Todesschwadron

Todesschwadron

Eine Todesschwadron ist eine paramilitärische oder terroristische Gruppe, die im Auftrag des Staates oder mit dessen Billigung oder Duldung politische oder religiöse Gegner verfolgt und ermordet oder verschwinden lässt.

Todesschwadronen sind offiziell meist illegal. Inoffiziell werden sie von der jeweiligen Regierung jedoch häufig geduldet, unterstützt oder sogar gesteuert. In Ländern mit einer schwachen Zivilregierung kann diese Unterstützung auch durch die eigentlichen Machthaber erfolgen, in der Regel das Militär. Die Grenzen zu regulären Streitkräften und Polizei sind oft fließend, personelle Überschneidungen nicht ungewöhnlich.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Todesschwadronen kamen im 20. Jahrhundert in vielen Ländern vor. Insbesondere war und ist ihr Auftreten eng mit so genannten schmutzigen Kriegen gegen politische Gegner oder Aufständische verknüpft.

Europa

Spanien

Im spanischen Staat setzte die sozialdemokratische PSOE in den 1980er Jahren die sog. "Grupos Antiterroristas de Liberación" (Antiterroristische Befreiungsgruppen, GAL) gegen die bewaffnete Organisation ETA ein, die für ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland kämpft. Die GAL wurden von hohen Funktionären des Innenministeriums geleitet, das seinerzeit unter der Führung der Regierung des Präsidenten Felipe González stand, und aus Regierungsgeldern finanziert. Die Mordanschläge der GAL forderten insgesamt 28 Todesopfer. Wie später bekannt wurde, hatte jedoch mehr als ein Drittel der Getöteten keinerlei Bezug zur ETA.[1]

Lateinamerika

Besonders in den 1970er und 1980er Jahren waren Todesschwadronen in Lateinamerika verbreitet. Verschiedene Regierungen haben sich ihrer bedient. Oft setzten sie sich aus Mitgliedern nationaler Streitkräfte zusammen und kooperierten eng mit hochrangigen Militärs. Meist verfolgten sie linksgerichtete Rebellen und deren vermutete Sympathisanten im Land, ermordeten ihre Opfer und vernichteten teilweise ganze Dörfer. Als Ausbildungsstätte für die Anführer solcher Gruppen diente auch die von den USA betriebene School of the Americas, was zu zahlreichen politischen Protesten innerhalb und außerhalb der USA führte (siehe auch Reagan-Doktrin). Von entscheidender Bedeutung für die Ausbildung waren dabei die französischen Erfahrungen im Algerienkrieg und besonders in der Schlacht von Algier, wie die französische Journalistin Marie-Monique Robin in einem Dokumentarfilm 2003 und einem Buch 2004 darlegte.[2]

El Salvador

Im Fall von El Salvador wurde die Existenz von Todesschwadronen bekannt, als sie den Erzbischof Óscar Romero und vier US-amerikanische Ordensschwestern ermordeten. Dies löste große Auseinandersetzungen und Proteste in den USA aus, da die Todesschwadronen in enger Beziehung zum US-gestützten Regime El Salvadors standen.

Die Todesschwadronen sollten eine Revolution durch die Ausschaltung der geistigen Elite und möglicher Führungspersönlichkeiten verhindern. Da die Anführer von Revolten der Unterschicht selber meist aus der Mittelschicht kamen, sollte dadurch ein Lenken des Widerstandes unmöglich gemacht werden.

Diese Taktik wurde unter anderem auch von den „Military Advisors“, den Militärberatern der USA, vorgeschlagen und bei der Umsetzung sogar aktiv mitgeplant. So wurden unter anderem über San Salvador von Hubschraubern aus Zettel mit dem Slogan „Sei ein Patriot - Töte einen Priester“ abgeworfen und Prämien angeboten: Für den Mord an einem Bauern erhielten Todesschützen der Todesschwadronen 5.000 Colón, für einen Professor oder Intellektuellen 10.000 Colón und für den Mord an einem Priester 25.000 Colón.

Zu den schlimmsten Gräueltaten, die die Todesschwadronen in El Salvador begingen, zählt das Massaker von El Mozote. Die für das Kriegsverbrechen verantwortliche Einheit war noch kurz zuvor von US-amerikanischen Green Berets ausgebildet worden.[3]

Brasilien

In Brasilien gingen Todesschwadronen gewaltsam im Auftrag der Ländereibesitzer gegen Reformbestrebungen vor. Ähnliche Schwadronen haben sich in jüngerer Zeit vermehrt Straßenkinder zum Ziel genommen.

Guatemala

In Guatemala ließ das Regime Guerillabewegungen, die sich aufgrund von sozialer Ungleichheit und fehlender Partizipation formiert hatten, im Zuge des Bürgerkrieges durch Todesschwadronen unterdrücken und ermorden.

Afrika

Ruanda

Der Völkermord in Ruanda 1994 wurde durch zahlreiche Todeschwadronen radikaler Hutus (Interahamwe, Impuzamugambi) verübt. Sie nahmen Tutsis und gemäßigte Hutus in vielen Städten und Dörfern fest. Die Mitglieder der Todeschwadronen schlitzten in der Regel ihre Opfer mit Macheten auf oder erschossen sie aus nächster Nähe. Die Streitkräfte Ruandas gewährten der Interahamwe bei diesen Massakern oftmals Unterstützung. Innerhalb von 90 Tagen wurden so zwischen 800.000 und 1 Million Menschen ermordet, bis die Ruandische Patriotische Front die Macht übernahm. Frankreich belieferte die Armee zu Beginn der Ausschreitungen mit Waffen und Munition.

Südafrika

Während der Zeit der Apartheid betrieb die weiße südafrikanische Regierung eine geheime Spezialeinheit der Polizei, die nach ihrem Sitz als Vlakplaas bekannt wurde. Sie ermordete zahlreiche schwarze Widerständler, die Leichen wurden beseitigt. Ihr Leiter Eugene de Kock wurde nach dem Ende der Apartheid zu 212 Jahren Haft verurteilt.

Naher Osten

Im Februar 2006 wurde bekannt, dass in jüngster Zeit auch Mitarbeiter des irakischen, schiitisch dominierten Innenministeriums Todesschwadronen bilden, die nachts in den sunnitischen Vierteln Bagdads Morde und Terroranschläge verüben.

In Palästina beschuldigen Palästinenser-Organisationen Israel seit Jahren, radikale oder des Terrorismus verdächtige Palästinenser von Todesschwadronen liquidieren zu lassen.

Ähnliche Gruppen

Beispiele für Gruppen, die mit ähnlichen Mitteln wie Todesschwadronen arbeiteten, sind der 1865 in den USA gegründete Ku-Klux-Klan, der unter Einsatz terroristischer Mittel die Gleichberechtigung der Schwarzen zu verhindern suchte und manche deutschen Freikorps in der frühen Weimarer Republik, die mit politischen Morden die Demokratie bekämpften.

Siehe auch

Literatur

  • Bruce B. Campbell (Hrsg.): Death squads in global perspective: murder with deniability. St. Martin´s Press, New York 2000, ISBN 0-312-21365-4.
  • Jeffrey A. Sluka: Death squad: the anthropology of state terror. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 2000, ISBN 0-8122-3523-1.

Einzelnachweise

  1. BBC News: Spain's state-sponsored death squads, 29. Juli 1998
  2. Marie-Monique Robin, Escadrons de la mort, l’école française, Paris (La Découverte) ²2008; ISBN 2-7071-4163-1. Dazu Todesschwadronen aus französischer Schule, frz. Wikipédia. Des Weiteren: Dokumetarfilm in ARTE 2004.
  3. Vgl. Thomas Sheehan: Friendly Fascism. Business as Usual in America's Backyard, in: Fascism's Return. Scandal, Revision, and Ideology since 1980, hrsg. v. J. Richard Golson, Lincoln and London: University of Nebraska Press, 1998, S. 260-300.

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