- Schibboleth
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Ein oder eine Schibboleth (Plural: Schibbolethe, Schibboleths oder Schibboloth) ist eine sprachliche Besonderheit, durch die sich ein Sprecher einer sozialen Gruppe oder einer Region zuordnen lässt. Zu unterscheiden sind Schibboleths von Zungenbrechern, die für alle Sprecher schwer auszusprechen sind. Vielmehr handelt es sich bei Schibboleths um vermeintlich leicht auszusprechende Wörter, die jedoch die Herkunft des Sprechers erkennen lassen und somit zu einem sozialen Code werden.
Etymologie
Schibboleth (hebr. שבולת) ist ein hebräisches Wort und bedeutet wörtlich Getreideähre, wird aber in der Bedeutung von Kennwort oder Codewort verwendet. Im Tanach und im Alten Testament heißt es im Buch der Richter 12, 5-6:
„Und die Gileaditer nahmen ein die Furten des Jordans vor Ephraim. Wenn nun die Flüchtigen Ephraims sprachen: Laß mich hinübergehen! so sprachen die Männer von Gilead zu ihm: Bist du ein Ephraimiter? Wenn er dann antwortete: Nein! hießen sie ihn sprechen: Schiboleth; so sprach er: Siboleth und konnte es nicht recht reden; alsdann griffen sie ihn und schlugen ihn an den Furten des Jordans, daß zu der Zeit von Ephraim fielen 42000.“
In hebräischer Schrift ist die Aussprache des Schin nicht ersichtlich, wenn es nicht punktiert ist. So sind die beiden punktierten Varianten שִׁבּוֹלתּ (Schibboleth) bzw. שִׂבּוֹלתּ (Sibboleth). Die jeweiligen Ausspracheweisen dienten der Einteilung von Personen in die Dichotomie Feind und Freund.
Der französische Philosoph Jacques Derrida hat 1984 in einem Vortrag anlässlich eines Internationalen Paul-Celan-Symposions das Codewort (die Parole) aufgegriffen. Zur Kennung der Ephraimiter schreibt Derrida:
„Ein gewisses Unvermögen, das ihrem Stimmapparat zugestoßen war..., war dafür verantwortlich, daß die Ephraimiter ihre Unfähigkeit, das auszusprechen, was – wie sie wohl wußten – Schibboleth und nicht Sibboleth lauten mußte, im Körper und am eigenen Leib zu spüren bekamen.“
Schibboleths im deutschsprachigen Raum
Im deutschsprachigen Raum gibt es verschiedene Schibboleths, die meist scherzhaft dazu verwendet werden, Nicht-Ortsansässige als solche zu identifizieren. Das wird dadurch erreicht, dass das Schibboleth verschiedene Aspekte der lokalen Mundart so vereinigt, dass das Wort für einen Außenstehenden nicht korrekt auszusprechen ist – besonders nicht in dem angetrunkenen Zustand, in dem dieser Brauch meist gepflegt wird. Mancherorts gilt man als Einheimischer ehrenhalber, wenn es einem gelingt, den lokalen „Sprachtest“ zu bestehen. Das wohl bekannteste deutsche Schibboleth ist Oachkatzlschwoaf, siehe unten.
Deutsch (Schriftdeutsch)
Worte wie Streichholzschächtelchen, Eichhörnchen, Nacktschnecke, Fachhochschule, Quietscheentchen und Strickstrumpf gelten als Sprachtest für Ausländer, da sie vor allem wegen der Konsonantencluster und der Wechsel zwischen Rachen- und Zischlauten recht schwer auszusprechen sind.
Für den Unterschied zwischen Norddeutschen und Süddeutschen gilt das stimmlose bzw. das stimmhafte S im Anlaut als Kriterium: süddeutsche Sprecher verwenden eher stimmlose, norddeutsche stimmhafte s-Laute. Daher können bereits Worte wie „die Sonne“ als Schibboleth verwendet werden.
Stimmloses s oder sch: „Schornsteinfeger Stefan fischt im Nest nach Wurst.“ Je nach Herkunft kann das „st“ nie, einmal, zweimal, dreimal oder viermal wie „scht“ gesprochen werden.
Helles ch und sch sind vor allem für Sprecher aus dem Rheinland, Sachsen und Südhessen schwer zu unterscheiden: „Schwarzwälder Kirschtörtchen“, „Griechische Geschichte“.
Regionale Aussprache des R:
- Münsterland und Ostwestfalen: auch nach kurzvokaler Vokalisierung (bzw. aufgrund der fehlenden Unterscheidung der Länge hier Zusammenfall), z.B. in „Kirche“: IPA ['kiːɐçə] statt ['kɪʁçə] (Fangsatz: „Hirsch heiß ich.“); dagegen in der oberen Lausitz sowie Siegerland und Wetterau: fast analog zum amerikanischen R, d.h. als alveolarer Approximant [ɹ]: „Rahm“ als [ɹaːm] statt [ʁaːm].
- Franken: typisch ist hier das alveolar gerollte [r] v.a. nach Konsonanten, d.h. wie in italienischer oder schwedischer Hochsprache: „Rahm“ als [rɑːm]. Vor Konsonanten hingegen oft Angleichung an den folgenden Konsonanten: „Sport“ [ʃpɔd̥].
- Rheinland: nach hinteren Vokalen wie velares/uvulares ch (IPA [x] oder [χ]): „Sport“ [ʃpɔχt].
Norddeutsche und westfälische Aussprache von pf am Wortanfang wie f. Pennälerscherz: Caesar equus consilium = Caesar Pferd Rat = ['tsɛːsaː fɛːɐt raːt] = Caesar fährt Rad.
Schweizerisch, bairisch und österreichisch wird k oft zu kch [kχ].
Schweizerische Aussprache von chs immer als ch-s: Sechsachser (IPA [ˈsɛxsaxsr] statt [ˈzɛksʔaksɐ])
Ü versus i und ö versus e fällt Türken, West- und Norddeutschen typischerweise leicht, Polen, Tschechen, Bayern und Sachsen typischerweise schwer. (Im Bairischen kommt „ü“ z.B. gar nicht vor.)
Schwäbisch: nasal gefärbt, etc.
Test auf französischen Akzent: „Hans hat in einem hohen Hochhaus gewohnt.“ Erstens fällt die Aussprache von h und dem Rachen-ch in Hochhaus schwer; zweitens wird Hans und gewohnt gerne nasalisiert; drittens wird das e in hohen gerne als ɛ oder sehr kurzes, leicht gerundetes œ ausgesprochen (korrekt wäre ungerundetes ə).
Im Bairischen gibt es feinere Unterscheidungen bei Lautnuancen und Phonemen als im Standarddeutschen. Ein Beispiel sind die standarddeutschen Phoneme /a/ [a] und /o/ [ɔ] oder [o], denen im Bairischen drei bis vier Phoneme (würden die nasalen Vokale dazugenommen werden, so wären es noch mehr) gegenüberstehen: Das überhelle a /à/ [ạ], das dunkle a /å/ [ɒ], das offene o /ò/ [ɔ] (die beiden letzteren werden teilweise nicht unterschieden) und das geschlossene o /o/ [o]. Ein westmittelbairisches Beispiel ist nà - na - nò - no (nein - dann - hinab - noch).[1][2]. Deshalb kann der Satz „Der Papst pappt Pop-Plakate.“ auch als Schibboleth verwendet werden, um Nicht-Baiern zu erkennen, So wird ein Baier (wer einen bairischen Dialekt spricht) den Schibboleth-Satz auch im Bairischen Deutsch[3] mit zwei unterschiedlich gefärbten a-Lauten aussprechen: „Papst“ und „pappt“ mit dunklerem a, „Plakate“ mit zweimal hellerem a, während im Wort „Pop“ ein deutlich dunkles o gesprochen wird.[4].
Fränkisch: Oozullds Buddlesbaa & Mamaladenaamala
„Oozullds Buddlesbaa“ leitet sich ab von „abgenagtes Hühnerbein“. Dabei wird Putt-putt, der Lockruf für Hühner als Wort für Huhn gesehen.
„Mamaladenaamala“ bedeutet „Marmeladeneimerchen“. Existiert auch in der erweiterten Form „A Mamaladenaamala hama a daham“ und heißt „Ein Marmeladeneimerchen haben wir auch daheim“.
Frankfurt am Main
Ein klassisches Frankfurter Schibboleth lautet: Isch haach der aans uffs Aach, awwer uffs annere Aach haach isch der aach ans! (Ich hau Dir eines auf das Auge, aber auf das andere Auge haue ich Dir auch eines!). Ein einzelnes Wort, an dem man geborene oder gelernte Frankfurter erkennen kann, ist Schaumaakabaabambler (eine Person, die am Schaumainkai sitzt und ihre Beine an der Ufermauer baumeln lässt).
Wetterau
Wo willste des He hi ho, ha? („Wo willst du das Heu hin haben, hä?“) ist die Antwort auf die Aufforderung, einen Satz mit „he hi ho ha“ zu bilden.
Hunsrück: „Die Mesche en de Krinschelehegge“
Die Wendung bedeutet auf Hochdeutsch „Die Spatzen in den Stachelbeerhecken“.
Pfalz/Kurpfalz
In de Pålz geht de Pårre mit de Peif in die Kär(s)ch. („In der Pfalz geht der Pfarrer mit der Pfeife in die Kirche“). Typisch für das Vorderpfälzische ist das starke Verkürzen von Wörtern unter Auslassung von Vokalen und Konsonanten („verschlucken“). Außerdem wird schnell gesprochen, so dass es für Außenstehende nur als „Sing-Sang“ wahrzunehmen ist. Außerdem gibt es im Süden der Pfalz eine Annäherung des „a“ an das „o“, was mit „å“ zum Ausdruck gebracht werden soll. An diesem Zwischenlaut erkennt man jemanden aus der südlichen Vorderpfalz.
Beliebte Schibboleths im badischen Teil der Kurpfalz, also in der Gegend um Mannheim und Heidelberg, sind Ä grie oagschdrichenes Gadedearle („Ein grün angestrichenes Gartentörchen“) und das möglichst schnell gesprochene Scheint d’Sunn schun schää? D’Sunn scheint schun schää! („Scheint die Sonne schon schön? Die Sonne scheint schon schön!“), wobei letzterer weniger durch schwierige Aussprache wirkt als durch die Verwirrung des Fremden über die Bedeutung des Satzes.
Schwierigkeiten haben Sprecher des Pfälzischen mit aufeinanderfolgenden -ch- und -sch-Lauten. So kann man einen Pfälzer beispielsweise fragen, ob ihm „Römische Geschichte“ oder die „Griechische Archaik“ mehr liege.
Süd-Saarland
Maansche e Gutzje? (Schreibweise uneinheitlich) oder auch Varianten davon, z. B. Willsche e Gutze? („Möchtest Du ein Bonbon?“). Aussprache entweder [mɑːnʒəʔə‿ˈɡʊtsjə] mit nur schwach ausgeprägtem Glottisschlag (quasi [mɑːnʒə‿ə‿ˈɡʊtsjə]) oder ohne: [mɑːnʒə‿ˈɡʊtsjə].
Sachsen: Moodschekiepchen
Dieses Wort bedeutet auf Hochdeutsch „Marienkäfer“ und wird ganz charakteristisch breit und mit den berühmten sächsisch-weichen Konsonanten („De Weechen besieschen de Hardn“) ausgesprochen. Ebenfalls nicht unüblich: Forderung der Aussprache der Zahl 11 (hochdeutsch: elf, sächsisch: ölf). Die Aussprache sächsischer Dialektwörter und Sprache fällt vielen Nichtsachsen durchaus schwer – trotz vieler versuchter Nachahmungen im Zuge von Witzen über den sächsischen Dialekt klingen die Sprecher (zumindest in sächsischen Ohren) nicht „sächsisch“.
Erzgebirgisch: Wo die Hasen Hosen hasen und die Hosen Husen hasen, hasen dort die Hasen Husen? (hochdeutsch: „Wo die Hasen ‚Hosen‘ heißen und die Hosen ‚Husen‘ heißen, heißen dort die Hasen ‚Husen‘?“). Letzterer Satz wird auch in Oberfranken verwendet, worin die Verwandtschaft des Erzgebirgischen zum Oberfränkischen deutlich wird, siehe Ostfränkische Dialektgruppe.
Bairisch / Österreichisch: Oachkatzlschwoaf
Oachkatzl = „Eichhörnchen“ (Eichkätzchen), Schwoaf = „Schweif“ und Loawedoag = „Laibchenteig“[5] sind Schibboleths zur Erkennung von Muttersprachlern einer Bairisch-österreichischen Mundart, im Wienerischen als Achkatzl(schwaf)[6]. Dieses Schibboleth war vor allem während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Kommunikation mit US-Soldaten sehr beliebt.
Wer diesen Sprachtest nicht besteht, wird in Bayern grundsätzlich unabhängig von seiner tatsächlichen Herkunft als Preiß bezeichnet.
Wird der Test wider Erwarten doch bestanden, wird das Opfer meist aufgefordert, das Wort Schwoachbatzlkoaf (ein Buchstabendreher des ursprünglichen Wortes) auszusprechen. Dieses Wort ergibt zwar keinen Sinn, ist aber schwierig auszusprechen.
Wiktionary: Oachkatzlschwoaf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenEin Schibboleth ist auch in folgendem Satz enthalten: Du múasst an bám gíassn sunst dadirdada. Auf Hochdeutsch: „Du musst den Baum gießen, sonst verdorrt er dir“. „Verdorren“ heißt auf Bairisch dadirn und das wissen eben nur Sprecher bairischer Dialekte. Noch besser ist: Mit dem Bam då iss total wuascht wost’hn histeyst. Dådadirdada, dådadirdadaraa und dådadaraadadian („Völlig egal, wo du den Baum hinstellst: Da verdorrt er dir, da verdorrt er dir auch und da würde er auch verdorren“).
Auch gerne verwendet wird das Vitriolöl. Wenn man sich mit Viddrioiäi aiäid fällt dem Unterschied kehligen Diphthong äi und dem helleren ai gesteigerte Bedeutung zu.
Bayern: D’ Koinarin håd’s Bschteck z’ schpâd bschtoid
Dieser Satz („Die Kellnerin hat das Besteck zu spät bestellt“), in manchen Teilen Bayerns auch leicht anders ausgesprochen, ist sowohl Schibboleth als auch Zungenbrecher. Weitere Beispiele sind vui zvui Gfui („viel zu viel Gefühl“) und Fentui-Schleicherl („Ventilschläuchlein“).
Niederbayern: Is heid Koaprob? Naa, heid is kõa Prob.
„Ist heute Chorprobe? Nein, heute ist keine Probe.“ Die Ausdrücke „Chorprobe“ und „keine Probe“ sind für Nicht-Bayern so gut wie nicht zu unterscheiden, geschweige denn richtig nachzusprechen.
Nordbayern: Die nordbairischen Vokale
Ein bekanntes Schibboleth aus der nördlichen Oberpfalz, wo markantes Nordbairisch gesprochen wird, ist der folgende Satz (es gibt mehrere Varianten). Entscheidend ist hier, ob jemand die nordbairischen Triphthonge – hier [ɔu̯ɐ] – korrekt aussprechen kann.
Is des wòua, daß a Gròua in an Jòua hindan Òua a Schebbal Hòua wagsn kho lòua? („Ist es wahr, dass sich eine Krähe innerhalb eines Jahres hinter dem Ohr ein Büschel Haare wachsen lassen kann?“)[7]
Österreich: regionale Varietäten
Kärnten: schnupfatns'n
Der Satz Wenn’s an Tabak hätt’n, schnupfatns’n? („Wenn Sie Tabak hätten, würden Sie ihn schnupfen?“) gilt in Kärnten als Test der Kenntnisse der lokalen Mundart.Oberösterreich: Ödögidöggi
Dieses Wort, das gemeinhin unter Oberösterreichern als Zeichen der Zugehörigkeit empfunden wird, bedeutet auf Hochdeutsch „Öltiegeldeckel“. Als Zungenbrecher ist unter anderem folgende Phrase bekannt, die auch in den westlichen Teilen Niederösterreichs als Dialektlegitimierung eingesetzt werden kann: Mei Ural hot a No’l-lal und a Nahno’l-la’l a. Der grammatikalisch nicht vollständig korrekte Satz bedeutet „Meine Urgroßmutter hat eine Nadel-Lade und eine Nähnadel-Lade auch“.Steiermark: Höllböllkernöl
Anhand der falschen Aussprache dieses Kunstwortes wird der Nicht-Steirer entlarvt. Ortsfremde werden gebeten, das besagte Wort nachzusprechen, was sich für viele als sehr schwierig herausstellt. Man lässt sich das Höllböllkernöl (hergeleitet von Kürbiskernöl, einer steirischen Spezialität) vortragen, um das Bellen, eine Eigenheit des steirischen Dialektes, auszutesten.Wien: Zwirnsknäuerl oder Zwirnsspulerl
Besonders von Wienern der älteren Generation wird dieses Wort (auf Standarddeutsch „Zwirn(s)knäuel“) – wegen der markanten Konsonantencluster und des typischen Diminutivsuffixes -erl – gerne als Schibboleth verwendet.Vorarlberg
Im Vorarlbergischen gibt es aufgrund der verschiedenen Herkunft der Bewohner der Talschaften einige Besonderheiten. Einen „standardisierten“ Test gibt es daher für das Vorarlbergerische nicht.Besonders hebt sich die Marktgemeinde Lustenau durch einen sehr eigentümlichen Dialekt mit einigen selbst in Nachbargemeinden unverständlichen Worten hervor. Ein entsprechendes Schibboleth für Lustenau wäre Godaladalella(d), was den Rückhaltemechanismus für Fensterläden des elterlichen Schlafzimmers bezeichnet.
Kölsch
In Köln wird gelegentlich das Kunstwort Kanaljevüjjelcheszüngelcheszüppche („Süppchen aus den Zünglein von Kanarienvögelchen“) als scherzhafter Sprachtest für die Kölner Mundart, das Kölsch, benutzt. Verbreiteter ist die Aufforderung: Sarr-ens Blootwoosch („Sag mal Blutwurst!“). Die korrekte Antwort darauf ist nicht „Blootwoosch“, sondern „Flönz“ (der kölsche Mundartausdruck für Blutwurst).
Schweiz: Chuchichäschtli
Im Schweizerdeutschen wird meist das Wort Chuchichäschtli (ein kleiner Küchenschrank) verwendet. Auf Berndeutsch ist zudem auch das Wort Miuchmäuchterli (ein Milchgefäß) bekannt.
In der Schweiz ist, ähnlich wie in Bayern und Schwaben, der Zungenbrecher mit dem „Speckbesteck“ bekannt: Dr Papscht het z Spiez ds Späckpschteck zschpät bschtellt („Der Papst hat in Spiez das Speckbesteck zu spät bestellt“).
Am Untersee (westlicher Teil des Bodensees) gibt es einige Ortschaften mit sehr ausgeprägtem Dialekt: en Chraapfe voll Saapfe d Laatere abschlaapfe („einen Korb voller Seife die Leiter hinabtragen“).
Auch erzählt man sich gerne diesen Dialog aus Schaffhausen: Taar da da? – Ja, da taar da! – Da da da taar! („Darf das (= dieses Kind) das (tun)? – Ja, das darf das! – Dass das das darf!“). In Unterfranken ist gleicher Dialog als Döff des des? – Des döff des! – Dass des des döff?! bekannt.
Schwaben
Hier ist die folgende Phrase beliebt und bekannt: a oagnehm grea agstriches Anläglesbänkle („eine unangenehm grün angestrichene Parkbank“). Der Abfolge der Konsonanten wegen schwierig ist auch Zwetschgakuacha (Zwetsch(g)enkuchen).
Die Schwierigkeit für den Nicht-Schwaben ergibt sich in der ungewohnten Aussprache der aufeinander folgenden Nasallaute. Ebenfalls oft in Schwaben verwendet ist die schwäbische Form des bairischen Die Köinrin håds Bschteck zschpåd bschtöid: Dr Babschd hots Spätzlesbschdeck z’schbäd b’schdelld („Der Papst hat das Spätzle-Besteck zu spät bestellt“). Oder: Was dean dia do en deanne Dennele drenna? („Was treiben die dort in diesem Wäldchen?“) Auch hier taucht die Abfolge von verschiedenen, typisch schwäbischen Nasalen auf.
Man hört einem Schwaben erstaunlich treffsicher an, ob er aus einer katholischen oder aus einer evangelischen Gegend kommt. Katholiken sprechen einige wenige Wörter, die primär aus dem Bereich Schule/Kirche kommen, gegen die Regel des Dialekts eher nach der Hochsprache. Das betrifft unter anderem die Wörter Seele, Lehrer, Ehre, aber auch das Wort sehr, das in der Umgangssprache im Gegensatz zu den ersten häufig vorkommt. Ein Katholik spricht das e in diesen Wörtern lang und geschlossen (wie im Hochdeutschen), ein Protestant spricht dieses e offen, also als ä.
Alemannisch
Badisch als Sprachvarietät ist innerhalb der deutschen Varietäten nicht bekannt. Badisch bezeichnet ein politisches (Verwaltungs-)Gebiet. Der vorherrschende Dialekt ist Alemannisch, zu dem sprachgeschichtlich auch das Schwäbische gehört. Das Schibboleth für den alemannischen Sprachraum stellt lautliche Realisierung von "scht" an der Stelle von (geschrieben) "st". Das Beispiel wäre "Es ischt Sommer." Allerdings gilt das Schibboleth auch in den Grenzbereichen des Alemannischen, wie beispielsweise im Nordbadischen Karlsruhe, dessen Dialekt dem Rheinfränkischen zugerechnet werden kann. Ein beliebtes Schibboleth im Badischen ist Zwoi woiche Oier en oinerer Roi (hochdeutsch „zwei weiche Eier in einer Reihe“), den die eher pfälzisch geprägten Nordbadener signifikant anders aussprechen als die alemannisch geprägten Südbadener.
In allen süddeutschen Dialekten ist beim Laut ei der mittelhochdeutsche Lautstand bewahrt, wodurch das Wort zwei anders ausgesprochen wird als das Wort drei. Im Norddeutschen ist das nicht der Fall; die so bedingten Aussprachefehler verraten treffsicher den Reigschmeckten.
Schibboleths in der geschriebenen Sprache
Als Schibboleths in der geschriebenen Sprache bezeichnet man Merkmale, die einen, im besten Fall ohne Kenntnis der betreffenden Sprache, schnell erkennen lassen, um welche Sprache es sich handelt. Im einfachsten Fall sind dies charakteristische diakritische Zeichen an Buchstaben wie dem deutschen ä, ö und ü,dem ungarischen ő und ű, dem französischen é und ê oder dem spanischen ñ. Oder auch Ligaturen wie das deutsche ß.
Schibboleths in anderen Sprachen
Englisch
red lorries, yellow lorries, red lorries, yellow lorries ... (5x nacheinander) (Zungenbrecher) (rote Lastkraftwagen, gelbe Lastkraftwagen …)
können insbesondere die Engländer im Südwesten des Landes (Cornwall) und die Südstaatler der USA nicht aussprechen, weil vor lauter gerollten r und l die Feinabstimmung versagt.
Die Aussprache des Namens der texanischen Stadt Corpus Christi gilt als einfacher Test, um Südtexaner und Südstaatler von anderen amerikanisch-Englischsprechern zu trennen, da bei Einheimischen die erste Silbe über 70 % der Sprechdauer des Namens ausmacht, wobei „o“ und „r“ verschmelzen, was mit wachsender Entfernung graduell abnimmt.
Polnisch
Für Ausländer
- W Szczebrzeszynie chrząszcz brzmi w trzcinie („In Szczebrzeszyn brummt ein Käfer im Schilf“) [fʃtʃɛbʒɛˈʃɨɲɛ ˈxʃɔ̃ʃtʃ ˈbʒmʲi ˈftʃtɕiɲɛ] anhören?/i
innerhalb Polens
Oberschlesier kennen statt drei nur zwei Reihen Zischlaute (Siakanie):
- polnisch c / ć / cz // s / ś / sz // z / ź / ż = rz
- oberschlesisch c / (ć =) cz // s / (ś =) sz // z / (ź =) ż = rz
Niederländisch Scheveningen
In den Niederlanden wird gerne das Wort Scheveningen als Sprachtest verwendet. Die niederländische Aussprache lautet „S-cheveningen“ ( anhören?/i), während Deutsche das Toponym typischerweise mit einem ʃ am Anfang aussprechen. Entsprechendes gilt für Enschede und Schiphol. Bei Letzterem ist zu beachten, dass das "ph" nicht wie "F" ausgesprochen wird, sondern getrennt, also "S-chip-hol".
Ebenso gern der Name des bekannten Grandhotel Huis ter Duin, dessen korrekte Aussprache mit etwa „Häüs t(e)r Däün“ beschrieben werden kann und von Nichtholländern entweder buchstabengetreu oder wie „Höis ter Döin“ ausgesprochen wird.
Tschechisch
Der „Satz ohne Vokale“: Strč prst skrz krk (Steck den Finger durch den Hals).
Dänisch
„Rødgrød med fløde“ [ˈʁœðɡʁœðʔ me fløːð] („Rote Grütze mit Sahne“) ist der bekannteste dänische Sprachtest für Ausländer. Die Schwierigkeit besteht darin, dreimal in kurzer Folge das für die dänische Sprache charakteristische „weiche d“ [ð] auszusprechen. Dieser Laut ist für sich genommen schon eine Herausforderung. In Kombination mit einem vorausgehenden ø bzw. den beiden r in „rødgrød“ verlangt er Fremdsprachigen zudem eine ungewohnte Abfolge von Zungen- und Mundbewegungen ab.
Italienisch
Während des Aufstands von 1282 (Sizilianische Vesper) wurden die Franzosen in Sizilien verfolgt und vertrieben. Wer verdächtigt wurde, ein untergetauchter Franzose zu sein, soll dazu gezwungen worden sein, das Wort ceciri (dt.: Kichererbsen) auszusprechen. Statt [ˈtʃɛːtʃɪɾɪ] (sizilianisch) sprachen viele Franzosen das Wort auf französisch als [sesiˈʀi] aus und wurden daraufhin ermordet.[8]
Literatur
- Jacques Derrida: Schibboleth. Hg. von Peter Engelmann. Passagen, Wien 1986, ISBN 3-85165-544-3
- Achim Geisenhanslüke: Das Schibboleth der Psychoanalyse. Freuds Passagen der Schrift. Transcript, Bielefeld 2008 ISBN 978-3-89942-877-3
- Werner König u. Hans-Joachim Paul (Grafiken): dtv-Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. Mit Mundart-Karten. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1978/1. Aufl. u. 1989/7. Aufl. ISBN 3-423-03025-9.
- Peter Wehle: Sprechen Sie Wienerisch? Von Adaxl bis Zwutschkerl. Verlag Ueberreuter, Wien-Heidelberg 1980, ISBN 3-8000-3165-5.
Siehe auch
Weblinks
Wiktionary: Schibboleth – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen- Migration und Mehrsprachigkeit [1]
Referenzen
- ↑ Ludwig Zehetner: Das bairische Dialektbuch, München 1985, ISBN 3406305628, Abschnitt Lautlehre, S. 75 - 78
- ↑ Ludwig Zehetner: Basst scho! Wörter und Wendungen aus den Dialekten und der regionalen Hochsprache in Altbayern, Regensburg, 2009, ISBN 978-3-939112-42-6, Kapitel 36
- ↑ Ludwig Zehetner: Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern, Kreuzlingen 2005, ISBN 3980702871, Definition siehe Einleitung, S. 13–24
- ↑ Ludwig Zehetner: Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern, Kreuzlingen 2005, ISBN 3980702871, Stichwörter a; à und o sowie Papst, pappen, Plàkàtsäule
- ↑ Ludwig Zehetner: Das bairische Dialektbuch München 1985, ISBN 3406305628, Abschnitt Lautlehre, S. 78
- ↑ Wehle, Seite 93.
- ↑ Eberhard Wagner: Das fränkische Dialektbuch, München 1987, ISBN 3406318002, S. 51f.
- ↑ http://www.comune.sperlinga.en.it/storia.asp
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