- Postmortales Persönlichkeitsrecht
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Das postmortale Persönlichkeitsrecht betrifft die Fortwirkung eines Persönlichkeitsschutzes über den Tod einer Person hinaus (post mortem). Als Personenrecht ist es gesetzlich nicht fixiert.
Bezüglich der Rechtswirkung ist zwischen Grundrechten und einfachen Gesetzen zu unterscheiden. Das (Grund-)Recht auf informationelle Selbstbestimmung wie auch die übrigen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes enden mit dem Tod eines Menschen. Auch einfachgesetzliche Bestimmungen wie das Namensrecht oder der Datenschutz enden grundsätzlich mit dem Tod einer Person.
Inhaltsverzeichnis
Sonderregelungen
Der Gesetzgeber kann jedoch in einfachen Gesetzen bestimmen, dass besondere Persönlichkeitsrechte auch über den Tod hinaus wirken. Dies hat er beispielsweise im Urheberrechtsgesetz in Bezug auf das Urheberpersönlichkeitsrecht getan,[1] wobei auch die kommerzielle Verwertung über den Tod des Urhebers hinaus für eine bestimmte Zeit geschützt bleibt. Grundrechtlich ergibt sich ein postmortaler Persönlichkeitsschutz ausschließlich aus der Menschenwürde nach Art. 1 des Grundgesetzes, (weshalb die Bezeichnung postmortales Persönlichkeitsrecht hier irreführend ist): Der Wert- und Achtungsanspruch besteht zunächst fort, verblasst jedoch mit der Zeit.
„Das Schutzbedürfnis schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblaßt und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt (vgl. BGHZ 50, 133 (140 f.) = NJW 1968, 1773 = LM Art. 2 GG Nr. 40 und Art. 5 GG Nr. 27 - Mephisto; BVerfGE 30, 173 (196) = NJW 1971, 1645 - Mephisto). Anders als bei einem ausübenden Künstler, der z. B. als Theaterschauspieler oder -regisseur in der Regel nur seinen Zeitgenossen in Erinnerung bleiben wird, kann das künstlerische Ansehen und die künstlerische Wertschätzung bei einem bildenden Künstler, der seiner Nachwelt ein bleibendes Werk hinterläßt, noch Jahrzehnte nach dem Tode fortbestehen, ohne daß der erforderliche Bezug zur Person des Verstorbenen verlorengeht. Bei einem Maler, der – wie Emil Nolde – zu den namhaften Vertretern des deutschen Expressionismus zählt, ist auch rd. 3 Jahrzehnte nach dem Tode noch ein fortbestehendes Schutzbedürfnis anzuerkennen.“
– Bundesgerichtshof Entscheidung Emil Nolde, 1989[2]
Gegen die Verletzung des ideellen Anteils am postmortalen Persönlichkeitsrecht können nur nahestehenden Angehörige, i.d.R. die Totensorgepflichtigen oder Wahrnehmungsberechtigte, die der Betroffene zu Lebzeiten dazu berufen hat (dies kann unter Umständen auch eine Institution sein), vorgehen (Aktivlegitimation). Ein Anspruch auf Geldentschädigung ist dabei ausgeschlossen, weil dessen Genugtuungsfunktion nach dem Tode des Betroffenen ins Leere ginge. Bei Verletzung des vermögenswerten Aspektes des postmortalen Persönlichkeitsrechts stehen den Erben jedoch sowohl Abwehr- als auch Schadensersatzansprüche zu.
Beispiel
Die Witwe von Klaus Kinski und der Sohn Nikolai Kinski klagten 2008 unter Berufung auf das postmortale Persönlichkeitsrecht. Die Psychiatrieakten aus dem Jahre 1950 waren von Vivantes gemeinsam mit 100.000 weiteren für die Forschung an das Berliner Landesarchiv übergeben worden. Darin hatte ein Arzt dem Schauspieler „Gemeingefährlichkeit“ bescheinigt und sah „Anzeichen schwerer Geisteskrankheit“. Durch das Bekanntwerden waren die informellen Persönlichkeitsrechte des 18 Jahre zuvor Verstorbenen verletzt worden. Der Rechtsstreit des Sohnes mit dem Landesarchiv endete mit einem Vergleich. Der Gerichtspräsident verwies auf die „unheimlich schwierige Rechtsfrage“, das Persönlichkeits- gegen das Informationsrecht abzuwägen.[3]
Schutzdauer
Der Schutz des vermögenswerten Bestandteils des postmortalen Persönlichkeitsrechtes endet zehn Jahre nach dem Tod der Person. Die ideellen Bestandteile können dagegen auch nach Ablauf von zehn Jahren geschützt sein.[4] Das Recht am eigenen Bild kann von den Angehörigen bis zu zehn Jahre nach dem Tod geltend gemacht werden (§ 22 KunstUrhG). Archivische Sperrfristen tragen dem postmortalen Persönlichkeitsrecht Rechnung, indem sie die Einsicht in personenbezogene Unterlagen im Archivgut erst nach einiger Zeit (meist 10 oder 30 Jahre) nach Abschluss der Unterlagen freigeben.
Bei entsprechender Situation, wie dem Bezug von Provisionen aus Kunstwerken zu Lebzeiten, kann durchaus ein überragendes Interesse an einer Erhaltung eines Rechtes der verstorbenen Person bestehen.[5]
Historischer Rückblick
In Mittelalter und früher Neuzeit wurden die Toten in manchen Kontexten als eigenständige Rechtspersönlichkeiten gedacht, ihnen wurde also Rechtsfähigkeit zugesprochen. Zu diesem Thema hat der Göttinger Mediävist Otto Gerhard Oexle über Die Gegenwart der Toten abgehandelt[6]. Ein Beispiel für mittelalterliche Auffassungen hierzu ist die Leichensynode.
Weblinks
- BVerfG, Beschluss der ersten Kammer des Ersten Senats vom 25. August 2000, Az. 1 BvR 2707/95 = NJW 2001, 594
- BGH: Ansprüche der Erben bei Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch ein Double ('Der blaue Engel') Aufgerufen: 15. Februar 2010
- BGH Emil Nolde, BGHZ 107, 384 PDF
- Ausführungen in einem Anwaltschriftsatz, PDF (722 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 2 (PDF)
- ↑ NJW 1990, 1986
- ↑ Rechtsstreit Kinski
- ↑ BGH, Urteil vom 5. Oktober 2006, 1 ZR 277/03-kinski.klaus.de
- ↑ Das sind die toten Topverdiener
- ↑ In: Herman Breat, W. Verbeke (Hrsg:): Death in the Middle Ages. Leuven University Press, Leuven 1983, (Mediaevalia Lovaniensia. Ser. 1, Studia 9, ZDB-ID 186089-6), S. 19–77.
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