Rüstungswettlauf

Rüstungswettlauf
US-Atomwaffentest mit Soldaten, 1951
B-2 Spirit der US Air Force
Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau am 18. September 1990

Unter Wettrüsten oder Rüstungswettlauf versteht man die schrittweise militärische Aufrüstung zweier feindlicher Parteien. Ein historisches Beispiel ist das deutsch-britische Flottenwettrüsten am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Heute assoziiert man mit dem Begriff zumeist das Wettrüsten der beiden Militärblöcke im Kalten Krieg.

Das Wettrüsten kann spieltheoretisch modelliert werden. Es soll dabei im Wesentlichen dem Gefangenen-Dilemma entsprechen, bei dem das einseitige Aufrüsten einen größeren individuellen subjektiven Vorteil gegenüber dem gemeinsamen Abrüsten nicht entspricht.

Inhaltsverzeichnis

Im "Kalter Krieg"

Zu Zeiten des „Kalten Kriegs“ fand kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein Wettrüsten zwischen den USA und der NATO auf der einen und den sozialistischen Ländern rund um den Warschauer Pakt auf der anderen Seite statt, das bis zum Zusammenbruch der UdSSR weiter geführt wurde. Zunächst wurde vor allem die Vernichtungskraft atomarer Erstschlagswaffen erhöht. Kamen am Ende des Zweiten Weltkriegs die ersten beiden Atombomben mit einer Sprengkraft von 20 Kilotonnen TNT zum Einsatz, die bereits genügten, um einige hunderttausend Todesopfer zu fordern, waren in den 1960er Jahren Wasserstoffbomben mit etwa 20 Megatonnen Sprengkraft einsatzbereit, wobei mit nur einer Bombe eine Großstadt eingeäschert werden konnte.

Das Wettrüsten setzte sich in Trägersystemen fort. Langstreckenbomber, die noch durch Jagdflugzeuge abgefangen werden konnten, wurden durch Interkontinentalraketen ergänzt, für die es keine Abwehrmöglichkeit gab. Das Wettrüsten endete schließlich darin, dass beide Seiten theoretisch nicht nur den Gegner (Mutual assured destruction), sondern gleich die ganze Welt mehrfach vernichten konnten (siehe „Overkill“). Für das daraus entstehende Schreckensszenario wurde der Begriff nuklearer Holocaust geprägt. Hinzu kamen noch biologische und chemische Massenvernichtungswaffen. Teil dieser Rüstungsanstrengungen war die Kubakrise 1962 unter John F. Kennedy und N. Chrustschow.

Der Aufbau dieses massiven Zerstörungspotentials gründete in der Drohung, dass jeder Angriff mit der vollständigen Zerstörung des Angreifers beantwortet würde. (Dies in diplomatischer Denkweise: Also nicht der tatsächliche Angreifer werde zerstört, sondern der gesamte Staat, in dem der Angreifer vermutet wird.) Der strategische Grundsatz dahinter wurde in dem Satz zusammengefasst: Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter. Es zeigte sich jedoch, dass dieses Prinzip nicht grundsätzlich anwendbar war, sondern lediglich dann eine wirksame Drohung darstellen konnte, wenn die unmittelbaren Interessen eines Landes betroffen waren, im Extremfall der Angriff auf ein Staatsgebiet. In der Folge wurde das Prinzip der flexible response propagiert, also die Möglichkeit, auf einen Angriff flexibel reagieren zu können, sodass die vollständige Vernichtung des Feindes nicht mehr notwendig war.

1972 wurde mit dem ABM-Vertrag die Grundlage geschaffen, das gewaltige Vernichtungspotential zu reduzieren. Die „rohe Kraft“ wurde in den nächsten Jahrzehnten zunehmend durch ausgeklügelte Technologien ersetzt. Das Spektrum reicht dabei von Spionagesatelliten und Tarntechnologien bis hin zu Präzisionswaffen, die metergenau Ziele zerstören können. Weiterhin wurden spezifisch wirksame Nuklearwaffen erdacht und teilweise auch entwickelt, zum Beispiel die so genannte Rucksackbombe, eine tragbare Atomwaffe mit sehr begrenzter Sprengkraft, oder die Neutronenbombe, die vor allem durch freigesetzte Neutronenstrahlung biologische Ziele (Menschen) töten sollte, ohne die Infrastruktur des Zielgebietes zu stark zu schädigen. Die Vernichtungskraft konventioneller Bomben wurde soweit optimiert, dass sie mit kleinen Atomwaffen konkurrieren können.

Die übliche Rechtfertigung für das Wettrüsten beziehungsweise die Rüstungsprirale bestand in der Unterstellung, dass die eine Seite jeweils weiter aufrüsten müsse, da dies die andere Seite auch tat. Ronald Reagan betrieb das Wettrüsten mit der Begründung, auf diese Weise die kommunistischen Länder wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Es ist heute fraglich, ob der Zusammenbruch des Ostblocks eine unmittelbare Folge des Wettrüstens war, oder ob die Wirtschaften der Länder ohnehin bereits vor Reagans Amtsperiode zum Scheitern verurteilt waren.

Wettrüsten heute

Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde auch das Wettrüsten zwischen NATO und Warschauer Pakt beziehungsweise den USA und der UdSSR beendet. Heute findet lediglich noch ein hochtechnologisches defensives Wettrüsten zwischen den USA und den von ihnen so benannten „Schurkenstaaten“ statt, ohne dass der Begriff selbst noch benutzt wird. Dabei wird postuliert, dass auch ein unterentwickeltes Land mit wenigen interkontinental einsetzbaren Massenvernichtungswaffen ein hoch entwickeltes Land wirksam bedrohen kann. Einerseits wird nun versucht, diese Bedrohung im Ansatz zu unterbinden, indem diesen Staaten Kontrollen bzgl. der Herstellung von ABC-Waffen aufgezwungen werden. Andererseits versuchen die USA Abwehrsysteme zu entwickeln, die interkontinental einsetzbare Waffen im Anflug zerstören können.

Literatur

  • Richard J. Barnet: Der amerikanische Rüstungswahn. Rowohlt, Reinbek 1984, ISBN 3-499-11450-X
  • Jürgen Bruhn: Der Kalte Krieg oder: Die Totrüstung der Sowjetunion. Focus, Gießen 1995, ISBN 3-88349-434-8

Siehe auch


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