- Safer Sex
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Der Begriff Safer Sex (deutsch sichererer Sex) kam im Zuge der Diskussion um HIV bzw. AIDS auf und beschreibt ein Bündel von Verhaltensweisen und Vorsichtsmaßnahmen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit dazu geeignet sind, das Risiko einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten spürbar zu reduzieren. Die Wortwahl safer soll darauf aufmerksam machen, dass es zwar keinen absoluten, „sicheren“ (safe) Schutz vor einer Infektion geben kann, dass das Risiko aber deutlich reduziert werden kann, der Sexualkontakt wird „sicherer“ (safer). Im deutschen Sprachraum ist auch die Bezeichnung geschützter Sex üblich.
Die Beachtung der Grundsätze des Safer Sex schützt wirksam vor einer Schwangerschaft (Empfängnisverhütung).
Safer Sex bedeutet, sich so zu verhalten, dass keine Körperflüssigkeiten in den Körper des Partners gelangen und umgekehrt keine Körperflüssigkeiten des Partners in den eigenen Körper gelangen.
Entwicklung und Geschichte
Die ersten Ansätze für „Safer Sex“ – in Form der Verwendung von Kondomen aus tierischen Membranen – sind schon über 3000 Jahre alt, dienten aber primär der Empfängnisverhütung, da insbesondere das Konzept des Krankheitserregers lange Zeit unbekannt war.[1]
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Kulturrevolution der 1968er Jahre wurden einige weitere bedeutende Entdeckungen gemacht, insbesondere das Penicillin und die Antibabypille. Das Penicillin war unter anderem wirksam gegen die Syphilis, eine der bis dahin gefürchtetsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Die Antibabypille hingegen versprach wirksamen Schutz vor ungewollten Schwangerschaften. Diese Entwicklungen ermöglichten den jungen Menschen der 1968er Jahre, eine Zeit der sexuellen Freizügigkeit einzuläuten, die unter anderem von einem erhöhten Grad an Promiskuität („Freie Liebe“) geprägt war.
Dies änderte sich schlagartig und radikal durch den Schock, den die tödliche Immunschwächekrankheit AIDS durch ihre weltweite, epidemieartige Ausbreitung und ihren, für Medikamente nicht angreifbaren, Erreger HIV auslöste. Da AIDS sich als unheilbar herausstellte, trat die Vermeidung der Infektion in den Vordergrund und das Konzept des Safer Sex fand seinen Weg in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Groß angelegte Werbeaktionen versuchen seither, die Menschen zur Beachtung der Richtlinien für „Safer Sex“ und insbesondere zum regelmäßigen und selbstverständlichen Gebrauch von Kondomen zu bewegen, um so der Ausbreitung von AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten entgegenzuwirken.
Die Entwicklung lebensverlängernder Medikamente für HIV-Positive, aber auch die Agitation politisch oder religiös motivierter Kreise, die meist Enthaltsamkeit als Alternative propagieren, hat die Aufklärung über Safer Sex seit dem Jahr 2000 ins Stocken gebracht. Insbesondere die katholische Kirche verbietet ihren Mitgliedern, bis auf wenige Ausnahmen, explizit den Gebrauch von Kondomen.
Funktionsweise
Safer Sex heißt, sich stets so zu verhalten, dass eigene Samenflüssigkeit, Scheidenflüssigkeit, Blut oder Blutspuren nicht in den Körper der Partnerin oder des Partners gelangen, und dass umgekehrt solche Körperflüssigkeiten nicht in den eigenen Körper gelangen.
Krankheitsauslösende Keime (Pilze, Bakterien, Viren, etc.) befinden sich in unterschiedlicher Konzentration in verschiedenen Körperflüssigkeiten (Blut, Sperma, Vaginalsekret, Speichel, etc.) und sind meist im Blut am höchsten, aber auch im Sperma und in der Vaginalflüssigkeit finden sich oft hohe Konzentrationen an Krankheitserregern. In anderen Flüssigkeiten ist die Konzentration zwar nicht Null, aber so gering, dass man davon ausgeht, dass die Infektionsgefahr beim Kontakt vernachlässigbar klein ist.
Ziel von „Safer Sex“ ist es daher, den Kontakt mit infektiösen Körperflüssigkeiten zu vermeiden. Da viele Keime durch die Schleimhäute (Vagina, Anus, Eichel, Mund, Augen, Nase) aufgenommen werden können, ist es besonders wichtig, den Kontakt von Körperflüssigkeiten mit Schleimhäuten zu vermeiden.
Für verschiedene Sexualpraktiken gelten unterschiedliche Richtlinien für den Safer Sex. Generell gilt, je stärker die Beanspruchung des Gewebes (Harter Sex) ist, desto einfacher ist es für die Viren in das Gewebe einzudringen. Generell sollte bei der Benutzung von Kondomen auch auf ausreichende Befeuchtung (Gleitgel) geachtet werden, um das Risiko eines Defektes zu verringern und die Beanspruchung des Gewebes zu begrenzen.
Vermeidung von Penetration
Viele Sexualpraktiken kommen ohne das Eindringen („Penetration“) in den Körper des Partners aus, diese werden meist dem Petting zugeordnet. Dringt der Penis des Mannes nicht in Vagina, Mund oder After des Partners ein, kann dorthin auch keine Samenflüssigkeit gelangen. Petting gilt daher als sicher, solange nicht Körperflüssigkeiten absichtlich in den Partner oder auf offene Wunden befördert werden. Sperma auf unverletzter Haut (nicht auf den Schleimhäuten!) gilt als sicher.
Es ist zu beachten, dass Petting zwar in Bezug auf die meisten Krankheiten als safe angesehen wird, dass es aber durch Petting zu Schwangerschaften kommen kann, was daran liegt, dass Spermien beweglicher sind als die meisten Keime. Es kann für eine Schwangerschaft genügen, wenn Spermaspuren in die Nähe der Vagina geraten.
Schutzmaßnahmen für den Vaginalverkehr
Wichtigste Schutzmaßnahme ist die Verwendung von Kondomen oder Femidomen, welche einerseits den Kontakt des Penis mit dem Vaginalsekret oder Blut vermeidet und andererseits das Eindringen von Spermien oder Präejakulat in die Vagina verhindert.
Schutzmaßnahmen für den Oralverkehr
Bei Fellatio sollte insbesondere auf die Einbringung von Sperma in den Mund- und Rachenraum verzichtet werden (kein Ejakulieren in den Mund), besonders das Verschlucken von Sperma birgt ein hohes Infektionsrisiko. Bei Wundstellen beziehungsweise bei entzündeten Schleimhäuten im Mund oder Rachen sollte auf Fellatio verzichtet werden, da dadurch ebenfalls ein erhöhtes Infektionsrisiko entsteht.
Beim Cunnilingus sollte der Kontakt mit Menstruationsblut vermieden werden, welches ebenfalls hochinfektiös ist. Während der Menstruation sollten also Schutzmaßnahmen wie Femidom oder Lecktuch ergriffen oder ganz auf Cunnilingus verzichtet werden.
Abgesehen von diesen Einschränkungen stellt der Oralverkehr jedoch nur ein vergleichsweise geringes Risiko dar. Insbesondere für den Partner, der sich oral befriedigen lässt – also den passiven Partner – ist das Risiko einer Infektion praktisch Null. Man geht davon aus, dass der Speichel einen virushemmenden Effekt hat. Das Restrisiko kann durch ein Kondom beim Fellatio, beziehungsweise ein Femidom oder Lecktuch beim Cunnilingus, noch weiter vermindert werden.[2]
Schutzmaßnahmen für den Analverkehr
Der Analverkehr wird allgemein als eine Sexualpraktik mit sehr hohem Infektionsrisiko angesehen, insbesondere für Infektionen mit HIV. Unsachgemäß ausgeführter Analverkehr führt häufig zu Verletzungen, aus denen Blut austritt, das dann mit dem Penis des aktiven Partners in Kontakt kommt. Kondome verhindern hier den wechselseitigen Kontakt von Körperflüssigkeiten mit Schleimhäuten. Zusätzlich kann der Gebrauch von Gleitmittel das Verletzungsrisiko und damit das Risiko des Kontakts mit Blut weiter senken. Insbesondere verhindert das Kondom den Kontakt von Sperma mit der Darmschleimhaut, durch die Keime selbst dann aufgenommen werden können, wenn die Schleimhaut unverletzt ist. Da die mechanische Belastung des Kondoms beim Analverkehr oft höher ist als beim Vaginalverkehr, ist die Verwendung von besonders reißfesten Kondomen mit größerer Wandstärke empfehlenswert.
Schutzmaßnahmen beim Fisting
Das Fisting ist eine Sexualpraktik, bei der das Gewebe sowohl des aktiven Partners (Hand) als auch des passiven Partners (Darm, Vagina) stark belastet und gedehnt wird. Dadurch besteht ein großes Verletzungsrisiko und dadurch ein erhöhtes Risiko für Kontakte mit Blut. Das Verletzungsrisiko kann durch Gleitmittel vermindert werden. Ebenfalls empfehlenswert sind sauber geschnittene Fingernägel. Außerdem werden Latexhandschuhe empfohlen, die einen direkten Kontakt mit Blut an Wundstellen oder Schleimhäuten verhindern.
Umgang mit „blutigen“ Sexualpraktiken
Auf blutige Sexualpraktiken, wie sie im Bereich des BDSM gelegentlich praktiziert werden, sollte für die Einhaltung von Safer Sex Maßstäben verzichtet werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Erreger zwischen den Sexualpartnern von Wunde zu Wunde oder Wunde zu Schleimhäuten übertragen werden könnten. Das Risiko eines Kontaktes mit infektiösem Blut ist bei solchen Sexualpraktiken extrem hoch.
Sicherung von Sexspielzeug
Viele Menschen benutzen beim Sex Spielzeuge wie zum Beispiel Dildos. Sofern diese in den Körper eingebracht werden, können darauf Rückstände von Körperflüssigkeiten zurückbleiben, die ein Infektionsrisiko darstellen. Die gemeinsame Nutzung solcher Spielzeuge durch mehrere Personen sollte daher vermieden oder das Spielzeug durch Überziehen eines für jede Person frischen Kondoms gesichert werden. Vor und nach Gebrauch sollte das Spielzeug in jedem Fall gereinigt werden.
Umgang mit Gruppensex
Beim Gruppensex besteht auch bei Verwendung eines Kondoms die besondere Gefahr, dass Körperflüssigkeiten auf der Außenseite des Kondoms zurückbleiben und von einem passiven Partner auf einen anderen übertragen werden. Diese Gefahr kann vermieden werden, wenn bei jedem Partnerwechsel auch ein neues, frisches Kondom benutzt wird. Dies erfordert eine hohe Disziplin, die jedoch oft nicht im nötigen Maß eingehalten wird. Gruppensex bietet daher auch bei Beachtung der Safer-Sex-Richtlinien ein höheres Restrisiko und sollte daher nach Möglichkeit vermieden oder eingeschränkt werden (möglichst wenige Partnerwechsel während eines Gruppenspiels).
Umgang mit Kondomen, Handschuhen und Gleitmittel
Kondome und Handschuhe aus Latex sollten mit Gleitmittel benutzt werden. Das Gleitmittel vermindert die mechanische Belastung des Kondoms oder des Handschuhs drastisch. Eine der häufigsten Ursachen für ein Reißen des Kondoms ist der Verzicht auf Gleitmittel. Bei der Wahl des Gleitmittels ist unbedingt darauf zu achten, dass es für die Verwendung zusammen mit Kondom oder Handschuh geeignet und freigegeben ist. Geeignet sind fettfreie Gleitmittel (zum Beispiel auf Glyzerin- oder Silikonbasis). Fetthaltige Substanzen (wie zum Beispiel Öle) zersetzen das Latex, wodurch es durchlässig für Krankheitserreger wird oder reißen kann. Für die Verwendung mit fetthaltigen Substanzen eignen sich jedoch Kondome aus Polyäthylen (PE) und Polyurethan (PUR). Kondome, deren Haltbarkeitsdatum überschritten ist, sollten nicht mehr verwendet werden. Kondome aus Automaten, die im Freien stehen, altern schneller aufgrund der Temperaturschwankungen.
Alkohol und Drogen
Alkoholisierte oder unter dem Einfluss anderer Drogen stehende Menschen treffen oft irrationale und unvernünftige Entscheidungen. Dadurch sind meist Hemmschwellen herabgesetzt und die Risikobereitschaft stark erhöht, wodurch bei den Betreffenden die Bereitschaft zu unsicherem Verhalten steigt. Gelegentlich kommt es sogar zu Sex, während einer der Partner bewusstlos ist und selbst nicht mehr auf die Einhaltung von Safer Sex achten kann. Übermäßiger Alkoholgenuss und die Einnahme anderer Drogen ist daher im Sinne von Safer Sex nicht empfehlenswert.
Aufklärung und Wissen
Eine wichtige und sinnvolle Ergänzung zur Beachtung der Richtlinien für Safer Sex ist ein umfangreiches Wissen um die Infektionswege und Symptome verschiedener Krankheiten. Viele „handwerkliche“ Fehler können vermieden werden, wenn man über Sinn und Wirkungsweise der verschiedenen Schutzmaßnahmen gut Bescheid weiß.
Regelmäßige HIV-Tests
Nicht nur für Risikogruppen, sondern für jeden sexuell aktiven Menschen sind regelmäßige Tests auf HIV sinnvoll. Selbst wenn man Safer Sex praktiziert, besteht weiterhin ein Restrisiko. Auch bei Sex in einer Beziehung besteht das Risiko der Untreue des Partners.
Dabei ist zu beachten, dass die gängigen Antikörper-Tests nur Auskunft geben über den HIV-Status zu einem Zeitpunkt 3 Monate vor diesem Test (diagnostisches Fenster). Teurere und in der normalen Diagnostik noch unübliche PCR-Tests ermöglichen einen Direktnachweis des Virus, haben aber ebenfalls ein diagnostisches Fenster von einigen Tagen.
Ungeschützter Sex mit einer Person, die einen negativen HIV-Test vorgezeigt hat, gilt nicht als safe!
Erste Hilfe
Safer Sex ist nicht perfekt, es bestehen auch bei der Beachtung von Safer Sex verschiedene Risiken. Insbesondere im Zustand sexueller Erregung, in dem die Rationalität oft herabgesetzt ist, werden wichtige Vorsichtsmaßnahmen gelegentlich außer Acht gelassen. Manchmal kann es auch vorkommen, dass der Partner den Wunsch nach Safer Sex nicht respektiert (bis hin zur Vergewaltigung) oder es kann einfach das Kondom versagen und reißen (das kann selbst bei sachgemäßer Verwendung geschehen).
Sollte es aus irgendwelchen Gründen zu einem der oben beschriebenen Kontakte mit potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten kommen, empfiehlt es sich, die betroffene Stelle umgehend gründlich zu waschen, idealerweise unter Verwendung eines geeigneten Desinfektionsmittels, beispielsweise hochprozentiger Alkohol, Iodtinktur oder dreiprozentige Wasserstoffperoxidlösung.
Bei Aufnahme von Sperma in die Scheide oder in den Enddarm kann äußerliches Abbrausen zur Risikominderung beitragen. Durch Pressen beziehungsweise Stuhlgang kann versucht werden, aufgenommenes Sperma teilweise aus der Scheide oder dem Enddarm zu entfernen und damit eine Reduktion der Viruslast zu erreichen. Es wird nicht empfohlen, innere Spülungen von Scheide oder Enddarm vorzunehmen, da dabei die Infektionsgefahr durch mögliche Verletzungen und tieferes Hineinspülen der Krankheitserreger eher erhöht als verringert wird.
Gehört der Partner zu einer Hochrisikogruppe oder ist bekannt HIV-positiv, sollte man idealerweise binnen 2, maximal jedoch 48 Stunden einen Arzt aufsuchen. Das gilt insbesondere bei einer Vergewaltigung, wenn das Opfer möglicherweise aus Scham Hilfe erst verzögert in Anspruch nimmt. Mit einem Schnelltest kann, das Einverständnis des Partners vorausgesetzt, binnen ca. 30 Minuten dessen Serostatus ermittelt und gegebenenfalls eine sogenannte Postexpositionsprophylaxe eingeleitet werden. Diese vermindert das Ansteckungsrisiko um etwa 80 Prozent.
Besonderheiten bei bestimmten Krankheiten
Syphilis
Die Syphilis ist eine weltweit verbreitete, tödliche Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Treponema pallidum ausgelöst wird. Der Erreger findet sich in allen Körperflüssigkeiten, auch im Speichel. Schon ein Kuss kann daher ansteckend sein. Kondome vermindern die Infektionsgefahr, schließen diese jedoch nicht aus. Typisch für Syphilis sind ein oder mehrere münzgroße nässende Geschwüre an der Eintrittsstelle des Bakteriums. Das Sekret aus diesem Geschwür ist hochansteckend. Eine Syphilisinfektion kann eine HIV-Infektion begünstigen.
Da die Syphilis mit hochdosiertem intramuskulär verabreichten Penicillin in den frühen Krankheitsstadien behandelbar und heilbar ist, die Behandlung aber mit fortschreitendem Krankheitsverlauf immer schwieriger wird, ist eine rechtzeitige Diagnose der Krankheit extrem wichtig. Bei festgestellter Syphilisinfektion ist mehrwöchige Enthaltsamkeit zwingend.
Die meisten Safer-Sex-Regeln, die wirksam vor HIV schützen, schützen nur eingeschränkt vor einer Infektion mit Syphilis. Umso wichtiger ist die Diagnostik und Behandlung. Es ist daher empfehlenswert, die Symptome der Syphilis genau zu kennen, um im Infektionsfall schnell und zielgerichtet eine Therapie beginnen zu können. Typisch für die Syphilis ist ein Beginn mit schmerzlosen Schleimhautgeschwüren und Lymphknotenschwellungen.
HIV und AIDS
HIV ist die derzeit größte Gefahr, die von ungeschütztem Sex ausgeht, weil es keine Möglichkeit der Impfung gibt, die Krankheit bisher unheilbar ist, sie tödlich verläuft und die Maßnahmen zur Verzögerung des Ausbruchs von AIDS höchst belastende Nebenwirkungen haben. Der einzige derzeit verfügbare Schutz ist Safer Sex oder Enthaltsamkeit.
Oralverkehr gilt in Bezug auf HIV weitgehend als sicher, sowohl Fellatio als auch Cunnilingus. Jedoch nur, wenn es bei Fellatio nicht zur Ejakulation in den Mund kommt und der Cunnilingus nicht während der Menstruation ausgeführt wird. In dieser Zeit kann es zu Kontakt mit infektiösem Menstruationsblut kommen.
Beachtenswert ist, dass die Ansteckungsgefahr unmittelbar nach einer Infektion mit HIV am größten ist, weil dann die Viruslast im Blut am größten ist. Da der HIV-Antikörper-Test ein diagnostisches Fenster von drei Monaten hat, liegt die Zeit mit dem größten Infektionsrisiko ausgerechnet in der Zeit, in der sich auch bei einem Test keine klaren Aussagen machen lassen. Folglich kann trotz vorliegen eines aktuellen negativen HIV-Tests aus diesem allein auch keine Aussage über den gegenwärtigen Infektionsstatus der betreffenden Person abgeleitet werden.
Hepatitis
Hepatitis ist eine hochansteckende und je nach Erreger tödliche Krankheit. Die Infektiosität von Hepatitis ist deutlich höher als die von HIV. Es genügt eine sehr viel kleinere Viruslast für eine Infektion. Hepatitis hat, im Vergleich zu HIV, ein wesentlich höheres Risiko, durch zum Beispiel orale Praktiken wie Cunnilingus oder Fellatio übertragen zu werden. Die Gefahr einer Infektion kann drastisch verringert werden durch Verwendung von Barrieremethoden (Kondom, Lecktuch), sowie durch eine Impfung, die in vielen Fällen von den Krankenkassen übernommen wird. Auch gemeinsame Benutzung zum Beispiel von Sexspielzeug oder Zahnbürsten kann das Virus übertragen, und muss daher vermieden werden.
Gegen Hepatitis A und Hepatitis B sind Impfungen möglich und empfohlen, gegen Hepatitis C ist gegenwärtig kein Impfstoff in Sicht.[3]
Weitere Krankheiten
Weitere Risiken sind beispielsweise Gonorrhoe, Chlamydien, Papillomaviren sowie die genitale Form von Herpes. Mit einer Prävalenz von 5 bis 10 % sehr häufig ist in Deutschland eine Infektion mit Chlamydien, die in bis zu 75 % der Fälle unerkannt bleibt, jedoch unter anderem zu Unfruchtbarkeit von Frauen führen kann und hoch ansteckend ist.
Akzeptanz
Safer Sex ist heute außerhalb fester Beziehungen bei einer Mehrheit der Menschen ein akzeptiertes Konzept.
Dennoch wird Safer Sex von vielen Menschen als Sex minderer Qualität wahrgenommen. Studien belegen, dass vor allem Männer beklagen, dass der Sex mit Kondom als deutlich weniger intensiv empfunden werde, da der direkte Hautkontakt fehle. Darüber hinaus kann es sowohl zu psychisch als auch physisch bedingten Erektionsproblemen kommen, insbesondere, wenn zu enge Kondome benutzt werden. Es gibt auch Menschen, die besonderen Wert darauf legen, das Ejakulat des Partners in sich aufzunehmen. Mit diesen Argumentationen begründen Personen, die Safer Sex komplett ablehnen, so beispielsweise jene die bewusst Bareback-Sex praktizieren, ihr Verhalten.
Akzeptanz in festen Partnerschaften
In festen Beziehungen ist die Akzeptanz für Safer Sex niedrig. Man geht davon aus, dass sexuelle Treue einen ausreichenden Schutz darstellt und man geht davon aus, dass das Infektionsrisiko innerhalb einer Beziehung zumindest dann gering ist, wenn keiner der Partner einer Risikogruppe angehört.[4] Dazu kommt, dass in einer festen Partnerschaft oft die Zeugung von Kindern beabsichtigt ist.
Überprüfbare sexuelle Treue beider Partner oder völlige Enthaltsamkeit schließen das Risiko der Ansteckung aus. Dies bleibt jedoch in vielen Fällen Theorie, weil sexuelle Treue in der Praxis prinzipiell nicht überprüfbar ist. Trotz des Vorsatzes zur Keuschheit kann es zum Geschlechtsverkehr kommen, was dann meist ungeschützt geschieht. Eine Studie der Universitäten Columbia und Yale zeigte, dass ein Keuschheitsgelübde nicht gegen sexuell übertragbare Krankheiten hilft.[5][6]
Akzeptanz bei Infizierten
Viele HIV-positive Menschen lehnen Safer Sex ab und präferieren ungeschützten Verkehr mit anderen HIV-positiven Menschen (Serosorting – Beschränkung auf Sexpartner mit gleichem Serostatus). Hintergrund ist, dass viele Betroffene der Auffassung sind, mehr als einmal könne man sich nicht infizieren. Das ist jedoch so nicht richtig: Da HIV in vielen verschiedenen Varianten vorkommt, kann es tatsächlich zu Mehrfachinfektionen mit verschiedenen Stämmen des HI-Virus kommen, was die Behandlung während der Inkubationszeit massiv erschwert und den Krankheitsverlauf teilweise drastisch beschleunigen kann.
Kritik
Immer wieder wird auch Kritik an Safer Sex geübt. Die Motivation für diese Kritik ist sehr unterschiedlich.
Verbot von Safer Sex durch die katholische Kirche
Der Vatikan hat als Sprecher der katholischen Kirche klar Stellung bezogen und den Mitgliedern der katholischen Kirche Safer Sex explizit verboten. Als Begründung für dieses Verbot wurde genannt, dass nur jene sexuellen Aktivitäten zulässig seien, die innerhalb einer gültigen Ehe stattfinden und die direkt auf die Zeugung von Kindern ausgerichtet sind, beziehungsweise bei denen die Zeugung von Kindern möglich ist. Das ist bei Safer Sex ausgeschlossen, daher ist Safer Sex für Katholiken verboten. Man argumentiert weiter, dass dies der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten keinen Vorschub leistet, da Enthaltsamkeit und eheliche Treue einen zuverlässigeren Schutz vor Ansteckung bieten und somit eine Alternative zu Safer Sex darstellen.
Der Vatikan hat im Dezember 2003 seine Kritik an den staatlichen Safer-Sex-Kampagnen unter anderem in Form einer Abhandlung mit dem Titel Family Values Versus Safe Sex (Familienwerte versus sicheren Geschlechtsverkehr) veröffentlicht.[7] In dem Text kritisiert Kardinal Alfonso López Trujillo die vorbehaltlose Empfehlung von Kondomen, da sie noch weniger vor Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten als vor ungewollten Schwangerschaften schützten (mindestens 10 % ungewollte Schwangerschaften trotz Kondom).
Unter Papst Benedikt XVI. sprach sich Kardinal Baragàn für eine Ausnahme des grundsätzlichen Kondomverbots aus, falls in einer Ehe ein Ehepartner HIV-infiziert ist.[8][9][10]
Demgegenüber wird von der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für den Gebrauch von Kondomen zur Bekämpfung der Immunschwächekrankheit geworben. Die EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung äußert im Juli 2007 in einer Studie Für ein Leben in Würde, dass zur Bekämpfung von HIV „die Verwendung von Kondomen sowie der Verzicht auf Promiskuität“ gehöre. Im 58-seitigen Text wird 22 Mal das Wort „Kondom“ verwendet.[11]
Förderung von unmoralischem Verhalten
Eine andere Variante der Kritik wendet sich gegen die Förderung von „unmoralischem Verhalten“. Diese Argumentationsweise findet sich besonders häufig in den USA. Es wird argumentiert, dass durch die Möglichkeit der Verminderung von Ansteckungsrisiken die Angst vor der Ausübung von Sexualität vermindert wird und auf diese Weise unmoralisches Verhalten gefördert würde, was wiederum eine Vergrößerung des Ansteckungsrisikos mit sich brächte.
Diese Argumentation wird gestützt durch Studien, die nahelegen, dass jeder Mensch ein Wohlfühl-Risiko-Level hat, das er aufrechtzuerhalten versucht.[12] Man argumentiert, wie die Gurtpflicht die Zahl der Verkehrstoten nicht habe senken können (was nach den Unfallstatistiken in europäischen Ländern nicht zutrifft), so könne auch Safer Sex nicht die Zahl der Infektionen senken. Wenn der Mensch glaube, dass sein allgemeines Lebensrisiko zu niedrig sei, suche er bewusst oder unbewusst nach größeren Risiken. Wer glaube, sein Ansteckungsrisiko sei gering, der weite die Zahl der Sexualpartner aus.
Kampagnen in Afrika
In Uganda hat dagegen eine Kampagne für eheliche Treue beziehungsweise gegen Promiskuität zur deutlichen Abnahme der HIV-Neuinfektionen geführt.[13]
Der Erfolg in Uganda beruhte auf einem ABC-Programm. Es setzte zwar auch auf Keuschheit (Abstinenz) und Treue (Be faithful), aber Safer Sex (Condoms) war integraler Bestandteil.[14] Die Abkehr von Safer Sex geschah erst in jüngster Zeit und droht das bisher Erreichte zunichte zu machen.[15]
Rechtliche Aspekte
In Österreich gelten Gesetze gegen die fahrlässige (§ 179 ÖStGB) und die vorsätzliche (§ 178 ÖStGB) Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. In diesem Falle wäre die Gefährdung als gemeingefährliche strafbare Handlung zu werten.
In Deutschland ist die vorsätzliche Infizierung eines anderen Menschen mit dem HI-Virus und anderen Krankheiten als Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) oder als Tötungsdelikt (§§ 211 ff. StGB) strafbar.[16]
In der Schweiz steht sowohl fahrlässiges wie vorsätzliches Verbreiten von menschlichen Krankheiten nach StGB Art. 231 unter Strafe.[17]
Literatur
- Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) (Hrsg.): Virus-Hepatitis – Eine Orientierungshilfe. (Bestellnummer 020070).
- Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) (Hrsg.): INFO+ sexuell übertragbare Krankheiten. (Bestellnummer 026133, http://www.aidshilfe.de/media/de/info.pdf.pdf).
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.): Safer Sex … sicher. (Bestellnummer 70420000, http://www.bzga.de/bzga_stat/pdf/70420000.pdf).
Verwandte Themen
- Safer Use – Maßnahmen zur Unterbindung der Virenübertragung zwischen Drogenkonsumenten.
Einzelnachweise
- ↑ Geschichte des Kondoms
- ↑ Ansteckungsgefahr beim Oralverkehr
- ↑ Impfungen gegen Hepatitis AB
- ↑ HIV-Infektionen bei Heterosexuellen
- ↑ Hannah Brückner and Peter Bearman: After the promise: The STD consequences of adolescent virginity pledges. Journal of Adolescent Health, Band 36, Ausgabe 4, April 2005, Seiten 271-278 (englisch)
- ↑ Tagesspiegel Online: Wer dem Sex abschwört Bushs Keuschheitskampagne hilft nicht gegen Aids
- ↑ Kardinal A.L.Trujillo: Family Values Versus Safe Sex"
- ↑ dpa: Vatikan will Aids-Kranken Kondome erlauben. Der Tagesspiegel (24. April 2006)
- ↑ Meldung der Tagesschau: Lockerung des Kondomverbots (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Meldung des Stern: Lockerung des Kondomverbots
- ↑ EKD: Für ein Leben in Würde -Die globale Bedrohung durch HIV/Aids und die Handlungsmöglichkeiten der Kirche
- ↑ Artikel in Spiegel Online: Der Mensch sucht die Gefahr
- ↑ Stoneburner R. und Low-Beer, D.: Population-level HIV declines and behaviour risk avoidance in Uganda.. Science 2004 Apr 30; 304:714-8"
- ↑ Uganda AIDS Commission: Frequently Asked Questions
- ↑ Praxis Psychosoziale Beratung Frankfurt am Main: Abkehr vom Kondom
- ↑ Walter Scheuerl: Aids Und Strafrecht: Die Strafbarkeit HIV-Infizierter Personen Beim Vollziehen Sexueller Kontakte, Dissertation, Hamburg-Münster, 1992, 364 Seiten, ISBN 3-89473-287-3
- ↑ Schweiz: StGB Art. 231
Weblinks
- Gib Aids keine Chance!
- mach's mit – ein Angebot der BZgA online
- Ich weiß, was ich tu – Präventionskampagne der Deutschen Aids-Hilfe für Männer, die Sex mit Männern haben
- Love Life Stop Aids
- familienplanung.de – Verhütung: Das Informationsportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
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