Palmaille

Palmaille
Palmaille (um 1860). Ausschnitt aus der Lithographie "Panorama von Altona" von Julius Gottheil[1]
Die Palmaille auf einer Karte von 1890 (Ausschnitt) vor der Verlegung des Altonaer Bahnhofs an seinen heutigen Standort

Die Palmaille (frz. [palˈmɑj], regional vor allem [palˈmaljə]) ist eine Straße in Hamburg-Altona. Sie gehört zu den ältesten Straßen der Stadt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Angelegt wurde die Palmaille 1638, mitten im Dreißigjährigen Krieg, für das dem Croquet verwandte italienischen Ballspiel Palla a maglio (französisch Pallmail, niederländisch Palmalie oder Palmaille, englisch Pall Mall). Der junge Landesherr Graf Otto V. von Schauenburg ließ dafür auf dem Elbhang zwischen Altona und der Vogtei Ottensen in unbebautem Gebiet eine 647 Meter lange, ebene Spielbahn anlegen, die seitlich mit insgesamt 400 Linden bepflanzt wurde und an deren Enden zwei eiserne Torbögen standen, durch die man den Holzball mit einem Schläger treiben musste. Falls die Bahn überhaupt je eröffnet wurde,[2] kann der Graf sie nicht häufig genutzt haben, denn er starb bereits am 15. November 1640.[3]

Daraufhin kam Altona 1647 mit Holstein-Pinneberg zum Herzogtum Holstein. Am 23. August 1664 verlieh der König Friedrich III. von Dänemark, der nunmehrige Landesherr, Altona die Stadtrechte. Die Palmaille verfiel und wurde teilweise von Seilmachern (Reepschlägern) als Arbeits- und Lagerfläche für ihre langen Taue genutzt, teilweise auch bebaut. 1706 erwarb sie der Kaufmann Hinrich van der Smissen.[4] Nachdem Altona im Januar 1713 von schwedischen Truppen unter Feldmarschall Magnus Stenbock niedergebrannt worden war („Schwedenbrand“), ließ der Oberpräsident der Stadt, Christian Detlev von Reventlow, 1717 an der Palmaille vier Lindenreihen pflanzen und beidseitig Fahrwege anlegen, um eine „publike Allee“ zu schaffen; dazu musste er „sanften Druck“ auf einige Grundbesitzer ausüben, damit sie ihre Grundstücke gegen Entschädigung hergaben. 1757 wurde Cay Dose, der Erbauer der Hauptkirche St. Trinitatis, vom dänischen König mit Entwürfen für ein Schloss am Ostende der Palmaille beauftragt; der Bau gelangte jedoch nie über die Planungsphase hinaus.

Hansens Palmaille 49-59

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entstanden beiderseits der Straße überwiegend repräsentative Gebäude. Insbesondere die Bauten, die der klassizistische dänische Architekt Christian Frederik Hansen und sein Neffe Johann Matthias Hansen 1786 - 1825 errichteten, prägen das Gesicht dieser Prachtstraße. Davon erhalten sind die Ensembles Palmaille 49–65 und 112–120.

Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde die Straße zu einer bevorzugten großbürgerlichen Wohngegend.

Barockes Wohnhaus von H.C. Schumacher in Bildmitte

1823 richtete der dänische Hofastronom und Geodät Heinrich Christian Schumacher in der Palmaille 9 die Sternwarte Altona ein. Die Sternwarte wurde bis 1871 betrieben, das Gebäude 1941 bei einem Bombenangriff zerstört.

Nach 1866 entstand hier die preußische Generalkommandantur. Der Dichter Detlev von Liliencron wohnte von 1892 bis 1901 in Haus Nr. 5 und in dem erhaltenen Haus Nr. 100.[5]

1905 wurden die fast 200 Jahre alten Linden gefällt. Durch Nachpflanzung wölbt sich inzwischen wieder ein (allerdings nur noch zweireihiges) Blätterdach über dem breiten autofreien Mittelstreifen.

Als das alte Altona in den Bombennächten des 2. Weltkriegs in Schutt und Asche sank, wurde auch die Palmaille zu zwei Dritteln zerstört.[6] Für den Wiederaufbau bestimmte die Verordnung zur Gestaltung der Palmaille vom 9. September 1952:[7]

„Für die baupflegerische Gestaltung der Palmaille dient der auf der Südseite auf den Grundstücken [Haus-Nr. 47–65] und auf der Nordseite auf den Grundstücken [Haus-Nr. 100–124] noch erhaltene historische Teil als architektonischer Maßstab.“

Daran hielt man sich nur teilweise und gestattete auf dem Grundstück Palmaille 35 einen 75 Meter hohen Neubau.[8][9] Hinter den schönen Fassaden finden sich nur noch wenige Wohnungen, dafür zahlreiche Firmensitze.

Heutzutage ist die Palmaille eine vierspurige Hauptstraße, die die Hamburger Innenstadt und den Altonaer Fischmarkt mit dem Altonaer Rathaus und der Elbchaussee Richtung Elbvororte verbindet.

Einzelne Gebäude und Ensembles

Südseite

Nr. 49: Das Haus Baur wurde 1801/05 von Christian Frederik Hansen für Georg Friedrich Baur errichtet. Die Mitte der Straßenfront ziert ein ionisches Säulenportal, die Gartenseite eine imposante dreibogige Säulenloggia, die bei einem Umbau 1867/68 zugemauert wurde. 1937 wurde sie wieder hergestellt und auch das Innere durch Mogens Koch aufwendig restauriert. Das Palais beherbergt seit Jahrzehnten die Zentrale der Reederei Deutsche Afrika-Linien/John T. Essberger. Für ihre Zwecke wurden 1967 Nebengebäude auf dem Grundstück durch ein freistehendes viergeschossige Bürohaus von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg ersetzt.[10][11] Im Park südlich des Grundstücks ist das Denkmal für die am 9. Mai 1864 im Seegefecht bei Helgoland Gefallenen der österreichischen Marine aufgestellt, das sich ursprünglich beim Realgymnasium in der Königstraße befunden hatte.

Nr. 53-65: 1824/25 ließ Baur durch Johann Matthias Hansen eine Flucht von zehn Mietshäusern errichten, um die Bebauung der Palmaille in einheitlichem Stil zu vervollständigen. Die Fassade des Hauses Nr. 57 wurde 1952 rekonstruiert.[12] Die Häuser Nr. 67-71 wurden 1901 dem neuen Generalkommando der Garnison Altona geopfert, das sich seinerseits nicht erhalten hat.[13]

Die Häuser Nr. 73-79 am westlichen Ende entstanden in der Gründerzeit für Altonaer Patrizierfamilien. Beim Umbau 1982 zu einem Bürohaus der späteren Wünsche AG mit großzügiger Tiefgarage blieben im Wesentlichen nur die Straßenfassaden erhalten.[14]

Nordseite

Das Ensemble Nr. 112-120 stammt von Christian Frederik Hansen. Nr. 112 errichtete er 1797/98 für den Bankier Salomon Dehn (1944 beschädigt, 1958/59 instandgesetzt). Nr. 120 (Haus Jacobsen) baute er 1802; es wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wesentlich erweitert und umgestaltet. Nr. 118 entstand 1803/4. Die Fassade wurde 1962/63 nach der Zeichnung Hansens rekonstruiert, die hinteren Teile des Baues 1969 unter Erhöhung um ein Mezzaningeschoss vollständig erneuert. Nr. 116 baute Hansen ebenfalls 1803/4 als Wohnhaus für sich selbst. Die markante Fassade mit fensterlosem, als Sockel gequaderten Erdgeschoss und der dreiteiligen Fenstergruppe mit jonischen Pilastern und flachem Dreiecksgiebel wurde 1952 rekonstruiert und der gesamte Bau 1973 durch Cäsar Pinnau weitgehend auch im Innern in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt.[15][16] Unter Denkmalschutz stehen außerdem Nr. 100 (schlichter dreigeschossiger Putzbau, zwischen 1788 und 1795 erbaut, Gedenktafel für den Bewohner Detlev von Liliencron), Nr. 104 und 106 (Bürgerhäuser von 1780/90) sowie Nr. 126 und 130 (Gründerzeit-Gesamtanlage von 1890, Vorderhaus, Hofraum mit Grünfläche und Rondell sowie Hinterhaus und rückwärtige Freiflächen, Entwurf: Gustav Otte).[17]

Literatur

  • Hans Berlage: Altona. Ein Stadtschicksal. Broschek, Hamburg 1937
  • Hans-Günther Freitag, Hans-Werner Engels: Altona. Hamburgs schöne Schwester. A. Springer, Hamburg 1982
  • Renata Klée Gobert: Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg. Band II Altona Elbvororte. C. Wegner, Hamburg 1959
  • Paul Th. Hoffmann: Neues Altona 1919-1929. Zehn Jahre Aufbau einer deutschen Großstadt. 2 Bde., E. Diederichs, Jena 1929
  • P. [Paul] Piper: Altonas Brand am 8. Januar 1713. J. Harder, Altona 1913
  • Christoph Timm: Altona-Altstadt und -Nord. Denkmaltopographie. Christians, Hamburg 1987 ISBN 3-7672-9997-6
  • Agathe Wucher: Die gewerbliche Entwicklung der Stadt Altona im Zeitalter des Merkantilismus (1664-1803). in: Martin Ewald (Hg.): 300 Jahre Altona. Beiträge zu seiner Geschichte. H. Christians, Hamburg 1964

Einzelnachweise

  1. museen-sh.de
  2. „Der Spielbetrieb wurde wahrscheinlich nie eröffnet“, vermutet Timm, S. 51, der als Erbauer Otto VI. nennt.
  3. Der Journalist Dierk Strotmann formuliert im Hamburger Abendblatt vom 12. April 2008: „1638 ordnete Otto an, den Weg von der Breiten Gasse nach Ottensen mit jeweils 100 Linden in vier Reihen zu bepflanzen, was drei Bahnen von genau 647 Metern ergab. Da Otto nur relativ selten vor Ort war und Altona damals nur ein winziges Kaff mit knapp 2000 Einwohnern, die meist mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt als Handwerker erarbeiteten, war jedem klar, was er damit bezweckte. Er wollte aus dem mindestens 40-mal größeren und um ein Vielfaches reicheren Hamburg betuchte ‚Mailspieler‘ anlocken und denen die Spielflächen […] für gutes Geld vermieten. Es war eine Fehlinvestition, zumal schon bald der ‚Spiritus Rector‘, der leitende Geist, fehlte. […] Aus Hamburg ließ sich kaum jemand blicken, im Gegenteil, man baute 1665 auf dem Reesendamm eine eigene Bahn, sodass dieser dann ebenfalls Palmaille hieß, allerdings nur [bis] 1684 […].“
  4. Dehio Handbuch (bearb. Johannes Habich) 1971, S. 45
  5. http://www.richard-dehmel.de/rdehmel/hamburg/spuren.html
  6. Dehio Handbuch (bearb. Johannes Habich) 1971, S. 46
  7. http://hh.juris.de/hh/gesamt/PalmGestV_HA.htm#PalmGestV_HA_rahmen
  8. http://www.emporis.com/application/?nav=building&lng=4&id=palmaille35-hamburg-germany
  9. Hochhaus Palmaille 35
  10. Ralf Lange, Architekturführer Hamburg, S. 104 f.
  11. http://www.rantzau.de/About/About.aspx
  12. Dehio Handbuch a.a.O.
  13. Lange a.a.O.
  14. Timm, S. 52
  15. Dehio Handbuch a.a.O.
  16. Lange a.a.O.
  17. Denkmalliste Hamburg S. 165 f.; auch Timm S. 52
53.5461111111119.9388888888889

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