Sandinist

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Flagge der FSLN

Die Sandinistas, Anhänger und Mitglieder der Frente Sandinista de Liberación Nacional, abgekürzt FSLN (deutsch: Sandinistische Nationale Befreiungsfront) waren eine linke Befreiungsbewegung in Nicaragua, die am 17. Juli 1979 an der Spitze einer breiten Widerstandsbewegung die seit 43 Jahren bestehende Diktatur der Somoza-Dynastie unter Präsident Anastasio Somoza Debayle stürzte und daraufhin Nicaragua bis 1990 regierte.

Die FSLN wurde am 23. Juli 1961 in Nicaragua von Carlos Fonseca als revolutionäre Bewegung in Opposition zur Diktatur der Familie von Somoza gegründet. Den Namen der Bewegung leiteten ihre Gründer von dem General des nicaraguanischen Widerstandes gegen US-Truppen Augusto César Sandino (1895-1934) ab.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund und Zeit als Guerilla

Nicaragua wurde ab 1967 von dem Diktator Anastasio Somoza Debayle beherrscht. Unter Somoza, dessen Macht sich hauptsächlich auf die Nationalgarde stützte, waren politische Verhaftungen und Morde an der Tagesordnung. Die FSLN agierte deswegen zu dieser Zeit als Guerilla-Organisation.

Am 27. Dezember 1974 versuchte die FSLN eine Party von Regierungsmitgliedern der Somoza-Diktatur im Haus des Regierungsministers José María Castillo Quant in der Colonia Los Robles in Managua zu besetzen, der Minister starb bei der Erstürmung. Die FSLN konnte durch die Übernahme ihr Kommunique über Radio unter der Bevölkerung verbreiten, das Kommunique wurde ebenfalls in der Zeitung La Prensa gedruckt. Anastasio Somoza Debayle erklärte anschließend 33 Monate den Ausnahmezustand, welcher bis zum 19. September 1977 andauerte[1]. Bei der Suche und Verfolgung von Anhängern und Mitgliedern der FSLN durch die Guardia Nacional de Nicaragua wurde der FSLN-Gründer Carlos Fonseca im November 1976 erschossen.

Nach der Ermordung des Oppositionsführers Pedro Chamorro im Januar 1978 durch eine regierungsnahe Todesschwadron kam es zur Vereinigung der wachsenden, aus Geschäftsleuten, Gewerkschaften und Studentengruppen bestehenden Opposition. Die Besetzung des Nationalpalastes durch Einheiten der FSLN am 22. August 1978[2] und Streikaufrufe der Opposition führten kurz darauf zu einer Verhaftungswelle. Die Sandinisten riefen am 8. September 1978, während eines Streikes, zu einer allgemeinen Erhebung auf, woraufhin die Regierung am 12. September 1978 das seit 1977 aufgehobene Kriegsrecht wiedereinführte. Durch Vergeltungsschläge der Nationalgarde wurde der Aufstand bis Anfang Oktober niedergeschlagen, wobei etwa 5.000 Menschen getötet und 10.000 verletzt wurden. Nach Aussage von Mitarbeitern von Amnesty International, die in Flüchtlingslagern in Honduras und Costa Rica ermittelten, kam es dabei zu zahlreichen Hinrichtungen, Folterungen, Vergewaltigungen und Verstümmelungen durch Einheiten der Nationalgarde. Als Reaktion auf Forderungen der Opposition setzte die Regierung am 7. Dezember 1978 das Kriegsrecht außer Kraft und leitete am 16. Dezember 1978 eine Amnestie für politische Gefangene ein, in deren Folge eine Anzahl von Gefangenen freigelassen wurde[3].

Ideologische Ausrichtung

Ideologisch umfasst der Sandinismus (Sandinismo) ein breites Spektrum von Meinungen, die vom revolutionären Marxismus bis zur Befreiungstheologie und reformistischen Agenden einer Verbreiterung bäuerlichen Eigentums reichen. Während der Revolution fanden die Sandinisten große Unterstützung in der bäuerlichen und Teilen der indigenen Bevölkerung Nicaraguas, sowie bei vielen neuen sozialen Bewegungen in Übersee, besonders bei der „Neuen Linken“ in Europa, von wo teilweise auch internationale Brigaden zu deren Unterstützung nach Nicaragua aufbrachen. Diese Brigaden unterstützten die soziale und entwicklungspolitische Infrastruktur auf Seiten der Sandinisten und schufen internationale Aufmerksamkeit und Gegenöffentlichkeit zu dem kritischen Bild, das die US-Regierung und Teile der westlichen Medien zeichneten.

Die Nicaraguanische Revolution führte zu wirtschaftlichen Einbußen mächtiger, vor allem US-amerikanischer Konzerne, die während der Somoza-Diktatur in Nicaragua investiert hatten und gefährdete auch politisch die US-Interessen in der Region. Auch die Unterstützung der Sandinisten durch mit der UdSSR verbündete Staaten, beispielsweise durch Kuba und die DDR, sowie die Wirkung der FSLN auf Guerilleros in Nachbarstaaten Nicaraguas, wie etwa die Unterstützung der linken Revolutionäre in El Salvador bewirkten, dass die USA die gegnerischen „Contras“, die von Basen im benachbarten Honduras aus agierten, mit finanziellen, geheimdienstlichen (siehe Iran-Contra-Affäre) und militärischen Mitteln förderten. So blieb Nicaragua nach der Revolution noch lange Schauplatz bürgerkriegsähnlicher Zustände (vgl. Contra-Krieg).

Einsetzung der sandinistischen Regierung

Nach mehreren Jahren gelang der FSLN am 19. Juli 1979 schließlich die Machtübernahme in Nicaragua. Somoza musste nach Miami flüchten. Das Präsidentenamt wurde noch am selben Tag von Francisco Urcuyo Maliaños besetzt, welcher jedoch schon am Folgetag wieder zurücktreten musste. Die Macht wurde in der Folgezeit von einem fünfköpfigen Regierungsausschuss übernommen, welcher Daniel Ortega, Sergio Ramírez, Moisés Hassan Morales, Alfonso Robelo Callejas und Violeta Barrios de Chamorro (die Witwe von Pedro Chamorro) angehörten. Am 20. Juli 1979 wurde die Regierung des Nationalen Wiederaufbaus eingesetzt, an deren Spitze wiederum der fünfköpfige Regierungsausschuss stand. Noch am selben Tag wurde das Grundgesetz erlassen, welches die seit 1974 bestehende Verfassung ersetzte. Das Grundgesetz regelte die organisatorische Struktur der Regierung, die Neueinsetzung des Rechtswesens, sowie die Auflösung von Nationalgarde und militärischem Ermittlungsdienst.

Am 21. Juli 1979 wurde das Gesetz der Rechte und Garantien der Nicaraguaner (Estatutos sobre Derechos y Garantias de los Nicaragüenses) erlassen, welches das Recht auf Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Rechtssicherheit, die Meinungsfreiheit, den Schutz vor Sklaverei, die Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht auf Arbeit, das Recht auf Gewerkschaftszugehörigkeit und das Streikrecht garantierte, sowie Todesstrafe und Folter abschaffte. Am 25. September 1979 ratifizierte die Regierung die Amerikanische Menschenrechtskonvention, am 12. März 1980 den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte[4].

Wirtschafts- und Sozialpolitik

Die sandinistische Agrarreform nach sozialistischem Vorbild leitete einen Strukturwandel in der bisher auf Basis von Großgrundbesitz industriell betriebenen Monokultur ein. Ein Drittel der Ackerfläche wurde in Form von kleineren Pachtbetrieben und Gemeinschaftsfarmen neu verteilt. Um die Bevölkerung zu versorgen, führte man zusätzlich den Anbau von Mais, Reis, Bohnen und Kochbananen ein. Mit den Einkünften aus den verstaatlichten Somoza-Ländereien (der gestürzte Somoza-Clan besaß in etwa 15% des Ackerlandes[5]), auf denen weiterhin Kaffee für den Export produziert wurde, kaufte die Revolutionsregierung Getreide, dessen Anbau im Lande aus klimatischen Gründen sehr schwierig ist, um es zu subventionierten Preisen an die Bevölkerung abzugeben.

Die FSLN-Regierung führte 1979 die Schulpflicht für Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren und gebührenfreie Schulen ein. Durch die 1980 und 1981 folgende landesweite Alphabetisierungskampagne wurde der Analphabeten-Anteil von 50 Prozent (1979) auf 12 Prozent gesenkt.[6] Viele Hochqualifizierte verließen jedoch das Land während des Contra-Krieges, so dass trotz der intensivierten Bildungspolitik weiterhin ein Mangel an Fachkräften in Nicaragua bestand.

Im Rahmen dieser „gemischten Wirtschaft“ (sowohl öffentliches als auch privates Eigentum) wurde in wenigen Jahren eine Selbstversorgung des Landes mit den traditionellen Grundnahrungsmitteln erreicht und erstmalig die Versorgung aller Nicas mit erschwinglichem Brotgetreide sichergestellt, jedoch auch auf Kosten höherer Staatsverschuldung. Dies führte insbesondere zu verstärkten Problemen, als IWF und Weltbank auf Initiative der US-Regierung die Zinsraten für die bestehenden Kredite Nicaraguas erhöhten und weitere Kredite an Nicaragua verweigerten.

Hinzu kam, dass das Land bereits 1979 wirtschaftlichen Sanktionen der USA ausgesetzt war, mit denen die Ökonomie des Landes gestört werden sollte. Dies führte zu einem deutlichen Exportrückgang, da die Wirtschaft noch aus der Somoza-Zeit fast ausschließlich auf den Export in die USA ausgerichtet war, sowie zu Rohstoffimportproblemen, nachdem unter anderem Mexiko seine Erdöllieferungen einstellte. Die erhöhten Zinsen für die gestiegenen Auslandsschulden konnten aus den reduzierten Exporteinnahmen immer schlechter bezahlt werden und es mussten (unter anderem zur Deckung der Getreide- und Fleischimporte und einer Vergrößerung der Fischereiflotte) neue Kredite bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) und der Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftliche Integration (BCIE) aufgenommen werden. Ab Mitte der 80er Jahre führte der Devisenmangel in Verbindung mit den Zerstörungen durch die Contras (siehe unten) zu Versorgungsmängeln.[7]

Ab 1981 bildeten die USA militärische Einheiten in Honduras aus und leisteten in großem Umfang militärische und finanzielle Hilfe (siehe Iran-Contra-Affäre) für die Opposition (die Contras). In dem auch als Contra-Krieg bekannten Krieg wurden etwa 60.000 Nicaraguaner, hauptsächlich Zivilisten, getötet und die Infrastruktur eines großen Teils des Landes zerstört[8]. Die UdSSR und DDR unterstützten die Sandinisten mit Hilfslieferungen und nach Beginn des Contra-Krieges durch Waffenlieferungen. Die Regierung Nicaraguas erklärte am 9. September 1981 den für ein Jahr gültigen nationalen wirtschaftlichen Notstand[9]. Am 15. Mai 1982 wurde der Ausnahmezustand ausgerufen, was von der Regierung mit der sprunghaften Zunahme bewaffneter Überfälle im Grenzgebiet zwischen Honduras und Nicaragua und den zahlreichen US-amerikanischen Militäroperationen begründet wurde. Streiks und Arbeitsniederlegungen waren ab diesem Zeitpunkt verboten[10]. Durch die Contra-Angriffe kam es ab 1984 unter anderem zu einem jährlichen Rückgang der industriellen Produktion um fünf Prozent und großen Schäden bei den Kaffeeplantagen. Zur Abwehr der Contras erhöhte die Regierung 1985 die Militärausgaben deutlich auf 60 Prozent des BIP, wodurch die Inflationsrate des Landes stark anstieg. 1988 gelang es der Regierung die Inflation durch ein Antiinflationsprogramm einzudämmen. Die verherrenden Schäden des Hurrikan Joan im September 1988 konterkarierten das Programm jedoch.[11]

1987 wurde in die Verfassung eine Obergrenze der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden und ein Verbot von Zwangsarbeit aufgenommen.

Wahlen 1984

In Vorbereitung der Wahlen stellte die Regierung im Juli und August 1984 per Dekret das Recht auf politische Versammlungen und Demonstrationen sowie einige weitere Rechte wieder her[12]. Der Termin für die am 4. November 1984 angesetzte Wahl, die allen Parteien und Kandidaten offenstand, wurde am 21. Februar 1984 bekanntgegeben. Die Frist für die Registrierung von Parteien wurden auf den 25. Juli festgelegt. Die Regierung Nicaraguas lockerte vor der Wahl die Zensurbestimmungen für die oppositionelle Zeitung La Prensa und gewährte der Opposition Sendezeit im nationalen Radio und Fernsehen[13][14]. Trotz ca. 400 Wahlbeobachtern aus 40 Ländern die die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen bestätigten, übte die US-Regierung mit dem Hinweis auf den Wahlboykott der Oppositionspartei Democratic Coordinating Alliance (DCA) Kritik. Nach Angaben der DCA, angeführt von Arturo Jose Cruz hätte die Vorbereitungszeit nicht für eine Wahl-Kampagne ausgereicht. Die DCA verpasste den Einschreibungstermin (sechs andere Parteien hatten sich bereits registrieren lassen) und stellte einen Antrag zur Verlängerung der Frist[15]. Nach anfänglicher Weigerung wurde die Einschreibefrist am 22. September 1984 auf den 1. Oktober 1984 verlängert. Die DCA verpasste auch diese Frist und verlangte eine weitere Verschiebung auf Januar 1985. Unterstützer der DCA gaben zu, dass diese Taktik der Diskreditierung der Wahl und Erzielung von Zugeständnissen der Sandinisten dienen sollte[16]. Zwei rechtsgerichtete Parteien stiegen wenige Tage vor der Wahl auf Druck der USA aus[17]. Daniel Ortega gewann die Wahl schließlich mit ca. zwei Drittel der Stimmen.

Menschenrechtsverletzungen von 1979 bis 1990

Kurz nach der Machtübernahme der Sandinisten kam es zur Festnahme und Inhaftierung von ca. 7.000 - 9.000 Menschen durch Revolutionstruppen. Die Inhaftierten waren hauptsächlich ehemalige Mitglieder der Nationalgarde, örtliche Polizeibeamte, Mitarbeiter der politischen Polizei, ehemalige Regierungsmitglieder und Teilhaber von Somoza-Familienunternehmen. Wie der damalige Innenminister Tomás Borge im November 1979 bestätigte, kam es während dieser Zeit zu ca. 100 Hinrichtungen an Nationalgardisten durch Angehörige der Revolutionstruppen. Infolge der strengen Maßnahmen zur Beendigung der Verstöße wurden mehrere hundert Anhänger der Revolution verhaftet[4].
Bei den bis Februar 1981 folgenden Prozessen vor den Sondergerichten traten signifikante Verfahrensverstöße zutage, auch kam es in den folgenden Jahren immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Kritikern und Oppositionellen wie Vertretern der Kommunistischen Partei bzw. der ihr angegliederten Gewerkschaft CAUS. Viele der Inhaftierten wurden in incomunicado-Haft verwahrt. Amnesty International wies jedoch darauf hin, dass keine Fälle von systematischer Misshandlungen oder Folterungen Gefangener ausgemacht werden konnten[18][9].
Nach grenzverletzenden Überfällen im Grenzgebiet zu Honduras von November bis Dezember 1981 wurden 160 Mitglieder der indigenen Völker der Miskitos und Sumos festgenommen. Diese wurden von Januar bis Februar 1982 in Schnellprozessen in Puerto Cabezas des Überfalles auf ein Krankenhaus, der Entführung und Vergewaltigung von medizinischem Personal, der Besetzung der Stadt San Carlos am 20./21. Dezember 1981 und der Verstümmelung, Folterung und Tötung von 7 Angehörigen einer Armeepatroullie sowie der Entführung und Tötung von 12 weiteren Milizangehörigen angeklagt und 135 von ihnen verurteilt. Nach einer Einschätzung von Amnesty International sollen viele der Verhafteten willkürlich festgenommen worden sein. In einem späteren Prozess wurden alle 135 Urteile neu aufgerollt und in fast allen Fällen drastisch reduziert oder verworfen. Nach Übergriffen und Gewalttätigkeiten in der Provinz Zelaya Ende des Jahres 1981 kam es zu Massenverhaftungen und zwangsweisen Räumungen vieler Miskito-Siedlungen. Die Ende Dezember 1981 eingeleiteten Evakuierungen dienten der Verteidigung der Grenzregion da man die Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte befürchtete. Aufgrund weiterer gewalttätiger Aktionen von Oppositionsgruppen kam es nach März 1982 zu weiteren Massenverhaftungen unter Miskitos und Sumos, von denen viele willkürlich erfolgt sein sollen[19]. 307 Miskito- oder Sumo-Indianer kamen am 1. Dezember 1983 im Rahmen einer Amnestie frei[10]. Nach Vermittlungsgesprächen Amnesty Internationals konnten viele der umgesiedelten Indianer 1984 in ihre Gebiete zurückkehren[20].
Der damalige US-Außenminister Alexander Haig beschuldigte die Sandinisten 1982 öffentlich, Massaker an den Miskitos verübt zu haben. Später stellte sich heraus, dass das von ihm verwendete Foto brennender Leichen aus dem Jahr 1978 stammte - der Zeit der Somoza-Diktatur[21].

Wahlen 1990

Durch Vermittlung der zentralamerikanischen Staaten wurden 1989 freie Wahlen vorbereitet. Die Sandinisten wurden am 25. Februar 1990 von Violeta Barrios de Chamorro der Kandidatin der Unión Nacional Opositora (UNO), einer Koalition politischer Parteien, mit 54,7 % der Stimmen geschlagen. Die Sandinisten mussten daraufhin die Macht abgeben.
Paul Reichler, ein Anwalt der die Regierung Nicaraguas in den USA repräsentierte kommentierte das Ergebnis: Whatever revolutionary fervor the people once might have had was beaten out of them by the war and the impossibility of putting food in their children's stomachs (zu deutsch: Der Krieg und die Schwierigkeiten ihre Kinder zu ernähren, prügelten allen einmal vorhandenen revolutionären Eifer aus den Menschen), bezugnehmend auf den zehnjährigen Wirtschafts- und Terrorkrieg durch die von den USA unterstützten Contras[22].

FSLN nach 1990

Die FSLN hat seit der Wahlniederlage 1990 mit ihrem Image zu kämpfen. Interne Konflikte zwischen den Lagern drohten die FSLN zu spalten, doch Daniel Ortega schaffte es, an der Macht zu bleiben. 1994 und 1995 traten zahlreiche berühmte Intellektuelle aus der FSLN aus, darunter Gioconda Belli, die Brüder Fernando und Ernesto Cardenal, sowie der ehemalige Vizepräsident Sergio Ramírez. Letzterer gründete eine Partei, die jedoch 1996 nur eine kleine Wählerschaft fand. Außerdem hat die FSLN einen großen Teil ihrer Basis verloren. Große Teile der Bevölkerung sind tief enttäuscht von den zutage getretenen Skandalen der Partei. Auf politischer Ebene kam in den späten Neunzigern der „Verrat“ durch den Pakt mit der Alianza Liberal von Arnoldo Aleman hinzu. Viele Sandinisten sahen ihre Ideale verraten, als die FSLN just der Partei erhebliche Zugeständnisse machte, die für viele als Inbegriff für Korruption galt. Nebenbei wurde der Pakt als Schwächung der Demokratie empfunden.

Des Weiteren wurden im Laufe der neunziger Jahre einige verborgen gebliebene Aktivitäten der FSLN aus den 1980er-Jahren bekannt. Neben großen Teilen der Bevölkerung wandten sich auch ehemalige ideologische Unterstützer von der FSLN ab.

Ein weiterer heikler Punkt in der Geschichte des FSLN sind die Missbrauchsvorwürfe gegen Daniel Ortega. Im Mai 1998 verklagte ihn seine 30-jährige Stieftochter offiziell wegen sexueller Gewalt. Sie warf (und wirft) ihm vor, sie von 1978 bis 1998 mehrfach sexuell missbraucht und vergewaltigt zu haben. Als ein Strafgericht in Nicaragua das Verfahren eröffnete, erklärte die Verteidigung Ortegas dieses sofort für ungültig, da Daniel Ortega als Abgeordneter Immunität genieße. Im Juni wurde das Verfahren ausgesetzt, da die Klage erst behandelt werden könne, wenn der Kongress Ortegas Immunität aufhebe.

Im Dezember 2000 verzichtete Daniel Ortega auf seine parlamentarische Immunität und gab an, vor Gericht beweisen zu wollen, dass seine Stieftochter lüge. Im Nachhinein wurde ihm Heuchelei vorgeworfen, da er gewusst habe, dass das Verfahren eingestellt würde, weil es nach nicaraguanischem Recht verjährt war. Gegenüber der Öffentlichkeit wurde versucht, dieses Thema soweit wie möglich zu verschweigen.

Im November 2000 schafften es die Sandinisten, in fast allen wichtigen Gemeinden einschließlich der Hauptstadt Managua, die Kommunalwahlen zu gewinnen. Daniel Ortega präsentierte sich als stolzer Gewinner und nutzte die Gelegenheit, sich als Präsidentschaftskandidat für die FSLN zu präsentieren. Der Sieg der Sandinistas wurde von vielen allerdings nicht auf Ortega zurück geführt. Einige der aufgestellten Kandidaten hatten sich deutlich von Daniel Ortega und dem ihm ergebenen Führungszirkel der Partei distanziert. Der neugewählte sandinistische Bürgermeister Herty Lewites hatte sogar die Parteifarben abgelehnt. Statt in traditionellem Rot–Schwarz plakatierte er in neutralem Gelb.

Nach der letzten Wahlniederlage 2001 wurde spekuliert, ob dies das Ende der politischen Karriere Ortegas sei. Das könne eine Möglichkeit für die FSLN sein, wieder zu der Volkspartei zu werden, die sie einmal war. Es gibt innerhalb der FSLN Kräfte, die versuchen die Partei in Richtung Sozialdemokratie zu öffnen. Ortegas Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2006 setzten diesen Spekulationen jedoch ein Ende.

Die Kommunalwahlen im November 2004 brachten der FSLN neben der Wahl von José Dionisio Marenco Gutiérrez zum Nachfolger von Herty Lewites als Bürgermeister von Managua auch insgesamt 44 Prozent der Stimmen gegenüber 35 Prozent für die PLC und 11 Prozent für APRE, die FSLN erhielt die Mehrheit der Stimmen in den Regionen Chontales, Boaco, Nueva Segovia, Madriz, Jinotega, Estelí, Chinandega, León, Managua, Masaya, Carazo, Matagalpa, Región Autónoma Atlántico Sur sowie Río San Juan. Weiterhin erhielt die FSLN fast 90 der 152 Bürgermeisterposten im Land.

Der ehemalige Bürgermeister von Managua, Herty Lewites, gab Anfang 2005 eigenständig bekannt, als Präsidentschaftskandidat der FSLN bei den Wahlen 2006 anzutreten. Dieses Bestreben beantwortete die Führung der FSLN, unter anderem Daniel Ortega, mit dem Ausschluss Lewites aus der Partei. Trotz der Ablehnung aus den Reihen der FSLN-Funktionäre erklärte Lewites bei einer Kundgebung am 13. März 2005, erneut seine Absicht als Kandidat der FSLN bei den Wahlen antreten zu wollen. Im Folgenden ließ sich Herty Lewites zum Kandidaten der Movimiento de Renovación Sandinista küren, verstarb jedoch im Sommer 2006. Daniel Ortega hingegen wurde nach dem Ausschluss Lewites von der Parteiführung zum erneuten Präsidentschaftskandidaten der FSLN für die Wahlen 2006 ernannt.

Im Oktober 2006 unterstützten die Sandinisten auf Druck der katholischen Kirche im Parlament den Gesetzesvorschlag der konservativ-liberalen Regierung zum generellen Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, wofür sie innerparteilich kritisiert wurden [23].

Umfragen von CID Gallup Latinoamerica [24] im Februar und März 2005 zeigten einen Beliebtheitsvorsprung von Herty Lewites gegenüber Daniel Ortega. Nach Lewites Tod im Sommer 2006 und der Spaltung der liberal-konservativen Opposition konnte Ortega die Präsidentschaftswahlen im November 2006 gegen den Kandidaten Montealegre jedoch mit gut 38 % der Stimmen im ersten Wahlgang für sich entscheiden und wurde am 10. Januar 2007 vereidigt. Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten gehörte die Einführung einer Schulpflicht und das Recht diese Bildung kostenlos in Anspruch zu nehmen[25].

Literatur

  • William Blum: Killing Hope - U.S. Military and CIA Interventions Since World War II Black Rose Books, Montreal/New York/London, ISBN 1-55164-097-X
  • Omar Cabezas, Die Erde dreht sich zärtlich, Compañera, Wuppertal 1983 - autobiographischer Bericht eines Sandinisten, damals das erfolgreichste Buch in der Geschichte Nicaraguas
  • Andreas Gooses, "Die Erde dreht sich männlich, Compañeros. Das Männlichkeitsideal der Guerilleros" in: Geschlecht und Macht: Analysen und Berichte (= Jahrbuch Lateinamerika 24), Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot 2000, S. 96-106 - kritische Analyse der Mythenpflege bei Cabezas
  • Martin Kriele, Nicaragua - Das blutende Herz Amerikas, Piper-Verlag 1986
  • Rosario Montoya , "House, Street, Collective: Revolutionary Geographies and Gender Transformation in Nicaragua, 1979-99" in: Latin American Research Review - Volume 38, Number 2, 2003, pp. 61-93
  • Sergio Ramirez: Adios Muchachos Eine Erinnerung an die sandinistische Revolution, Peter-Hammer-Verlag, 2001, ISBN 3-87294-871-7 Autobiographischer Bericht Sergio Ramirez und Abrechnung mit der FSLN-Führung

Weblinks

Einzelnachweise

  1. El Nuevo Diario 27. Dezember 2008, A 34 años del golpe en la casa de Chema Castillo
  2. El Nuevo Diario 17. August 2008, Recuerdan asalto al Palacio Nacional
  3. Amnesty International: Jahresbericht 1979 - Nicaragua
  4. a b Amnesty International: Jahresbericht 1980 - Nicaragua
  5. Tim Merrill, Nicaragua: A Country Study. GPO for the Library of Congress, 1993
  6. Länderreport - Österreichische Forschungsstiftung für internationale Entwicklung ÖFSE, Mai 2006
  7. Länderreport - Österreichische Forschungsstiftung für internationale Entwicklung ÖFSE, Mai 2006
  8. Universität Hamburg: Nicaragua - Contra-Krieg
  9. a b Amnesty International: Jahresbericht 1982 - Nicaragua
  10. a b Amnesty International: Jahresbericht 1984 - Nicaragua
  11. Tim Merrill, Nicaragua: A Country Study. GPO for the Library of Congress, 1993
  12. Amnesty International: Jahresbericht 1985 - Nicaragua
  13. Washington Post, 4. November 1984 S. A1
  14. New York Times, 4. November 1984
  15. New York Times, 5. November 1984
  16. New York Times, 23. August 1984, S. 10
  17. New York Times, 21. Oktober 1984, S.12
  18. Amnesty International: Jahresbericht 1981 - Nicaragua
  19. Amnesty International: Jahresbericht 1983 - Nicaragua
  20. Amnesty International: Jahresbericht 1986 - Nicaragua
  21. New York Times 3. März 1982, S.5
  22. LA Weekly
  23. Lateinamerika Nachrichten Online - Nicaragua: Gesetzesreform mit Todesfolge, Dezember 2006
  24. CID Gallup
  25. Freitag 30 - Zur Not hilft die Jungfrau von Guadelupe, Juli 2007

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