Risikoneutralität

Risikoneutralität
Nutzenfunktion eines risikoneutralen Marktteilnehmers
CE - Sicherheitsäquivalent; E(U(W)) - Erwartungswert des Nutzens (erwarteter Nutzen) der unsicheren Auszahlung; E(W) - Erwartungswert der unsicheren Auszahlung; U(CE) - Nutzen des Sicherheitsäquivalents; U(E(W)) - Nutzen des Erwartungswerts der unsicheren Auszahlung; U(W0) - Nutzen der minimalen Auszahlung; U(W1) - Nutzen der maximalen Auszahlung; W0 - Minimale Auszahlung; W1 - Maximale Auszahlung; RP - Risikoprämie

Der Begriff Risikoneutralität bezeichnet in der Entscheidungstheorie die Eigenschaft eines Marktteilnehmers, z. B. Investors, bei der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen gleichen Erwartungswerts weder sichere noch unsichere Alternativen zu bevorzugen, sondern sich allein an deren mathematischem Erwartungswert zu orientieren.

Das bedeutet insbesondere, dass das Sicherheitsäquivalent (CE, englisch certainty equivalent) des Marktteilnehmers, also derjenige sichere Betrag, der dem Marktteilnehmer gleichviel wert ist wie die statistisch zu erwartende unsichere Auszahlung, dabei stets ebenso hoch ist wie diese Auszahlung selbst, die als Differenz zwischen unsicherer und sicherer Auszahlung definierte sogen. Risikoprämie (RP, englisch risk premium) also in diesem Fall regelmäßig verschwindet.

Formale Definition

Risikoneutralität korrespondiert visuell damit, dass der Graph der individuellen Nutzenfunktion u(w) des Marktteilnehmers linear ist (siehe Abb.), es sich also um eine Funktion mit gleichbleibendem Grenznutzen u'(w) handelt: Das Risiko möglicher Vermögensverluste und die Aussicht auf mögliche Vermögensgewinne wiegen bei der Entscheidungsfindung gleich schwer.

Dementsprechend wird ein Marktteilnehmer risikoneutral genannt, wenn für eine Auszahlung in unsicherer Höhe w stets die folgenden Beziehungen gelten:

E(u(w)) = u(E(w))\ \quad \text{bzw.} \quad CE = E(w).

In Worten: Der erwartete Nutzen E(u) aus der Auszahlung w ist ebenso hoch wie der Nutzen u aus der erwarteten Auszahlung E(w).

Der Grad der Risikoscheu oder Risikofreude eines Marktteilnehmers kann mit dem Arrow/Pratt-Maß der absoluten Risikoaversion

ARA(w) = -\frac{u''(w)}{u'(w)}

quantifiziert werden, das im Fall der Risikoneutralität des Marktteilnehmers stets null ist. Gleiches gilt, wie schon zu Eingang gesagt, für die Differenz der zu erwartenden unsicheren Auszahlung E(w) und ihres Sicherheitsäquivalents CE, die sogen. Risikoprämie RP: Auch sie ist im Fall eines risikoneutralen Marktteilnehmers stets null. Dementsprechend gilt außerdem:

E(u(w)) = u(CE) = u(E(w))\!\,

Weitere Formen der Risikoeinstellung sind:

Beispiele

  • Ein Marktteilnehmer hat die Wahl zwischen der sicheren Auszahlung eines Betrages von 100 Euro und einer Lotterie, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% einen Gewinn von 0 Euro und mit einer Wahrscheinlichkeit von ebenfalls 50% einen Gewinn von 200 Euro auszahlt. Während der risikoneutrale Marktteilnehmer dieser Lotterie und dem sicheren Geldbetrag gegenüber indifferent ist, zieht der risikoscheue Marktteilnehmer den sicheren Geldbetrag vor, und der risikofreudige Marktteilnehmer die Lotterie.
  • Ein Konsument hat die Auswahl zwischen einem „altbewährten“ und einem neuen Produkt, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% besser sowie einer Wahrscheinlichkeit von 50% schlechter als das bisherige Produkt ist. Während der risikoneutrale Konsument dem alten und dem neuen Produkt gegenüber indifferent ist, zieht der risikoscheue Konsument das altbewährte und der risikofreudige Konsument das neue Produkt vor.

Siehe auch


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