- Polynomring
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Unter dem Polynomring R[X] versteht man anschaulich die Menge aller Polynome mit Koeffizienten aus einem Ring R und der Variablen X. Da man, wie in den Beispielen erläutert, nicht immer alle Polynome mit Polynomfunktionen identifizieren kann, muss im folgenden exakt definiert werden, was ein Polynomring sein soll.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Ausgehend von einem kommutativen Grundring R kann man den Polynomring als den Raum
der endlichen Folgen in R definieren, ausgestattet mit der komponentenweisen Addition
und der durch die Faltung definierten Multiplikation
- .
Durch diese Verknüpfungen wird auf dem Raum der endlichen Folgen eine Ringstruktur definiert.
Das neutrale Element bezüglich der Addition ist die Folge .
Falls R unitär ist (d. h. ein Einselement 1 besitzt), so ist die Folge das Einselement in , außerdem besitzt der Polynomring dann einen multiplikativen Erzeuger
- .
Mit dem Erzeuger X kann nun jedes Element f aus eindeutig in der geläufigen Polynomschreibweise
dargestellt werden.
Damit erhält man den Polynomring R[X] über R in der Unbestimmten X; generell wird anstelle der Schreibweise die Bezeichnung R[X] bevorzugt. Die einzelnen Folgenglieder ai nennt man die Koeffizienten des Polynoms.
Ist R kommutativ, so auch R[X].
Ist R faktoriell, so auch R[X] (Beweis über Inhalt des Polynoms). Ist R ein Körper, so ist insbesondere R[X] ein Hauptidealring[1] und euklidisch. Den Quotientenkörper von R[X] bezeichnet man dann mit R(X).
Eigenschaften
Gradsatz
Unter dem Grad eines Polynoms (engl.: degree), , versteht man die Zahl
- .
Es gilt offenbar:
- , wobei genau dann Gleichheit gilt, wenn R keine Nullteiler enthält.
Insbesondere ist genau dann auch R[X] nullteilerfrei.
Aus diesem Gradsatz folgt insbesondere, dass, wenn R ein Körper ist, die Einheiten genau den konstanten Polynomen mit Grad null entsprechen.
Ist R ein Körper, dann stellt der Grad vermöge des Gradsatzes eine nichtarchimedische Exponenten-Bewertung dar. Für diese Bewertung ist der Polynomring ein euklidischer Ring, d.h. es gibt eine Division mit Rest, bei der der Rest einen kleineren Grad hat als der Divisor.
Elementare Operationen, Polynomalgebra
In der Polynomschreibweise sehen Addition und Multiplikation für Elemente und des Polynomrings R[X] wie folgt aus:
- ,
Der Polynomring R[X] ist nicht nur ein kommutativer Ring, sondern auch ein Modul über R, wobei die skalare Multiplikation gliedweise definiert ist. Damit ist R[X] sogar eine kommutative assoziative Algebra über R.
Homomorphismen
Falls A und B kommutative Ringe sind und ein Homomorphismus ist, dann ist auch
- ein Homomorphismus.
Falls A und B kommutative Ringe sind und ein Homomorphismus ist, dann gibt es für jedes einen eindeutigen Homomorphismus , der eingeschränkt auf A gleich φ ist und für den ψ(X) = b gilt, nämlich .
Polynomfunktion und Einsetzungshomomorphismus
Ist
ein Polynom aus R[X], so nennt man
die zu f gehörende Polynomfunktion. Allgemeiner definiert f auch für jede Erweiterung S von R eine Polynomfunktion Der Index wird oft weggelassen.
Umgekehrt gibt es für ein festes Element einer kommutativen Erweiterung S von R bei variablem Polynom einen Ringhomomorphismus
bzw.
der Auswertung(-shomomorphismus) für s oder Einsetzung(-shomomorphismus) von s genannt wird.
Beispiele
- Setzen wir S = R[X] und s = X, so ist die identische Abbildung;
- Betrachten wir einen Polynomring mit zusätzlichen Unbestimmten (s. Polynome mit mehreren Veränderlichen) als Erweiterung von R[X], ergibt sich analog zur Konstruktion aus vorigem Beispiel der Einsetzungshomomorphismus als Monomorphismus von R[X] in
Polynome mit mehreren Veränderlichen
In vielen Fällen, zum Beispiel in der algebraischen Geometrie, benötigt man Polynome mit mehreren unabhängigen Veränderlichen. Den dafür zugrundeliegenden Polynomring kann man rekursiv so definieren:
Man betrachtet hier also Polynome in der Variablen Xn mit Koeffizienten aus dem Polynomring , wobei dieser wieder genauso definiert ist. Dies kann man solange fortsetzen, bis man bei der Definition des Polynomrings in einer Veränderlichen angekommen ist. Einsetzungshomomorphismus und Polynomfunktion werden hier analog definiert, und in kann man jedes Element eindeutig als
schreiben.
Der Polynomring in beliebig vielen Unbestimmten (mit einer Indexmenge J) kann entweder als der Monoidring über dem freien kommutativen Monoid über J oder als die Vereinigung (der Kolimes) der Polynomringe für endliche Teilmengen von J definiert werden.
Beispiele
Ein Polynom über einem endlichen Körper
Da in dem endlichen Körper die Einheitengruppe zyklisch mit der Ordnung q − 1 ist, gilt für die Gleichung xq = x. Deswegen ist der Einsetzungshomomorphismus des Polynoms
die Nullfunktion, obwohl f(X) nicht das Nullpolynom ist.
Ist q eine Primzahl, dann entspricht dies genau dem kleinen fermatschen Satz.
Ein Polynom mit zwei Veränderlichen
Sei . Die reellen Nullstellen dieses Polynoms sind alle Punkte der Einheitskreislinie, in Formeln
- .
Es gibt hier also unendlich viele Nullstellen, anders als in oder , wo jedes Polynom nur endlich viele Nullstellen hat.
Polynome im Komplexen
Jedes komplexe Polynom vom Grad n hat genau n Nullstellen in , wenn man jede Nullstelle gemäß ihrer Vielfachheit zählt. Dabei heißt eine Nullstelle z k-fach, falls (x − z)k ein Teiler von f ist, (x − z)k + 1 dagegen nicht mehr.
Insbesondere gilt dieser Fundamentalsatz der Algebra auch für reelle Polynome , wenn man diese als Polynome in auffaßt. Zum Beispiel hat das Polynom X2 + 1 die Nullstellen i und − i, da i2 = − 1 und ebenso ( − i)2 = − 1, also gilt X2 + 1 = (X + i)(X − i).
Polynomringe über Körpern
Ein Polynomring in einer Variablen über einem Körper ist ein Hauptidealring. Ein Polynomring in mehreren Variablen über einem Körper ist ein noetherscher Ring. Dies folgt aus dem hilbertschen Basissatz.
Verallgemeinerung
Den Begriff des Polynomrings kann man zu einem Monoidring verallgemeinern.
Einzelnachweise
- ↑ Gerd Fischer: Lehrbuch der Algebra. Vieweg, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0226-2.
Literatur
- Albrecht Beutelspacher: Lineare Algebra. Eine Einführung in die Wissenschaft der Vektoren, Abbildungen und Matrizen. Mit liebevollen Erklärungen, einleuchtenden Beispielen und lohnenden Übungsaufgaben, nicht ohne lustige Sprüche, launigen Ton und leichte Ironie, dargestellt zu Nutzen der Studierenden der ersten Semester. 6. durchgesehene und ergänzte Auflage. Vieweg, Braunschweig u. a. 2003, ISBN 3-528-56508-X (Mathematik für Studienanfänger).
- Siegfried Bosch: Algebra, 7. Auflage 2009, Springer-Verlag, ISBN 3-540-40388-4, doi:10.1007/978-3-540-92812-6.
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