Soeren Kam

Soeren Kam

Sören Kam (eigentlich Søren Kam, * 2. November 1921 in Kopenhagen) war ein Angehöriger der dänischen SS-Einheiten und wohnt heute in Bayern.

Kam tötete 1943 zusammen mit zwei Helfern einen dänischen Journalisten; jedoch wurde - nach dem Zweiten Weltkrieg - die Auslieferung zur Strafverfolgung nach Dänemark mehrmals abgelehnt. Im Februar 2007 wurde bekannt, dass sich Kam auch an der Verfolgung dänischer Juden beteiligt hatte.

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Weltkrieg

1941 meldete sich der 20-jährige Kam freiwillig zur Waffen-SS. In der 5. SS-Panzer-Division „Wiking“ diente er an der Ostfront im Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945, wo er mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, dem Eisernen Kreuz 1. und 2. Klasse, dem Infanteriesturmabzeichen und der Nahkampfspange ausgezeichnet wurde. Er ist ferner Träger des Verwundetenabzeichens. Sein letzter militärischer Rang war der eines Obersturmbannführers, was einem Oberstleutnant des Heeres entspricht.

In Dänemark war Kam 1943 Mitgründer der nach Christian Frederik von Schalburg benannten Kollaborations-Miliz „Schalburgkorps“, das gegen die Dänen gerichtete Terror- und Vergeltungsaktionen vornahm. Am 30. August 1943 tötete Kam mit zwei Kameraden der Waffen-SS – Jørgen Valdemar Bitsch und Knud Flemming Helveg-Larsen – in Lyngby bei Kopenhagen den dänischen Journalisten Carl Henrik Clemmensen. Die Tat war Teil einer „Säuberungsaktion“, bei der die deutschen Besatzer und ihre Kollaborateure im Herbst 1943 mindestens 125 Menschen ermordeten. Clemmensen wurde bis zu seiner Wohnung verfolgt und dann mit acht Pistolenschüssen getötet. Der Grund dafür war, dass Clemmensen – während der deutschen Besatzung Reporter der Berlingske Tidende – kurz zuvor einem Kollegen der Nazi-Tageszeitung Fædrelandet zufällig in einem S-Bahnhof über den Weg gelaufen war, vor diesem ausspuckte und ihn als Landesverräter beschimpfte.

Nach 1945

Helveg-Larsen wurde 1946 als einziger der drei Tatbeteiligten zum Tode verurteilt und hingerichtet, während Bitsch und Kam verschwanden. Kam emigrierte in die Bundesrepublik Deutschland, wo er jahrelang unter falschem Namen lebte. 1956 erhielt Kam die deutsche Staatsbürgerschaft.

Mehrmals forderten dänische Behörden die Auslieferung Kams, um in einem Strafverfahren gegen ihn zu ermitteln. 1968 wurde von der Staatsanwaltschaft München II ein Ermittlungsverfahren gegen Kam eingeleitet. Dieser bestritt nicht, auf Clemmensen geschossen zu haben, beteuerte aber, dass Helveg-Larsen zuerst gefeuert und er nur „als ein Akt solidarischer Haltung“ abgedrückt habe, als Clemmensen schon tot am Boden lag. 1971 wurde das Verfahren deshalb aus Mangel an Beweisen wieder eingestellt. Kam fand eine Arbeit als Verkaufsleiter einer Brauerei in Kempten, Bayern, wo er heute als Rentner lebt.

Auslieferungsbemühungen nach 1995

1995 geriet Kam in die Schlagzeilen, als er in Kärnten am Ulrichsbergtreffen der Veteranen der Waffen-SS in Krumpendorf teilnahm. Bei dieser jährlich stattfindenden Versammlung, an der regelmäßig auch Jörg Haider und Gudrun Burwitz (Heinrich Himmlers Tochter) teilnahmen, wurde Kam gefilmt. Bei einer Ausstrahlung des Filmberichts in der ARD wurde Kam von dänischen Zuschauern erkannt.

1997 tauchte in Dänemark der Obduktionsbericht des Ermordeten wieder auf. Aus diesem geht hervor, dass alle acht abgefeuerten Kugeln den Journalisten fast gleichzeitig trafen, als dieser noch aufrecht stand. Am 3. August 1998 revidierte Kam deshalb seine Aussage und gab zu, auf den noch stehenden Clemmensen geschossen zu haben, berief sich aber auf Nothilfe. Da ein Europäischer Haftbefehl in Deutschland nicht wie in Dänemark rückwirkend in Kraft gesetzt werden kann, wurde Kam auch 2005 nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über die Gültigkeit des deutschen Ausführungsgesetzes zum EU-Haftbefehl nicht ausgeliefert.

Am 20. September 2006 wurde Kam an seinem Wohnsitz festgenommen, nach der Vorführung beim Amtsgericht Kempten in die Justizvollzugsanstalt München gebracht, jedoch bereits am 12. Oktober wieder entlassen. Die Entscheidung darüber, ob die Auslieferung an die dänische Justiz zulässig wäre, wurde vom Oberlandesgericht München zunächst vertagt. Im Februar 2007 entschied das Gericht, dass der Tatbestand nicht als Mord, sondern als Totschlag zu werten und damit verjährt sei. Eine Sprecherin des Gerichts gab dabei zu, dass der Beschluss sich auf Kams Erklärungen gründe.[1]

Beteiligung am Holocaust

Am 7. Februar 2007 wurde bekannt, dass Kam auch an der Gefangennahme der dänischen Juden beteiligt gewesen sei. Kam habe Namen und Adressen aller dänischen Juden besorgt, kurz bevor die Wehrmacht im Oktober 1943 diese festzunehmen versuchte.[2]

Im August 1943 sei Kam als Soldat der Waffen-SS an einem Raub beteiligt gewesen, bei dem die Verzeichnisse der jüdischen Gemeinde in Kopenhagen gestohlen wurden. Damit habe er sichergestellt, dass die Wehrmacht die Juden so vollständig wie möglich registrieren konnte, bevor die Vernichtungskampagne begann. In diesem Lichte müsse Dänemark die Forderung um Auslieferung wiederholen, so Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Center.[3] Justizministerin Lene Espersen gab am 8. Februar bekannt, sie werde die neuen Informationen der Kopenhagener Polizei übergeben, die zur eventuellen Wiederaufnahme der Sache Stellung nehmen müsse.[4]

Während der Jagd auf die dänischen Juden konnte die Mehrheit in Sicherheit nach Schweden gebracht werden (siehe Rettung der dänischen Juden); 481 wurden jedoch festgenommen und ins KZ Theresienstadt gebracht, von denen 116 ermordet wurden.

Diskussion in Dänemark

Seit den 1990er Jahren, als neue Auslieferungsbemühungen vorgenommen wurden, findet in Dänemark eine Diskussion über die Berechtigung eines Gerichtsverfahrens statt. Dabei wird von einigen betont, man müsse den alten Mann nicht wegen des vor 60 Jahren stattgefundenen Delikts verfolgen, während andere der Meinung sind, die dänische Regierung hätte die Sache nicht so lange ruhen lassen sollen.

Juristisch ist klar, dass im Zuge eines Strafprozesses ermittelt werden kann, da in dänischem Recht für Totschlag kein Verjährungstermin gilt. Im Falle einer Gefängnisstrafe wäre es, angesichts seines hohen Alters, zweifelhaft, ob Kam diese auch tatsächlich verbüßen müsste.

Im Film

2004 drehte der Regisseur Søren Fauli den Dokumentarfilm Min morfars morder („Der Mörder meines Großvaters“). Fauli, selbst ein Enkelkind des ermordeten Clemmensen, sucht Kam auf mit dem Vorhaben, eine Versöhnung durchzuführen. Die Mutter des Regisseurs und Tochter des ermordeten Journalisten, Mona Clemmensen, stellt sich dem Vorhaben eher kritisch gegenüber, gibt aber am Ende zu, ein Teil ihres Schmerzes sei durch diese Wiederbearbeitung gelöst worden. Der Film befasst sich mit keinem juristischen oder historischen Aspekt, sondern widmet sich dem Menschlichen-Existentiellen. Einige kritisierten den Film jedoch als naiv, da die Versöhnung einseitig von Seiten der Opfer ausgehe.

Belege

  1. Deutscher Landgericht: Kam handelte in Notwehr, Politiken 5.2.2007 (dänisch)
  2. Søren Kam räubte zentrales Judenregister, Politiken 7.2.2007 (dänisch)
  3. Polizei ermittelt neue Spure in Kam-Sache, Politiken 8.2.2007 (dänisch)
  4. Søren Kam war entscheidend für den Versuch, alle dänische Juden zu ermorden, Politiken 7.2.2007 (dänisch)

Weblinks


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