrieb und als Homo heidelbergensis benannte. Spätere Paläoanthropologen benutzten diesen Artnamen als Bezeichnung für die europäischen Nachfahren des Homo erectus, das heißt für Fossilfunde der Gattung Homo aus der Zeit von vor ca. 600.000 bis vor 200.000 Jahren.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend
Otto Schoetensack war der jüngste von fünf Söhnen des Stendaler Gymnasiallehrers Heinrich August Schoetensack (1812–1891), der sich mit Sprachwissenschaft und Geschichte beschäftigte. 1867 verließ Otto als Sekundaner das Gymnasium und begann ein Jahr später eine Lehre als Drogist in Hamburg. Diese Lehre bildete eine Grundlage für seinen späteren Erfolg mit einer chemischen Fabrik.
Laufbahn als Unternehmer
Im Herbst 1877 gründete Schoetensack mit einem Mitgesellschafter eine OHG, die im selben Jahr in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Der Hauptsitz der AG war Mannheim, das Werk lag in Ludwigshafen. Das Aktienkapital betrug 900.000 Mark; 200 Arbeiter waren beschäftigt und die Firma lieferte u. a. große Mengen Äther an einen Mannheimer Unternehmer (Boehringer Mannheim). Außerdem wurden z. B. Chloralhydrat, Chloroform und Gallussäuren hergestellt.
Die Firma prosperierte, allerdings hatte der Erfolg den Nebeneffekt, dass Schoetensack seine Gesundheit nachhaltig schädigte, da keine Vorkehrungen zum Schutz vor den Chemikalien getroffen wurden. Er litt zunehmend an einer chronischen Bronchitis und war gezwungen das Werk zu verkaufen. So finanziell abgesichert, konnte sich Schoetensack seinem Hauptinteresse, der Wissenschaft, widmen.
Wissenschaftliche Laufbahn
1883 zog Otto Schoetensack mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen nach Freiburg im Breisgau. Er begann nun, mit Mitte dreißig, ein Studium der Mineralogie, Geologie, Anthropologie und Paläontologie und anderer Wissenschaften. Mit reichem Wissen versehen, zog er dann 1888 nach Heidelberg, wohl auch aus gesundheitlichen Gründen.
Ihn beschäftigte zunehmend die Frage, woher wohl der Mensch komme, und er richtete sein Augenmerk auf die Sandgruben der Umgebung, so auch auf eine in der Nähe von Mauer gelegene Grube. Mit dem Eigner, Herrn Rösch, war er freundschaftlich verbunden. Otto Schoetensack ließ die Grube überwachen und sorgte dafür, dass die Arbeiter sorgsam mit Funden umgingen und diese umgehend in Heidelberg meldeten.
Nachdem er mit Ende vierzig das Abitur nachgeholt hatte, habilitierte er sich 1904 an der Universität Heidelberg als Dozent für die Frühgeschichte des Menschen.
Otto Schoetensack war Mitglied der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Der Fund des Unterkiefers von Mauer
Die Entdeckung, die Schoetensacks wissenschaftliche Laufbahn krönte, trug sich im Herbst 1907 zu: Am 21. Oktober wurde in der Sandgrube Grafenrain bei Mauer vom Arbeiter Daniel Hartmann ein fossiler Unterkiefer geborgen (Unterkiefer von Mauer). Am nächsten Tag wurde Schoetensack unterrichtet.
Die fast 20 Jahre währende planmäßige Überwachung der Sandgrube hatte sich ausgezahlt und Schoetensack konnte, nach allerdings intensiven Forschungsarbeiten und Unterstützung u.a. durch Hermann Klaatsch, belegen, dass es sich um den Unterkiefer eines Mitglieds der Gattung Homo handelte. Er nannte das Fossil als Reminiszenz an den Fundort und seine Wahlheimat Homo heidelbergensis. In seinem wissenschaftlichen Hauptwerk „Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des Menschen“ fasste er ein Jahr später seine Erkenntnisse und Theorien zusammen. Das Werk, mit dem Schoetensack weltweit bekannt wurde, gilt noch heute als vorbildliche Fundbeschreibung, da er beispielsweise die Fundstelle von einem Geometer auf den Zentimeter genau vermessen ließ.
Letzte Jahre
Die Gesundheit von Schoetensack ließ, wohl auch bedingt durch die Anstrengungen, die mit dem Fund zusammenhingen, immer mehr nach. Er war kaum mehr in der Lage, sein Werk in Vorträgen darzustellen. Otto Schoetensack verstarb am 23. Dezember 1912 im italienischen Ospedaletti, wo er Linderung seiner Beschwerden erhofft hatte, im Alter von 62 Jahren. Seine Ehefrau Maria Luise, geb. Schneider überlebte ihren Gatten um 26 Jahre. Anlässlich ihres Todes im Jahre 1938, und ihrer Beisetzung auf dem Bergfriedhof (Heidelberg), wurden die Gebeine ihres Mannes nach Heidelberg überführt. So fand Otto Schoetensack seine letzte Ruhestätte am Ort seiner erfolgreichsten Forscherzeit in Heidelberg auf dem Bergfriedhof (Heidelberg), in der Waldabteilung, (Lit. WB 12) bei seiner Frau Maria Luise.
Die Schoetensacks lebten in ihrer Heidelberger Zeit in der Blumenstraße 1 in einem Haus, das sie im Jahre 1888 kauften. Otto Schoetensack zur Ehre ist an diesem Haus eine bronzene Gedenktafel angebracht.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen (Auswahl)
- mit Eduard Krause: Die megalithischen Gräber (Steingrabkammern) Deutschlands. In: Zeitschrift für Ethnologie. Band 25, 1893, S. 105.
- Über die Bedeutung der „Hocker“-Bestattung. In: Zeitschrift für Ethnologie. Band 33, 1901, S. 522.
- Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des Menschen. Leipzig 1908. Gutenberg eText
Literatur
- Wolfgang Schoetensack, Jürgen Schoetensack: Das Leben von Prof. Dr. Otto Schoetensack. In: Günther A. Wagner, Karl W. Beinhauer (Hrsg.): Homo heidelbergensis von Mauer. Das Auftreten des Menschen in Europa. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1997, ISBN 3-8253-7105-0, S. 62–71.
- Gerfried Ziegelmayer: Schoetensack, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 436 f.
Weblinks
- Literatur von und über Otto Schoetensack im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Das Leben von Prof. Dr. Otto Schoetensack - Privatseite eines Nachfahren
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