Schienenkreuzfahrt

Schienenkreuzfahrt

Als Schienenkreuzfahrt bezeichnet man eine schienengebundende Erkundungs-, Vergnügungs- oder Urlaubsfahrt. Häufig finden diese mit einem besonders komfortablen Zug statt, der entlang einer touristisch interessanten Streckenführung fährt und/oder an verschiedenen touristisch interessanten Zielen hält. Der Begriff „Schienenkreuzfahrt“ leitet sich von der Kreuzfahrt auf dem Meer ab. Kreuzfahrten auf der Schiene sind touristische Bahnreisen in Zügen mit hotelartiger Ausstattung wie Schlafabteilen, Restaurants und Aufenthaltsräumen. Außerdem sie sind auch dadurch charakterisiert, dass sie neben der hotelartigen Ausstattung Möglichkeiten zur Landerkundung bieten.[1] Das Verkehrsmittel ist, wie auch bei der Schiffskreuzfahrt, Hauptbestandteil der Reise und Grundlage für das touristische Erlebnis.[2]

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

In Folge der weltweiten Entwicklung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert konnten Reisen durch höhere Geschwindigkeiten wesentlich verkürzt werden. 40 Jahre nach der Einweihung der ersten Eisenbahnstrecke in England wurde 1864 der erste Schlafwagenzug in Amerika von dem Eisenbahnunternehmer Pullman gebaut. Bereits drei Jahre später entwickelte Pullman den Schlafwagenzug als Hotelzug weiter, indem er zu den Schlafwagen auch Speisewagen hinzufügte.[3] Nach Europa gelangte die Idee, schlafend Strecken zu überwinden durch den Belgier Georges Nagelmackers, der 1867 für ein Jahr nach Amerika ging und auf seiner Reise durch das Land die Pullman-Schlafwagen kennenlernte.[4] 1876 wurde die „Compagnie Internationale des Wagon-Lits“ (CIWL) gegründet. Die Geschichte des Orient-Express der CIWL beginnt 1883. Ausgestattet mit zwei Schlafwagen, zwei Gepäckwagen, davon einer mit Duschkabine, und einem Speisewagen ging die erste Reise von Paris nach Konstantinopel.[5]

Bis zum 1. Weltkrieg vergrößerte sich die CIWL zunehmend und betrieb 1913 bereits 31 Luxuszüge. Nach dem 1. Weltkrieg wurden die Fahrten der Luxuszüge wieder aufgenommen. Zusätzlich zum Orient-Express wurde unter Benutzung des Simplon-Tunnels der Simplon-Orient-Express eingeführt. Während des 2. Weltkrieges wurde die CIWL teilweise unter deutsche Zwangsverwaltung gestellt.[6]

Auch außerhalb Europas, in den europäischen Kolonien, entstanden im Laufe der Zeit Luxuszüge wie z. B. in Indien. Die englische Kolonialzeit in Indien hat diesem Land zum Bau von Eisenbahnstrecken verholfen. Dort hat Ende der 1880er Jahre die Zeit der Luxuszüge begonnen. Sie wurden für die Maharadschas, die indischen Fürsten gebaut. Daraus entstand der Zug Palace on Wheels, ein Palast auf Rädern. Die komfortablen Waggons durften mit einer Sondergenehmigung an die regulären Züge anhängt werden. Die indischen Maharadschas verloren nach der englischen Kolonialzeit und der indischen Unabhängigkeit ihre Macht. 1970 mussten sie unter Indira Gandhi ihre Privilegien abgeben, die auch ihre Paläste und Luxuszüge betrafen. Deshalb wurden die Waggons außer Dienst gestellt und erst in den 80er Jahren zu neuen Zügen zusammengefügt. Unter Nachbildung der Orignalwagen wurde dadurch der neue Palace on Wheels geschaffen.[7]

Da nach dem 2. Weltkrieg die Nachfrage immer weiter sank, wurden die Züge nach und nach eingestellt. Erst seit Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre wurden weltweit die Züge wiederentdeckt, renoviert und neu zusammengefügt. Diese Züge sind zum Großteil noch heute in Betrieb.

Anbieter

Zur Abgrenzung der Anbieter von Schienenkreuzfahrten gegenüber sonstigen Anbietern touristischer Bahnreisen lässt sich der Gesamtmarkt touristischer Bahnreise-Anbieter in Anbieter von Bahnreisen ohne Übernachtung, Anbieter von Bahnreisen mit Schlafwagen- oder Hotelübernachtung und Anbieter von Kreuzfahrten unterteilen.[1] Diese drei Kategorien können auch als Panoramazüge, Abenteuerzüge und Luxuszüge bezeichnet werden.[8] Die Anbieter befinden sich hauptsächlich in Europa, im südlichen Afrika und in Indien.

Zielgruppe

Die Nachfrager nach Schienenkreuzfahrten sind anspruchsvolle Kunden. Sie erwarten von Personal und Management einen ausgezeichneten Service. Das Durchschnittsalter der Zielgruppe liegt zwischen 50 und 60 Jahren.[9] Je nach angefahrenem Ziel stammen 45-60 % der Passagiere aus Europa, insbesondere aus Großbritannien und Deutschland, der restliche Quellmarkt ist hauptsächlich die USA.[10][9] Der Neukundenanteil liegt jährlich bei 80 %.[1] Auch Schiffskreuzfahrtpassagiere zeigen vermehrt Interesse an Schienenkreuzfahrten.

Eingesetzte Züge

Häufig werden besondere Züge eingesetzt. Dabei handelt es sich oft um historische, wieder instand gesetzte Garnituren mit Schlafwagen, Speisewagen und Salonwagen (beispielsweise im historischen Orient-Express, dem ehemaligen Regierungssonderzug der DDR oder speziell von Bahngesellschaften für Schienenkreuzfahrten angeschaffte Garnituren wie dem Belarus-Kurier der weißrussischen Eisenbahngesellschaft „Belaruskaja Tschyhunka“) bzw. dem Pride of Africa einmal im Jahr von Kapstadt nach Daressalam und zurück. Die Züge werden normalerweise von einem Reiseveranstalter für Reisegruppen angemietet.

Ein Wagen des Palace on Wheels am Morgen in Jaipur

Zugausstattung

Die Züge unterscheiden sich in ihrer Länge und in ihrer Ausstattung voneinander. Sie bestehen mindestens aus Schlafwagen und Restaurant. In Zügen gibt es, im Unterschied zu Kabinen auf Kreuzfahrtschiffen, nur Abteile mit Fenstern. Innenkabinen sind auf Grund der Bauweise von Zügen nicht vorhanden. Die Abteile sind in jedem Zug unterschiedlich groß und haben verschiedene Ausstattungen. Die Größe reicht von 2,8 m² bis zu 16 m². Die meisten Abteile sind entweder als Suiten oder Doppelabteile mit zwei getrennt stehenden oder übereinander angeordneten Betten ausgebaut. Je größer ein Abteil ist, desto besser ist in der Regel die Ausstattung und desto höher ist auch der Preis.

Leistungen

Leistungen können Transfers vom Flughafen zum Bahnhof, Ausflüge und die Verpflegung im Zug beinhalten. Dabei entscheiden die Unternehmen, welche Leistungen als Bestandteil des ganzen Produktes angeboten werden. In der Regel ist die Anreise nicht als Leistung in der Reise enthalten. Die Verpflegung ist meist in Form von Vollpension, wobei in den Luxuszügen häufig auf eine elegante Erscheinung in Abendkleidung während der Mahlzeiten geachtet wird. In den meisten Zügen werden Ausflüge wie Stadtbesichtigung, kulturelle Sehenswürdigkeiten oder Safaris angeboten.

Beliebte Streckenführungen

Berühmte Strecken für Schienenkreuzfahrten sind beispielsweise die Linke Rheinstrecke und die Rheintalbahn, die Bergenbahn, verschiedene Strecken durch die Alpen, die Transsibirische Eisenbahn, in Afrika von Windhoek nach Swakopmund (Namibia) sowie die transkontinentalen Eisenbahnstrecken durch die USA, Kanada oder Australien.

Einzelnachweise

  1. a b c Lambert Anthony: Growing niche market offers profitable opportunities, 1. August 2007, abgerufen 5. Februar 2009
  2. Stephen Page: Transport and Tourism: Global Perspectives. Essex, 2005, S. 22 f. ISBN 978-0-273-71970-0
  3. Jonathan Farren, Bernard Grilly, Jean-François Mallet: Legendäre Luxuszüge. München, 2006, S. 172. ISBN 978-3-89660-352-4
  4. Constantin Parvulesco: Orient-Express. Stuttgart, 2007, S. 37. ISBN 978-3-613-71305-5
  5. Jürgen Franzke: Orient-Express - König der Züge. Nürnberg 1998, S. 8. ISBN 978-3-89836-109-5
  6. Albert Mühl, Jürgen Klein: Reisen in Luxuszügen. Freiburg, 2006, S. 340. ISBN 978-3-88255-696-4
  7. Patrick Poivre d’Arvor: Legendäre Eisenbahnreisen. München, 2007, S. 284. ISBN 978-3-89405-685-8
  8. Walter Freyer: Tourismus. Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie. München, 2006, S. 191 f. ISBN 978-3-486-57874-4
  9. a b I. Lanz: Luxuszüge im südlichen Afrika. In: fvw, Nr. 20, 4. September 1998, S. B14
  10. D. Berg: Nostalgie und Luxus auf der Schiene. In: Allgemeine Hotel- und Gaststätten-Zeitung Nr. 33 vom 19. August 2006, S. 10

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