Otto Stich

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Otto Stich

Otto Anton Stich (* 10. Januar 1927 in Dornach; heimatberechtigt in Kleinlützel) ist ein Schweizer Politiker (SP).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Otto Stich wurde als Sohn des Mechanikers Otto Stich und seiner Frau Rosa, geb. Gunzinger, in Dornach geboren, wo er auch aufwuchs und die Primar- und Bezirksschule besuchte. Seine Eltern waren beide sozialdemokratisch engagiert, sein Vater gehörte dem Gemeinderat an. Die Politik war ein wichtiges Gesprächsthema in der Familie, gerade auch wegen der damaligen Bedrohung durch Faschismus und wegen des Zweiten Weltkriegs.

Stich studierte an der Universität Basel bei Professor Edgar Salin Wirtschaft. 1953 wurde er diplomierter Handelslehrer, und 1955 promovierte er zum Doktor der Staatswissenschaften. Danach unterrichtete er an der Gewerbeschule Basel die Fächer Deutsch, Geschäfts-, Wirtschafts- und Staatskunde.

Gemeinderat und Nationalrat

1947, im Alter von 20 Jahren, wurde Otto Stich Mitglied der sozialdemokratischen Partei des Kantons Solothurn. Mit 26 Jahren begann seine politische Karriere mit einem Sitz in der Dornacher Rechnungsprüfungskommission. Vier Jahre später, im Jahre 1957, wurde er in den Gemeinderat gewählt und konnte nach einer familieninternen Aussprache mit seinem Vater auch dessen Amt des Gemeindeammanns übernehmen.

1959 kandidierte Stich erstmals für den Nationalrat. Da aber die Bisherigen wieder antraten, war Stich chancenlos. Vier Jahre später jedoch konnte Stich für Willi Ritschard, der zugunsten eines kantonalen Amtes auf ein nationales verzichtete, nachrutschen und wurde knapp in den Nationalrat gewählt. 48 Stimmen Vorsprung waren es bei der ersten Zählung, 24 bei der zweiten und 12 bei der dritten und letzten Zählung.

Im Nationalrat machte Stich vor allem in Wirtschafts- und Finanzfragen von sich reden. Ab 1971 war er auch Präsident der Wirtschafts- und Finanzkommission. 1970 trat er bei Coop Schweiz die Stelle als Personalchef an und wurde später Mitglied der Direktion.

1983 wurde Stich von seiner kantonalen Partei indirekt aufgefordert, nicht mehr für den Nationalrat zu kandidieren. Vor allem Ernst Leuenberger (der am Ende seiner politischen Karriere sechs Jahre länger den eidgenössischen Räten angehört hat als Stich) und Rolf Ritschard wollten den „Sesselkleber“ Stich von seinem Sitz drängen.

Bundesrat

Willi Ritschard kündigte am 3. Oktober 1983 im Parlament seinen Rücktritt an. Stich sass zu diesem Zeitpunkt die letzte Woche im Parlament, da er bei den kurz bevorstehenden Erneuerungswahlen nicht mehr kandidierte. Die SP-Fraktion der Bundesversammlung schlug Lilian Uchtenhagen, eine von Stichs Studienkollegen, als Ritschards Nachfolgerin vor. Uchtenhagen wurde während der Wahlvorbereitungen entsprechend auch als Favoritin behandelt. Am 7. Dezember 1983 wurde Stich dann aber unerwartet in den Bundesrat gewählt. Im ersten Wahlgang wurde Stich mit 124 Stimmen gewählt; Uchtenhagen musste sich mit 96 Stimmen begnügen. Gewählt wurde Stich – nach der seither so genannten „Nacht der langen Messer“ – von der bürgerlichen Mehrheit, die Frau Uchtenhagen teils als Person, teils als Vertreterin der Linken nicht zur ersten Bundesrätin wählen wollte. Stich teilte damit das Schicksal seiner beiden Vorgänger Hans-Peter Tschudi und Willi Ritschard, die 1959 bzw. 1973 ebenfalls gegen den offiziellen Kandidaten der SP-Fraktion in den Bundesrat gewählt wurden.

Kurz nach seiner Wahl in den Bundesrat erhielt Otto Stich eine Einladung zu einem Arbeitslunch mit Ringier-Publizist Frank A. Meyer, dem er ausrichten liess: „Erstens pflege ich beim Arbeiten nicht zu essen und zweitens beim Essen nicht zu arbeiten. Und drittens möchte ich beides eigentlich ohne Frank A. Meyer tun.“

Die Nichtwahl der offiziellen Kandidatin löste in der Sozialdemokratischen Partei eine Diskussion über den Rückzug aus dem Bundesrat, wie er von der Parteileitung beantragt wurde, aus und führte zu einer Zerreissprobe. Ein rekordmässig beschickter ausserordentlicher Parteitag beschloss im Februar 1984 in Bern mit grossem Mehr den Verbleib im Bundesrat.

Während seiner Amtszeit stand Stich dem Finanzdepartement vor. In den Jahren 1988 und 1994 war er Bundespräsident. Stich vermochte den ob seiner Wahl enttäuschten Teil der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schon nach kurzer Zeit seiner Amtsführung für sich einzunehmen. Er überzeugte vor allem mit der Hartnäckigkeit und dem Sachverstand, mit dem er im mehrheitlich bürgerlichen Gremium linke Positionen zu verteidigen verstand. „Ob Astag oder Banken, unser Otto wird nicht wanken“, plakatierte die sozialdemokratische Basis schon in seinem ersten Amtsjahr.

Am 31. August 1995 kündigte Stich per 31. Oktober seinen Rücktritt aus dem Bundesrat an. Er begründete seinen Rücktritt vor allem mit seinem Alter. Später gestand er, dass es einen Zusammenhang gab mit einer Niederlage im Bundesrat beim Entscheid, die NEAT mit dem Lötschberg-Basistunnel zu bauen.[1]

Im Gegensatz zu vielen ehemaligen Bundesräten nimmt Stich auch nach seinem Rücktritt immer wieder an der politischen Diskussion teil; er sagt, das Recht dazu habe er genau so wie jeder andere Bürger.

Literatur

  • Peter Graf und Jean-Noël Rey (Hrsg.): Otto Stich und die Kunst des Möglichen. Ein politisches Lesebuch. Zytglogge, Gümligen 1987
  • Martin Beglinger: Otto Stich, der rote Eidgenosse. Werd, Zürich 1996

Weblinks

Einzelnachweise

  1. SRG SSR Timeline


Vorgänger Amt Nachfolger
Willi Ritschard Mitglied im Schweizer Bundesrat
1984–1995
Moritz Leuenberger

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