S-Bahn Erfurt

S-Bahn Erfurt
1976: Ein Doppelstock-Wendezug im Haltepunkt Erfurt Berliner Straße
Bahnsteig des ehemaligen Haltepunkts Erfurt Berliner Straße im Jahr 2010

S-Bahn Erfurt war eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine von 1976 bis 1993 bestehende Bahnverbindung in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Der Begriff S-Bahn wird gelegentlich auch in der populären Literatur benutzt.[1] Andere zeitgenössische Medien bezeichneten sie mit Begriffen wie „Vorortverkehr zum Nahverkehrstarif“.[2] Bei der Einführung der Linie 1976 wurde nur der „Wendezugbetrieb“ auf dieser Linie als Besonderheit herausgestellt.[3] In den Kursbuchtabellen der Deutsche Reichsbahn wurden die Begriffe „S-Bahn“ oder „S-Bahn-Tarif“ für diese Linie nicht benutzt.[4][5] Eine weitere umgangssprachliche Bezeichnung für die Verbindung war Riethschleuder.[6]

Inhaltsverzeichnis

Streckenbeschreibung

Vom Erfurter Hauptbahnhof ausgehend verlief die Linie in einem Halbkreis nördlich und östlich um das innere Stadtgebiet. Bis zum Bahnhof Erfurt Nord nutzte sie dabei die Trasse der Nordhausen-Erfurter Eisenbahn. Dort zweigte sie nach Westen ab und erschloss unter Nutzung der Trasse der ehemaligen Kleinbahn Erfurt–Nottleben die Neubaugebiete im Norden Erfurts. Die vier bedienten Stationen waren die bis heute bestehenden Bahnhöfe Erfurt Hbf und Erfurt Nord, der ehemalige Haltepunkt Erfurt Györer Straße und der ehemalige Endhaltepunkt Erfurt Berliner Straße. Die Fahrzeit über die Gesamtstrecke betrug 13 bis 14 Minuten.[4][5]

Betrieb und Geschichte

Durch den Bau des Neubaugebietes Rieth im Norden der Stadt Erfurt wurde die verkehrliche Anbindung dieses Stadtteils an das Zentrum notwendig. Die bestehende Straßenbahn Erfurt und die ergänzend dazu angebotenen Omnibuslinien der Erfurter Verkehrsbetriebe konnten den wachsenden Beförderungsbedarf zu Spitzenzeiten nicht mehr befriedigen. Da das Gleis der ehemaligen Kleinbahn nach Nottleben direkt durch das Wohngebiet verlief, entstand der Plan, zur Entlastung des städtischen Nahverkehrs eine Bahnverbindung zwischen dem Norden der Stadt und dem Erfurter Hauptbahnhof einzurichten.

Da alle Gleisanlagen bereits vorhanden waren, mussten nur zwei Stationen neu errichtet werden. So konnte die Verbindung am 13. Mai 1976[3] nach einer Bauzeit von nur drei Monaten eröffnet werden. Die Streckenlänge betrug 8,6 Kilometer, davon 2,7 Kilometer auf der Strecke der ehemaligen Kleinbahn. Im Kursbuch der Deutschen Reichsbahn wurde die Linie unter der Tabelle 642 geführt.

Ein Taktfahrplan bestand nicht. Die Züge verkehrten nur zu den Hauptverkehrszeiten. An Werktagen pendelten acht (1985) beziehungsweise neun (1990) Zugpaare auf der Strecke. Hierbei fuhr die Hälfte der Züge nur bis beziehungsweise ab Erfurt Nord. Dort bestand Anschluss an Züge in Richtung Erfurt Hauptbahnhof. An Samstagen, Sonntagen und Feiertagen ruhte der Verkehr.

Einziges Merkmal einer S-Bahn war der eigenständige Tarif. Anstatt dem bei der Deutschen Reichsbahn allgemein üblichen Kilometertarif galt ein Pauschaltarif. Einzelfahrkarten waren zum Preis von 0,20 Mark im Vorverkauf zu erwerben. Sie mussten vor Betreten der Züge am Bahnsteig entwertet werden.[4][5] Sie wurden an den Bahnhöfen Erfurt Hauptbahnhof und Erfurt Nord verkauft.[5] Der spezielle Tarif wurde jedoch bereits kurz nach der Wiedervereinigung, das heißt, noch vor Einstellung der Linie, abgeschafft.

Nach der politischen Wende der Jahre 1989 und 1990 änderten sich die Verkehrsbedürfnisse der Bevölkerung. Insbesondere entzerrten sich die Verkehrsspitzen im Berufsverkehr. Da die Fahrzeiten mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof ähnlich lang und in Richtung Innenstadt deutlich kürzer waren, wurde eine gesonderte Bahnverbindung überflüssig. Die Verbindung wurde ausgedünnt und im Mai 1995 ganz eingestellt. Zuletzt verkehrten noch zwei Zugpaare am Tag.

Im Jahre 2003 wurde die Strecke Erfurt Nord–Erfurt-Marbach durch das Eisenbahn-Bundesamt stillgelegt.[7]

Fahrzeuge

Zum Einsatz kamen Doppelstock-Wendezüge, die von Lokomotiven der DR-Baureihe 110 (ab 1992: Baureihe 202) gezogen wurden. Hierdurch konnte auf die Errichtung eines Umsetzgleises am Endpunkt der Linie verzichtet werden.

Weiterführende Informationen

Literatur

  • Günther Barthel: Die Geschichte der Kleinbahn Erfurt (West)–Nottleben. 1. Auflage 2001, Verlag Rockstuhl, ISBN 3-934748-29-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans-Joachim Kirsche und Hans Müller: Eisenbahnatlas DDR, VEB Tourist Verlag Berlin - Leipzig, 2. Auflage 1988, ISBN 3-350-00293-5, S. 90
  2. Hans-Joachim Kirsche, Bahnland DDR, transpress, VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1990, ISBN 3-344-00288-0, S. 174
  3. a b Dr. Thomas Mette, 7. Oktober 1979 - 30 Jahre DDR in Daten und Ereignissen bei der Deutschen Reichsbahn, Eisenbahn-Jahrbuch 1979, Transpress, nachgedruckt in: Horst Regling (Hrsg.), Schienenverkehr in der DDR, Band III, transpress, Stuttgart, 2002, ISBN 3-613-71186-9
  4. a b c Kursbuch der Deutschen Reichsbahn, Binnenverkehr, Sommerfahrplan 1980
  5. a b c d Kursbuch der Deutschen Reichsbahn, Binnenverkehr, Jahresfahrplan 1989/90
  6. Domspitzen-Wörterbuch
  7. Liste der seit 1994 stillgelegten bundeseigenen Strecken im Land Thüringen beim Eisenbahn-Bundesamt.

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